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Europa
Transeuropäisches Presseportal vor dem Aus

Die Internetplattform Presseurop bietet täglich eine gesamteuropäische Presseschau in elf Sprachen an. Aber die EU-Kommission will dem Portal ab Ende des Monats die Mittel streichen, obwohl selbst das Europäische Parlament für die Weiterführung gestimmt hat.

Von Cornelius Wüllenkemper |
    Die europäische Öffentlichkeit - ein beliebtes Schlagwort für EU-Politiker, die wissen, dass allein mit Sparpaketen, Richtlinien und Freizügigkeit kein Staat zu machen ist. Das 2009 aus EU-Mitteln gegründete Onlineportal Presseurop.eu hat sich als einziges transeuropäisches Medium diesem Ziel verschrieben. 600.000 Nutzer im Monat lesen und kommentieren in elf Sprachen, was man etwa in der bulgarischen Presse über die EU schreibt oder wie eine spanische Tageszeitung die Zukunft der Euro-Zone einschätzt. Bis jetzt. Im Juni wurde eine Ausschreibung für die zukünftige Finanzierung europäischer Medienprojekte lanciert. Darin hieß es, die Kommission wolle nun einen eigenen News-Service einrichten, da die europäischen Medien "nur spärlich und unregelmäßig" über die EU berichteten und zudem eine "breite europäische Perspektive" vermissen ließen. Journalistenverbände liefen Sturm gegen diese Pläne und vermuteten, die Kommission wolle damit eine europäische "Prawda" ins Leben rufen. Die Ausschreibung wurde daraufhin nur wenige Wochen später zurückgezogen.
    "Die Europäische Kommission hat die Einwände einiger Journalistenverbände sehr ernst genommen, was mögliche Folgen der Ausschreibung auf die Pressefreiheit angeht. Außerdem befinden wir uns - wie jeder andere auch - in einem Budgetengpass und müssen uns deshalb auf Projekte konzentrieren, die den europäischen Steuerzahlern einen echten Mehrwert bieten."
    Was eine Sprecherin der EU-Kommission als "Mehrwert für den europäischen Steuerzahler" bezeichnet, bedeutet faktisch das Ende des transeuropäischen Mediendialogs. Denn durch die Aussetzung der Kommissionsausschreibung verliert auch das unabhängig arbeitende Medienportal Presseurop jeden Anspruch auf Unterstützung. Chefredakteur Eric Maurice betont:
    "Die Kritik richtete sich gegen die Ausschreibung der Kommission und keineswegs gegen die Arbeit von Presseurop, was von den Journalistenverbänden auch immer wieder öffentlich betont wurde. Im November hat das Europäische Parlament dabei eine Budgeterhöhung für die Generaldirektion Kommunikation verabschiedet, um unsere Arbeit wenigstens bis Ende 2014 sicherzustellen. Die Kommission weigert sich aber, dieses Budget für Presseurop zu verwenden."
    Durch den Abbruch des Ausschreibungsverfahrens drängt sich nun der Verdacht auf, der Kommission könnte an einer unabhängigen transeuropäischen Debatte über die Union nicht gelegen sein. Unklar ist jedenfalls, wieso die Kommission trotz der Budgeterhöhung von 6,8 Millionen Euro für Medienprojekte im Jahr 2014 mit einem finanziellen Engpass argumentiert. Eric Maurice:
    "Presseurop bildet die Tendenzen der europäischen Presse ab und greift natürlich auch kritische Stimmen auf. Die Frage nach der Unabhängigkeit von Presseurop und den Medien ganz allgemein, aber auch die Frage, wie eng die Kommission mit der Kommunikation über Europa befasst ist, spielen hier natürlich eine große Rolle."
    Auf einer turbulenten Pressekonferenz in Brüssel verwehrte sich auch ein Vorstandsmitglied des internationalen Journalistenverbands "Association de la presse internationale" entschieden gegen die Argumentation der EU-Kommission, Presseurop werde auch aufgrund anhaltender Kritik aus der Medienbranche nicht weiterfinanziert.
    "Ich sehe nicht, wie man Kommissionsgelder besser ausgeben könnte, als für die Bildung einer europäischen Öffentlichkeit. Und ich weiß nicht, was sie mit dem erhöhten Budget machen, das Ihnen zur Verfügung steht. Aber bitte unterlassen Sie es, zu behaupten, die Journalistenverbände hätten sich gegen Presseurop ausgesprochen: Das ist unwahr."
    Selbst der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, hat sich mit einem offenen Brief an die Kommission eingeschaltet. Sechs Monate vor den Europawahlen, so heißt es darin ungewohnt deutlich, sei das Ende des "transnationalen Diskussionsforums, das objektive Informationen und kritische Analysen" biete, eine "überaus schlechte Nachricht". Elf Redakteure und zahlreiche Übersetzer und Korrespondenten verlieren mit dem Ende von Presseurop am 20. Dezember ihre Arbeit. Die Bürger der EU verlieren gleichzeitig die einzige Plattform für einen transnationalen Dialog über die Union – und womöglich auch ein Stück Vertrauen in die Europäische Kommission.