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Europa und die USA
Trumps schwieriges transatlantisches Erbe

US-Präsident Donald Trump hat die transatlantischen Beziehungen mit seiner Politik auf eine harte Probe gestellt. Verständigung über den Atlantik hinweg gab es dennoch, etwa durch eine Vernetzung auf lokaler Ebene. Mit Joe Biden könnte sich das Verhältnis auch auf der großen politischen Bühne verbessern.

Von Benjamin Dierks |
Verschmelzende Flaggen der Europäischen Union und der USA auf erodierendem Asphalt
„Wir haben uns der Herausforderung in diesem Jahr nicht als vereinte transatlantische Gemeinschaft gestellt“, sagt Karen Donfried, Leiterin des German Marshall Fund in Washington (picture alliance | CHROMORANGE / Ralph Peters)
Die Erleichterung über Joe Bidens Sieg bei den Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten war in den meisten Hauptstädten Europas unverkennbar groß. Die Staats- und Regierungschefs waren kaum ihre Glückwünsche losgeworden, da zogen Experten und Diplomaten hoffnungsvolle Strategiepapiere aus der Tasche, um die transatlantischen Beziehungen wiederzubeleben.

Zuversicht und tiefe Skepsis

Doch hinter der Zuversicht verbirgt sich auch tiefe Skepsis. Immerhin gaben in absoluten Zahlen mehr US-Wähler für Donald Trump ihre Stimme ab als vor vier Jahren. Seine Vorbehalte gegenüber den Partnern in Übersee werden andere weiterführen. Für Manuel Lafont Rapnouil, Leiter des Planungsstabs im französischen Außenministerium, bedeutet das: Es gibt keine Zeit zu verlieren.
"Die Vorstellung, dass Diplomatie wieder mehr Platz braucht, dass Verbündete wichtig sind, dass Multilateralismus zählt, dass die EU nicht als Gegner wahrgenommen wird und die Nato nicht als überflüssig, das sind wichtige Veränderungen. Wir müssen diesen Zeitpunkt nutzen, denn die Polarisierung in den USA wird bleiben – und mit ihr die Unsicherheit, wie beständig die US-amerikanische Außenpolitik sein wird. Als Verbündete und Partner müssen wir das berücksichtigen und das Beste aus der Periode machen, die vor uns liegt", sagt Lafont Rapnouil in einer Diskussion der Brookings Institution, einer einflussreichen Denkfabrik in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington.
Transatlantische Beziehungen - "Grundlage für engere Zusammenarbeit ist gegeben"
Der Machtwechsel in den USA biete für die EU riesige Chancen, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas im Dlf. Wichtig sei nun, die gemeinsamen Interessen zu bündeln, um diese in der Welt durchzusetzen.
Eine von vielen Runden, in denen Politikberater, Diplomaten und Volksvertreter beider Seiten des Atlantiks dieser Tage daran tüfteln, wie sich nach der Zerrüttung der vergangenen vier Jahre und im Angesicht der Pandemie wieder konstruktiv zusammenarbeiten lässt.

Experten: Kooperation unabdingbar

Auch Karen Donfried, Leiterin des German Marshall Fund in Washington, hat sich diesem Ziel verschrieben. Gemeinsam mit dem ehemaligen Botschafter und Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, leitet sie eine Expertengruppe, die eine enge Kooperation für unabdingbar hält. Die Erfahrung mit dem Corona-Virus, das die USA stärker getroffen hat als andere entwickelte Industriestaaten, verstärke die Skepsis der Partner, sagt Donfried.
"Die Corona-Pandemie hat den vielen Bedenken der Europäer gegenüber den USA noch ein weiteres hinzugefügt. Denn nun wird auch noch grundsätzlich die Kompetenz der Vereinigten Staaten in Zweifel gezogen: Sind die USA überhaupt in der Lage, mit so einem großen Ereignis wie einer Pandemie umzugehen? Und dadurch, wie beide Seiten auf die Pandemie reagiert haben, steht auch die Stabilität der transatlantischen Beziehungen in Frage", sagt Donfried.
Das Umstellen auf Pandemie-Modus ist zur Normalität geworden. Im Windschatten der Krise spielten sich große und weniger große, aber markante Umbrüche ab. Der "Hintergrund" im Deutschlandfunk schaut in der Serie "Im Schatten von Corona – Nebenwirkungen" auf fünf Politikfelder.

