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Europäisch-japanischer Freihandel
"Deutlich höhere Gewinne für Deutschland möglich"

Japan und die EU haben sich grundsätzlich auf das Freihandelsabkommen JEFTA geeinigt. Deutsche Branchen wie Pharma, Computer und Elektronik könnten profitieren, sagte Bertelsmann-Volkswirtin Cora Jungbluth im Dlf. Beim Verbraucherschutz sei aber Transparenz gefragt.

Cora F. Jungbluth im Gespräch mit Klemens Kindermann |
    Demo gegen das Handelsabkommen JEFTA zwischen der EU und Japan. Symbolfiguren mit Stier (Europa) und einem Sumo-Ringer, vor der Vertretung der EU-Kommission.
    Europäischer Stier mit Europa und ein japanischer Sumo-Ringer in Berlin: Protest von Demonstranten gegen das Handelsabkommen JEFTA zwischen der EU und Japan. (imago/Rolf Zöllner)
    Klemens Kindermann: Die EU und Japan haben sich grundsätzlich auf ein Freihandelsabkommen geeinigt. Bei einem Spitzentreffen mit dem japanischen Ministerpräsidenten Abe in Brüssel wurde eine politische Vereinbarung geschlossen über dieses JEFTA-Abkommen. Im Herbst könnte es dann unterschriftsreif sein.
    Wir können dazu jetzt sprechen mit Cora Jungbluth, Wirtschaftsexpertin mit dem Schwerpunkt Asien bei der Bertelsmann-Stiftung. Frau Jungbluth, Sie haben Berechnungen dazu erstellen lassen. Was für Wachstumsgewinne könnte ein solches Abkommen für die EU und für Deutschland bringen?
    Cora F. Jungbluth: Ja das hängt natürlich ganz davon ab, wie ambitioniert das Abkommen im Endeffekt ausfällt. Für uns hat das Ifo-Institut München zwei mögliche Szenarien berechnet. In einem konservativen Szenario - das sähe dann so ähnlich aus wie das bereits existierende Abkommen zwischen der EU und Südkorea. In diesem Fall könnte Deutschland sein durchschnittliches Bruttoinlandsprodukt jährlich um etwa 0,1 Prozent steigern. Das entsprecht etwa 3,4 Milliarden Euro.
    Wenn wir jetzt von einem deutlich ambitionierteren Szenario ausgehen, wo auch sogenannte nichttarifäre Handelshemmnisse weitreichend abgebaut werden, würden die Gewinne deutlich höher ausfallen. Für Deutschland längen die dann bei jährlich 0,7 Prozent und das entspricht etwa 20 Milliarden Euro.
    Mögliche Profiteure: Pharma, Computer- und Elektronikbranche
    Kindermann: Frau Jungbluth, können Sie denn auch sagen, welche Branchen besonders profitieren könnten?
    Jungbluth: Ja. Auf der deutschen Seite hätten wir da für beide Szenarien vor allem die Pharmaindustrie und die Computer- und Elektronikbranche. Die würden besonders profitieren. Das zeigt sich dann in einer deutlichen Steigerung der Wertschöpfung in den jeweiligen Branchen. Und mit Blick auf Japan wären das vor allem Maschinenbau und auch die Elektronikbranche. Man muss aber ergänzend sagen, dass es auf sektoraler Ebene auch Verlierer gibt bei solchen Abkommen. In Japan wäre das unter anderem die Pharmaindustrie und mit Blick auf Deutschland zum Beispiel der Maschinenbau. Der müsste Einbußen in der Wertschöpfung hinnehmen. Hier sind japanische Unternehmen sehr wettbewerbsfähig und würden durch das Abkommen gestärkt werden.
    Kompromiss bei den Sorgenkindern Landwirtschaft und Automobilindustrie
    Kindermann: Es heißt ja jetzt, dass der europäische Zoll auf japanische Autos erst sieben Jahre nach in Kraft treten des Abkommens komplett abgebaut wird. Dafür haben die Japaner 15 Jahre Zeit, ihre Zölle im Bereich Landwirtschaft von 38,5 auf neun Prozent zu senken. Vorbehaltlich jetzt der endgültigen Einigung - wären das denn akzeptable Kompromisse?
    Jungbluth: Diese Sieben-Jahres-Frist, die Sie angesprochen haben, das war ja die Minimalforderung der europäischen Automobilindustrie. Es ist also nicht ganz verwunderlich, dass das jetzt mit aufgenommen wurde. Generell sind solche Übergangsregelungen bei Handelsabkommen ja durchaus üblich. Dann haben die betroffenen Industrien zumindest eine Chance, sich auf die anstehenden Änderungen einzustellen. Und die genannten Industrien, Landwirtschaft und Automobilindustrie, gehörten ja auch zu den schwierigen Themen in den Verhandlungen. Insofern ist das erst mal positiv zu werten, dass es hier anscheinend zu einem Kompromiss gekommen ist.
    Japan muss internationale Bündnisse neu ordnen
    Kindermann: Warum ist denn Japan an diesem Abkommen besonders interessiert? Spielt da auch der Austritt der USA aus dem Transpazifischen Freihandelsabkommen TPP eine Rolle?
    Jungbluth: Ja, das kann man wohl sagen. Der Austritt der USA aus TPP war für Japan natürlich ein Schock. Japan hatte große Hoffnungen auf dieses Abkommen gesetzt, auch als Gegengewicht zu China, das ja kein TPP-Mitglied ist, und jetzt muss Japan natürlich genau wie die EU seine internationalen Bündnisse neu ordnen. Und da liegt es auf der Hand, die japanischen Beziehungen zur EU zu stärken, und man muss natürlich sagen, dass ein Freihandelsabkommen zwischen zwei so wichtigen Wirtschaftsmächten ein wichtiges Signal für freien Handel und offene Märkte ist, und das kann die Welt gegenwärtig sehr gut brauchen.
    Verbraucherrechte: "Für größtmögliche Transparenz sorgen"
    Kindermann: Es gibt ja nun auch Kritik an dem Freihandelsabkommen. Werden aus Ihrer Sicht Verbraucherrechte gewahrt?
    Jungbluth: Das ist zum jetzigen Zeitpunkt natürlich noch recht schwierig zu sagen. Wir haben zwar eine politische Einigung zu dem Abkommen, aber einige strittige Fragen, die auch Verbraucherrechte betreffen könnten, sind ja noch offen. Jetzt ist es wichtig, im weiteren Prozess für größtmögliche Transparenz zu sorgen vonseiten der Verhandelnden und sich natürlich mit den Bedenken, die ja nach wie vor in Teilen der Öffentlichkeit bestehen, ernsthaft auseinanderzusetzen.
    Kindermann: Cora Jungbluth, Wirtschaftsexpertin mit dem Schwerpunkt Asien bei der Bertelsmann-Stiftung, zum gerade geschlossenen Freihandelsabkommen der EU mit Japan. Vielen Dank für das Gespräch.
    Jungbluth: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.