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Europäische Bürgerinitiativen
Mehr Einflussnahme ist möglich

Jede EU-Bürgerin und jeder EU-Bürger kann bei der EU-Kommission eine Initiative registrieren lassen, als Aufforderung, sich damit auseinanderzusetzen. Die Hürden für diese Europäischen Bürgerinitiativen gelten jedoch als hoch. Diskutiert wird, wie sich das Verfahren verbessern lässt.

Von Josephine Schulz |
Menschen spiegeln sich in einem Fenster, das mit einer Europa-Flagge behangen ist.
Eine Millionen Unterschriften in sieben verschiedenen Mitgliedsstaaten müssen die Organisatoren einer „Europäischen Bürgerinitiative“ innerhalb eines Jahres sammeln. (picture alliance / dpa / EPA / Oliver Hoslet)
Wasser ist ein Menschenrecht und darf nicht wie eine Ware gehandelt werden. Alle Menschen müssen Zugang zu sauberem Wasser haben. Diese Forderung unterschrieben vor sieben Jahren mehr als 1,7 Millionen Menschen in der EU. Damit war die right2water-Initiative die erste erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative. Pablo Sanchez gehörte von Anfang an zum Organisations-Team. Heute ist er frustriert. Er sagt:
"Wir haben die Kommission darum gebeten, Wasser als Menschenrecht anzuerkennen, so wie das auch von der UN beschlossen wurde. Und darauf warten wir immer noch."
Die Europäische Bürgerinitiative ist kein Instrument direkter sondern partizipativer Demokratie. Das bedeutet: Die EU-Kommission muss sich zwar mit dem Anliegen der Bürger befassen und darauf antworten, konkrete Gesetzesvorhaben daraus ableiten, das muss sie aber nicht. Pablo Sanchez:
"Das ist das Problem bei der Europäischen Bürgerinitiative und sehr frustrierend für Menschen, die unterschreiben oder solche Kampagnen organisieren. Es ist als würdest du einen Brief an den Weihnachtsmann schreiben, und dann bekommst du irgendwelche kleinen Sachen, aber nicht das, was du dir gewünscht hast. Für mich bedeutet eine erfolgreiche Bürgerinitiative nicht, dass man eine bestimmte Anzahl an Unterschriften zusammenbekommt, sondern dass man politisch wirklich etwas verändert."
Nur wenige schaffen es
Umgesetzt wurde die Forderung der Recht-auf-Wasser-Initiative nicht, trotzdem gehören die Organisatoren zu den ganz wenigen, die es überhaupt so weit geschafft haben. Seit 2012 gibt es das Partizipationsinstrument auf EU-Ebene. Nur insgesamt fünf Anliegen ist es seitdem gelungen, die erforderliche Anzahl der Stimmen zusammenzubekommen. Auch Anna Comacchio hat Schwierigkeiten. Sie gehört zu einer Gruppe von Erasmusstudenten, die per Europäischer Bürgerinitiative durchsetzen wollen, dass EU-Bürger in jedem anderen EU-Land die gleichen Rechte haben, also zum Beispiel dort wählen dürfen. Sie stehen noch ganz am Anfang. Anna Comacchio:
"Wir haben ziemliche Probleme damit, Geld für unsere Kampagne einzuwerben. Gott sei Dank haben wir in unserer Gruppe viele Leute mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten. Unsere Webseite zum Beispiel haben wir selbst programmiert. Aber um dann wirklich in vielen verschiedenen Ländern auf der Straße Unterschriften zu sammeln, brauchen wir Partnerorganisationen in den Ländern. Und die zu finden, ist wirklich schwer."
Ohne große, kampagnenerfahrene Organisationen wie zum Beispiel Campact im Rücken, lassen sich die hohen rechtlichen Anforderungen nicht erfüllen. Zunächst verlangt die EU ein Team von mindestens sieben Menschen aus sieben verschiedenen EU-Ländern. Wenn die EU-Kommission ihr OK für das Thema gibt, haben die Organisatoren ein Jahr Zeit, um eine Million Unterschriften zu sammeln. Die Unterschriften müssen wenigstens aus einem Viertel der insgesamt 27 Mitgliedsländer kommen.
Verbesserungsvorschläge
Verschiedene Verbesserungsvorschläge werden auf dem Tag der Europäischen Bürgerinitiative diskutiert, zum Beispiel: dass die EU erfolgreichen Bürgerinitiativen die finanziellen Aufwendungen erstatten könnte, dass eine erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative tatsächlich auch in ein europaweites Referendum mündet, oder, dass nationale Parlamente verpflichtet werden, über laufende Europäische Bürgerinitiativen Debatten abzuhalten, um die Sichtbarkeit in den Ländern zu erhöhen. Auch das EU-Parlament hat sich lange dafür eingesetzt, die Hürden bei Europäischen Bürgerinitiativen zu senken. Seit Anfang des Jahres gilt jetzt eine neue Verordnung. Da seien viele kleine Fortschritte dabei, meint Carsten Berg, der sich seit 20 Jahren für mehr Beteiligungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene einsetzt:
"Zum Beispiel muss man weniger persönliche Daten anfragen, in Frankreich zum Beispiel muss man keine Pass- oder ID-Nummer mehr anfragen. Klingt sehr unwichtig, ist aber für das technische Organisieren einer Bürgerinitiative sehr wichtig, weil Hunderttausende von Menschen in Frankreich allein sagen: Ich werde erst gar keine Initiative unterstützen, wenn ich so konkrete private Daten angeben muss wie Personalausweisnummern."
Erfolgsindikator: Gesetzesänderungen
In jedem Mitgliedsstaat sollten Beratungsstellen für Organisatoren eingerichtet werden. Und die gesammelten Unterschriften können in Zukunft direkt bei der Kommission eingereicht werden und müssen nicht mehr vorher in allen Mitgliedstaaten einzeln geprüft werden. Ob die Reform aber tatsächlich dazu führt, dass mehr Europäische Bürgerinitiativen erfolgreich sind, da ist Carsten Berg skeptisch:
"Unter dem Strich, denke ich, werden wir dieses Ziel erst erreichen, wenn europäische Bürgerinitiativen auch zu Veränderungen in der Praxis führen. Das muss die Kommission, die Europäische Union erst noch beweisen. Es muss Veränderungen geben, dass die Bürger nicht nur angehört werden, sondern, dass darauf auch Rechtsfolgen entstehen. Das ist für mich der Schlüssel."