Der vorliegende Hintergrund ist Teil 1 der Serie. Es folgen:

29.12.2020
Globalisierung hinterfragt, Arbeitsteilung neu gedacht

30.12.2020
Wie sich Politik in der Pandemie digital darstellt

31.12.2020
Straßburg, die Pandemie und das leere Parlament

1.1.2021
Brexit im Pandemiemodus

Hilflose Appelle der EU

Im Kampf gegen die Pandemie wurde das Zerwürfnis zwischen den USA und Europa noch offenbarer. Trump hatte die Bedrohung durch COVID-19 lange kleingeredet. Mal sprach er vom "chinesischen Virus", mal von einem "Hoax" der Demokraten, einer Täuschung also. Er befeuerte Verschwörungstheorien und brüstete sich zugleich damit, dass seine Regierung angeblich früh eingegriffen habe. Die Weltgesundheitsorganisation kritisierte er scharf und brach die Beziehungen ab. Europa konterte hilflos mit dem Appell zur internationalen Zusammenarbeit.
"Wir haben uns der Herausforderung in diesem Jahr nicht als vereinte transatlantische Gemeinschaft gestellt. Die Europäer waren sich ja selbst nicht einmal einig, wie sie reagieren sollten. Europäische Länder haben die Grenzen zu Nachbarstaaten geschlossen und den Handel beschränkt. Dieselben Impulse haben wir über den Atlantik hinweg gesehen", sagt Karen Donfried.

Trump kritisiert EU und Deutschland

Trump kritisierte zuletzt den – wie er sagte – "drakonischen Lockdown" in Europa. Als auch hierzulande die Fallzahlen wieder stiegen – allerdings noch weit entfernt von den Relationen in den USA – bemerkte er, Deutschland sei ihm doch stets als gutes Beispiel vorgehalten worden. Constanze Stelzenmüller, Expertin für transatlantische Beziehungen bei der Brookings Institution in Washington, sieht auf beiden Seiten Grund für Kritik – und besseren Austausch:
"Dass wir alle auf beiden Seiten des Atlantiks in der Pandemie und den wirtschaftlichen, sozialen, politischen Krisen, die damit einhergegangen sind, auch so etwas wie einen Moment der Demut durchmachen. Der Einsicht in die Begrenztheit unserer eigenen Möglichkeiten, in die Tatsache, dass manche unserer Phrasen doch ganz schön hohl gewesen sind. Und dass eben unsere eigenen demokratischen Strukturen, unsere eigene Politik bei weitem nicht gefeit ist gegen Populismus, Nationalismus und einfach irrationalen Wahnsinn, von dem sich dann die gewählte Politik irgendwie gängeln und treiben lässt."
Transatlantische Beziehungen nach der US-Wahl - "Das Verhältnis wird mit Sicherheit freundlicher“
Mit der künftigen US-Regierung werde die Zusammenarbeit Amerikas und der EU verbindlicher, sagte Constanze Stelzenmüller im Dlf. Dennoch sieht die Expertin für Außenpolitik auch Streitpunkte.
Im konfliktgeladenen Umgang mit der Pandemie gipfelte ein Verhältnis, das von Beginn an von Streit gezeichnet war – und einem grundsätzlich unterschiedlichen Verständnis von internationaler Zusammenarbeit. Ein paar Höhepunkte der vergangenen Jahre: Die USA beenden 2018 den Atomdeal mit dem Iran und ziehen sich im Jahr darauf aus dem Pariser Klimaabkommen zurück.
Sie kritisieren immer wieder niedrige Verteidigungsausgaben für die Nato, den Umgang mit China und die Gaspipeline Nord Stream 2 aus Russland. Trump schimpft die EU eine Gegnerin und in vielen Fällen "schlimmer als China". Vor allem Handelsfragen habe Trump anders gehandhabt als seine Vorgänger, sagt Stormy-Annika Mildner, die bislang die Außenwirtschaftspolitik des Bundesverbands der Deutschen Industrie leitete. Ab Januar ist Mildner die neue Chefin der einflussreichen Denkfabrik Aspen Institute in Deutschland.
"Die Zahl der Konflikte im transatlantischen Verhältnis ist deutlich gestiegen und alte Konflikte sind auch weiter eskaliert. Und der Grund dafür liegt schon sehr deutlich in der Einstellung der Trump-Administration gegenüber internationalem Handel. Trump hat Handel immer als Nullsummenspiel gesehen: Wenn ihr gewinnt, verlieren wir beziehungsweise anders herum, also nicht als Positivsummenspiel, wo beide gewinnen können", so Mildner.

