Sarah Zerback: Für Europa, dafür treten viele der Parteien ein, die in einem Monat bei den Europawahlen punkten wollen – mal mehr, mal weniger enthusiastisch. 41 sind es insgesamt in Deutschland, die zur Wahl stehen, darunter auch eine ganz junge Partei, die nicht nur proeuropäisch, sondern sogar paneuropäisch sein will, und zwar die erste ihrer Art: Volt heißt sie und wurde vor zwei Jahren als Bewegung gegründet, ist inzwischen europaweit in mehr als 30 Ländern vertreten, hat viele Unterstützer gewinnen können, mehr als 20.000, und ist in 13 Ländern auch als Partei eingetragen, und zwar überall mit demselben Parteiprogramm – paneuropäisch eben. Einsetzen will sich Volt für gesamteuropäische Lösungen, aber dafür muss es die Partei natürlich erst mal ins Europaparlament schaffen. Ganz vorne mit dabei setzt sich dafür Valerie Sternberg ein, Präsidentin von Volt in Deutschland. Guten Morgen, Frau Sternberg!
Valerie Sternberg: Guten Morgen!
Zerback: Jetzt gibt es ja keine europaweiten Umfragen vor den Wahlen, wohl aber immer wieder in den Mitgliedsländern, und die sehen nationalistische und EU-kritische Parteien weiterhin im Aufwind. Warum glauben Sie, mit einer paneuropäischen Bewegung da punkten zu können?
Sternberg: Also für uns steht Europa gerade vor einem großen Scheideweg. Wir müssen uns entscheiden, in welcher Gesellschaft wir leben wollen und ob wir glauben, dass Deutschland besser in einem starken Europa dasteht oder nicht. Wenn wir uns nicht entscheiden, bedeutet das ganz klar Stillstand. Was das verursachen kann, haben wir, glaube ich, in den letzten Jahren und zurzeit ganz gut beobachten können. Wir sagen deswegen, wir brauchen Europa.
Paneuropäisch glauben wir, dass wir besonders gut punkten können, weil wir länderübergreifend und gesamteuropäisch an unseren Inhalten arbeiten. Das heißt, wir können auch vor allem auf europäische Probleme mit europäischen Lösungen eingehen und diskutieren die aber nicht erst im Parlament aus, schon eben von vornherein in ganz Europa durch eine Partei oder beziehungsweise eine Bewegung, die zurzeit bereits in 30 Ländern vertreten ist und somit bereits den europäischen Austausch von vornherein hat.
"Wir schauen nicht mit der nationalen Brille auf Dinge"
Zerback: Wenn ich das sagen darf, klingt das in der Theorie natürlich erst mal gut, aber in der Praxis auch furchtbar schwierig. Wie stellen Sie sich das vor? Wird das nicht die Prozesse wahnsinnig verlangsamen?
Sternberg: Es gibt sehr unterschiedliche Anforderungen, und zwar bei den Europawahlen tatsächlich 28 unterschiedliche Wahlgesetze und Hürden zur Teilnahme an der Europawahl, was es für uns als paneuropäisch aufgestellte Partei natürlich unglaublich schwierig macht, in allen Ländern teilnehmen zu können. Für uns bedeutet es schon für Italien, Österreich und Frankreich, dass die Hürden für Kleinparteien einfach zu groß waren. Aber ich glaube, dass die Prozesse durch eine paneuropäische Partei, einer europäisch aufgestellten Partei im Vorhinein eigentlich nur beschleunigt werden können, denn wir würden im Prinzip, wenn wir es schaffen, eine eigene Fraktion zu bilden, direkt europäische Vorschläge in den Gesetzesprozess einbringen, das heißt, sehr viel Energie, die eigentlich verloren geht durch Zusammenschlüsse nationaler Parteien, wie es zurzeit stattfindet bei der EVP, werden somit vorweggenommen.
Also der Entscheidungsfindungsprozess zu konkreten politischen Vorschlägen kommt vorher und somit auch der Austausch, und ich denke auch, dass es so sehr viel reibungsloser und vor allem zum Vorteil aller europäischen Bürgerinnen und Bürger sein kann beziehungsweise sein wird, denn wir schauen nicht mit der nationalen Brille auf Dinge, sondern mit der europäischen, und da können wir alle nur gewinnen.
Zerback: Nationale und lokale Probleme sind vielen Menschen aber wichtig. Wie wollen Sie denn den Wählerinnen und Wählern die Sorgen nehmen, dass die aus dem Fokus geraten, wenn man Sie wählt?
Sternberg: In der Tat treten wir gleichzeitig zu den Europawahlen auch auf kommunaler Ebene an, und zwar in Mainz und Wachenheim, also in Rheinland-Pfalz, und das werden wir auch in Zukunft genau so machen, also direkt nach den Europawahlen werden wir unseren Fokus direkt auf die Kommunalwahlen nächstes Jahr in NRW und Bayern legen sowie auf die Landtagswahlen in Hamburg. Also für uns spielt jede politische Ebene eine große und wichtige Rolle.
"Die komplette Bevölkerung in Deutschland vertreten"
Zerback: Jetzt sind die Mitglieder Ihrer Partei ja überwiegend jüngeren und mittleren Alters, gut gebildet, international vernetzt. Deshalb die Frage: Wie wollen Sie auch ältere Wählerinnen und Wähler mitnehmen beziehungsweise auch die Breite der Bevölkerung?
Sternberg: Schon zurzeit engagieren sich sehr viele ältere Menschen auch bei uns. Wir sind täglich im Austausch, auch bei unseren Kandidaten haben wir viele 50-plus-Kandidatinnen und -Kandidaten dabei. In Zukunft ist uns natürlich auch sehr daran gelegen, das zu machen. Es stellt sich natürlich ein bisschen die Frage – wir kriegen diese Frage sehr häufig gestellt –, warum bei uns der Altersdurchschnitt vermeintlich jung ist. Wir reden aber hier über 30, 35 Jahre, wohingegen natürlich unsere Altparteien bei einem Altersdurchschnitt von 60 oder 65 selten befragt werden, warum ihr Altersdurchschnitt nicht ein bisschen jünger ist.
Also ich glaube, unser Anspruch ist es natürlich, die komplette Bevölkerung in Deutschland zu vertreten, und daran sind wir sehr interessiert. Aber wir machen vor allem auch junge Politik und vor allem Politik für eine Generation, die ihr ganzes Leben noch vor sich hat und die vor allem von den Auswirkungen oder welche Entscheidungen wir jetzt auch auf europäischer Ebene treffen werden vor allem konfrontiert sein wird.
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