Drohgebärden mit Strafzöllen

Trump ärgert sich vor allem über den deutschen Handelsüberschuss und bestraft die EU mit hohen Zöllen auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren – gekontert von milliardenschweren Zöllen der EU auf amerikanische Waren. Trump schreckt die deutsche Industrie mit der Drohung auf, die Autozölle auf bis zu 25 Prozent zu verzehnfachen. Zuletzt flammt der jahrelange Streit um die Flugzeughersteller Airbus und Boeing wieder auf. Eine Reihe dieser Konflikte würde auch unter der neuen US-Regierung bleiben, wenn auch rhetorisch weniger scharf, sagt Mildner. Der EU rät sie deshalb, im Sinne eines guten Starts erst einmal dort auf Biden zuzugehen, wo es viel Übereinstimmung gibt.
Mildner: "Man sollte mit den Themen beginnen, die sowohl im Interesse der Biden-Administration als auch im gesamteuropäischen Interesse sind. Am erfolgversprechendsten sind die Ideen, die die innenpolitische Biden-Agenda mit internationalen Kooperationsmöglichkeiten verbinden. An erster Stelle würde ich die Pandemiebekämpfung sehen, aber auch die Diskussion darüber, wie man in Zukunft besser mit Pandemien umgehen kann."
Corona könnte also nicht nur für die Eskalation im transatlantischen Beziehungsstress stehen, sondern auch einen Ausweg bieten, um wieder zueinander zu finden. Bidens designierter Außenminister Antony Blinken hat versprochen, dass er dem, wie er sagte, "künstlichen Handelskrieg" mit Europa ein Ende setzen wolle.

Streitpunkte werden auch unter Biden bleiben

Der Streit ums Handelsdefizit oder die Höhe des Verteidigungshaushalts sind allerdings älter als die Trump-Regierung und werden beide Seiten weiterhin beschäftigen. Wie auch das Verhältnis zu Russland oder China. Joe Biden gab sich im Wahlkampf hart gegenüber Peking. Trump warf er Schwäche vor. Im weiteren Vorgehen wolle er sich mit Partnern in Europa und Asien abstimmen, sagte Biden. Seine Härte wird auf Angela Merkels beharrlich weichen China-Kurs treffen – der aber beim Koalitionspartner wie auch in den eigenen Reihen auf Kritik stößt.
"Da haben auch wir Europäer begriffen, dass wir offene Flanken haben und dass wir gut daran tun, uns im eigenen Interesse, egal, was gerade aus Washington kommt, uns zu fragen, ob es vernünftig ist, einem chinesischen Staatsunternehmen unser 5G-Netzwerk auszuhändigen, oder einem russischen Staatsunternehmen eine wesentliche Rolle zu geben bei der Versorgung Deutschlands und Europas mit Erdgas", sagt Constanze Stelzenmüller von der Brookings Institution.
"Die Europäer haben sehr viel mehr zu verlieren als die USA“
Europa sei mit dem Rückzug der USA aus der Verteidigung der liberalen Weltordnung auf sich gestellt, sagte der Politologe Stephan Bierling im Dlf. Auf diese Übernahme internationaler Verantwortung seien Europa und insbesondere Deutschland nicht gut vorbereitet gewesen.

Was die USA auch verlangen: Mehr Engagement Europas in der Sicherheitspolitik. Aber hier wurde zunächst einmal deutlich, dass die Europäer selbst nicht einig sind, wohin die Reise gehen soll – was ein Geplänkel zwischen der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU, und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron bald nach Bidens Wahlsieg anschaulich machte.
Kramp-Karrenbauer sagte in einem Interview, dass Europa weiterhin den Schutz der USA brauche. Macron sah das als Zurückweisung seiner Forderung nach mehr "strategischer Autonomie" und hielt dagegen. David McAllister, CDU-Politiker und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, versucht es mit einem Mittelweg: mehr europäische Eigenständigkeit soll sein, aber nicht ohne die Nato.
McAllister: "Wir sind handelspolitisch eine globale Macht. Warum? Weil wir hier unsere Interessen gebündelt haben und mit einer Stimme sprechen. Außen- und sicherheitspolitisch sind wir noch lange nicht soweit. Und das muss in den nächsten Jahren besser werden."

Schon Obama orientierte sich um

McAllister meint: Wenn die EU gegenüber den USA, Russland und China erfolgreich sein will, brauchen die Mitgliedsstaaten klare Ziele und Übereinstimmung in der Außenpolitik. Die Sorge von Europas Außenpolitikern rührt auch aus der Erfahrung vor Donald Trump. Schon Vorgänger Barack Obama war vom traditionellen Rollenverständnis gegenüber Europa abgerückt und hatte sich strategisch stärker dem südpazifischen Raum zugewandt.
McAllister: "Es ist nicht mehr eine Selbstverständlichkeit, dass die nächste Generation amerikanischer Politikerinnen und Politiker automatisch nur in Richtung Europa schaut. Da hat sich in der Tat vieles verändert. Möglicherweise wird Joe Biden der letzte Vertreter der alten transatlantischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa sein. Darauf müssen wir uns auch als Europäische Union einstellen."
EU und die USA - Zeit für eine neue transatlantische Agenda
Die transatlantischen Beziehungen stehen nach der Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten vor einem Neuanfang. Die EU-Außenminister beraten deshalb über eine neue transatlantische Agenda. Im Fokus steht unter anderem der Kampf gegen den Klimawandel sowie die Stärkung von Demokratie und Multilateralismus in der Welt.
Mit der Einschätzung steht der Europaabgeordnete nicht allein. Auch jenseits des Atlantiks wird aufmerksam beobachtet, dass die Vorzeichen der Beziehungen sich verändern. Das müsse aber nicht zum Schlechteren sein, sagt Karen Donfried:
"Wir werden nach Joe Biden wahrscheinlich keinen Präsidenten mehr haben, der die Geschichte der transatlantischen Beziehungen mit seiner eigenen Biografie verkörpert. Aber Emotionen und Nostalgie sollten auch nicht der Antrieb für diese Beziehungen sein. Wenn die Vereinigten Staaten ihre Führungsrolle nicht nur wegen ein paar eng gefasster Interessen wahrnehmen, sondern wegen der Werte, auf denen das Land gegründet wurde, dann wollen sie auch mit denen zusammenarbeiten, die diese Werte teilen."

Klimawandel und Populismus als neue Motive der Zusammenarbeit

Dafür aber bringt eine jüngere Generation an Politikern andere Motive mit als die bisherige. Nicht mehr die Friedenssicherung im Nachkriegseuropa und der Fall des Eisernen Vorhangs seien die prägenden politischen Wegmarken, sondern neue internationale Konflikte, Populismus, Klimawandel und die nicht nur positiven Auswirkungen der Globalisierung, sagt Brookings-Expertin Constanze Stelzenmüller:
"Da ist ein starkes Bedürfnis zu sagen, wir müssen aus diesen negativen Spiralen raus. Sonst wird das zerstörerisch für uns alle. Das heißt, wir müssen zu neuen Formen der internationalen Kooperation finden. Und da ist einfach die Frage: Wie nutzen wir bestehende Formate wie die Nato und die EU? Was muss da repariert werden, was muss neu gedacht werden? Und was für neue Formate brauchen wir?"

Viele Beziehungen auf lokaler Ebene

Einige dieser neuen Formate entstehen möglicherweise bereits, ohne dass sie in den höchsten politischen Etagen wahrgenommen werden. Während dort die Kanäle verstummten, ergriffen US-Bundesstaaten, Gemeinden oder soziale Bewegungen die Initiative und knüpften Kontakte zu Partnern in Übersee.
Kalifornien und New York zum Beispiel hielten demonstrativ an den Pariser Klimazielen fest, als Donald Trump sie aufkündigte. Die Proteste gegen Rassismus in vielen US-Städten fanden weltweit Resonanz. Und als Trump versprach, den Kohleausstieg zu stoppen, den "Krieg gegen die Kohle", wie er es nannte, gewann er zwar Bergleute für sich. Viele Betroffene und Aktivisten in den Kohleregionen aber vernetzten sich mit Menschen in ehemaligen Abbaugebieten in Deutschland, um Ideen für den Wandel auszutauschen. Ellen Ueberschär, Vorsitzende der Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahesteht:
"Wir haben über einige Jahre hinweg Partnerschaften und Delegationsreisen organisiert zwischen Cole-Mining-Communities im Herzen der USA, also in diesen komplizierten Staaten, über die wir die ganze Zeit reden, die sogenannten Fly-Over-States, und Kohleregionen hier im Ruhrgebiet, in der Lausitz. Wie geht Transformation, was können wir voneinander lernen?"

Kohleregionen vernetzen sich

Chris Woolery ist einer von denen, die daran beteiligt waren. Der Energieberater lebt im Osten von Kentucky. Hier verlaufen die Appalachen. Ganze Gipfel der Gebirgskette werden gesprengt, um darunter Kohle zu fördern. Woolery arbeitet bei einer kommunalen Entwicklungsbank, die wirtschaftlichen Aufschwung ohne Kohle unterstützen will. Er hilft Haushalten bei der Umstellung auf genossenschaftlich betriebene Solarenergie. Und er ist davon überzeugt, dass die Region eine neue Perspektive braucht.
Woolery: "Die Wahl von vor vier Jahren war niederschmetternd für unsere Branche. Die Bank hatte 80.000 Dollar investiert, um den Clean Power Plan umzusetzen."
Das Bild zeigt einen Förderturm der verbliebenen Kohleindustrie, umringt von Waldbestand in Welch
Kohleabbau in West Virginia (Dimitrios Manis / imago)
Dieses Programm für mehr regenerative Energie stammte von Präsident Obama. Aber Trump stoppte es. Für Woolery brach eine Welt zusammen. Just zu der Zeit lud die Heinrich-Böll-Stiftung ihn nach Deutschland ein.
"Es wirkte surreal, nach Deutschland zu kommen. Mir fielen zuerst die Gegensätze auf. In Deutschland wird nicht mehr darüber debattiert, ob der Kohleausstieg notwendig ist. Es steht fest. In Kentucky halten dagegen noch viele an der Kohleindustrie fest. Und Deutschland legt Geld auf den Tisch und kümmert sich um die Menschen. Ich weiß schon, dass einige auch durchs Netz fallen können. Aber im Großen und Ganzen wird den Menschen geholfen. Bei uns werden die meisten Arbeiter einfach sich selbst überlassen", sagt Woolery.

Austausch lief trotz Trump-Regierung weiter

Obwohl Trump das Gegenteil versprach, gingen auch in seiner Amtszeit viele Kohlemeiler vom Netz. Denn die Energieversorgung regelt jeder Bundesstaat selbstständig. Die Entscheidung werde für viele Verantwortliche dadurch erleichtert, dass regenerative Energiegewinnung mittlerweile günstiger zu haben sei als Kohle, sagt Mary Anne Hitt, Leiterin der Beyond-Coal-Kampagne, die sich die Schließung von Kohlekraftwerken zum Ziel gesetzt hat.
"Durch die Arbeit mit unserer Schwesterkampagne in Europa und durch einen Besuch in Deutschland merkte ich, dass viele Leute im Ausland erleichtert waren, dass wir trotz Trump damit weitermachen konnten", so Hitt.
Für ehemalige Bergarbeiter aber bleibt die Lage schwierig. Der Filmemacher und Universitäts-Dozent Tom Hansell aus North Carolina begleitet seit Jahren einige von ihnen und ihren Austausch mit Schicksalsgenossen in Deutschland und anderen Teilen Europas.
Hansell: "Es geht vor allem darum Ideen auszutauschen, Lösungen müssen dann jeweils vor Ort entwickelt werden. Eine der größten Herausforderungen ist es, Menschen in ehemaligen Kohleregionen mehr politische Macht zu geben, Arbeitern ebenso wie Anwohnern, die sich um Umwelt und Gesundheit sorgen. Bei uns werden ihre Stimmen oft von den großen Unternehmen übertönt, die besseren Zugang zu den Politikern haben."
Ein Lichtblick für Betroffene ist, dass Joe Biden sich dieses Ziel, ihnen Gehör zu verschaffen, auf die Fahne geschrieben hat. Das hat auch bei der Besetzung seines Kabinetts eine Rolle gespielt. Zwei wichtige umweltpolitische Posten in seinem Team gingen an Experten aus afroamerikanisch geprägten Gemeinden, die besonders von Umweltschäden wie belastetem Trinkwasser betroffen sind.

Bidens vielfältiges Kabinett

Auch darüber hinaus versucht Biden mit der Besetzung seines Kabinetts Vielfalt zu beweisen. Die designierte Innenministerin Deb Haaland ist die erste indigene Politikerin in einer US-Regierung. Mit Kamala Harris hatte er bereits die erste Vizepräsidentin der USA nominiert, zudem die erste mit jamaikanisch- und indisch-amerikanischer Herkunft. Eine Entwicklung, die auch in Deutschland aufmerksam verfolgt wird. Aminata Touré ist Grünen-Abgeordnete und Vizepräsidentin im Landtag von Schleswig-Holstein.
Aminata Touré spricht zu den Abgeordneten.
Aminata Touré (dpa / picture alliance / Carsten Reh)
"Viele verstehen bei dem Punkt nicht, dass es auch immer eine Funktion hat von: Diese Teile der Gesellschaft werden auch gesehen, die seit Jahren, Jahrzehnten, Jahrhunderten diese Gesellschaft mitgestalten, aber in hohen politischen Verantwortungspositionen nicht gesehen werden oder nicht eingesetzt werden", sagt Touré.
Auch Touré knüpfte wichtige transatlantische Kontakte, als die offiziellen Beziehungen zur Halbzeit der Trump-Regierung auf einem Tiefpunkt waren. Sie reiste vor zwei Jahren auf Initiative des Congressional Black Caucus nach Washington. Die Vereinigung afroamerikanischer Mitglieder des US-Kongresses hatte schwarze Parlamentarier aus mehreren europäischen Staaten eingeladen. Als in diesem Sommer nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten Menschen in vielen Teilen der Welt gegen Rassismus und Polizeigewalt protestierten, hielt sie engen Kontakt mit Parlamentariern, die sie in Washington kennengelernt hatte.

Abgeordnete tauschen sich aus

Touré: "Viele Menschen weltweit sind so frustriert von diesem Zustand, akzeptieren es nicht, nicht gleichwertig behandelt zu werden, und zwar egal, wo sie leben als schwarze Menschen, und gehen deshalb auf die Straße. Und ich glaube, die zusätzliche Vernetzung dieser politischen Strukturen, dieser zivilgesellschaftlichen Strukturen hat dem Ganzen Auftrieb gegeben."
Und auch für ihre Politik in Schleswig-Holstein zog Touré eine Menge aus dem Besuch in Washington. "Was auch politisch aus dem Besuch entstanden ist, ist zum Beispiel auch, dass ich nach dieser Reise so dermaßen motiviert war, dass ich dachte, wir müssen mehr grassrootsmäßig Politik organisieren", sagt Touré.
Die transatlantischen Beziehungen also wirken, und sie tun das oft im Kleinen – auch wenn sie auf der offiziellen, der großen politischen Bühne gerade einen schlechten Stand haben.