Offen, ehrlich und hart sei die Debatte gewesen, sagte ein sichtlich erleichtert wirkender Manfred Weber nach der dreistündigen Sitzung. Und jetzt sei er froh, so der Spitzenkandidat der EVP, dass er die Akte schließen könne.
Wer anschließend Victor Orban zuhörte, der konnte Zweifel bekommen, ob Weber die Akte wirklich schließen kann. Keinesfalls werde er seine Politik ändern, so der ungarische Regierungschef. Und eine Kampagne gegen Jean-Claude Juncker, den Präsidenten der EU-Kommission, die habe es in Ungarn nie gegeben, beteuerte Orban im Pressesaal des Europaparlaments - zur Erheiterung der Journalisten.
13 kleinere Mitgliedsparteien hatten Rauswurf verlangt
Er habe zwar so seine eigene Meinung über Juncker, aber alles, was es in Ungarn gegeben habe, sei eine Informationskampagne über die Zukunftsabsichten der Europäischen Union. Diese Informationskampagne, die mit von der EU-Kommission widerlegten Behauptungen und einer Bildsprache antisemitischer Hetzblätter unterstellte, die EU wolle eine Massenmigration nach Ungarn durchsetzen, diese Informationskampagne hatte das ganze Drama um den Ausschluss von Fidesz in Bewegung gesetzt.
13 kleinere Mitgliedsparteien der EVP hatten den Rauswurf von Orban und seiner Fidesz-Partei verlangt. In einer Art Pendeldiplomatie hatte Manfred Weber versucht, Orban zur Umkehr zu bewegen. Mit sehr überschaubarem Erfolg allerdings. Sodass Weber den Rauswurf Orbans nur abwenden konnte, indem er eine Suspendierung der Fidesz-Partei vorschlug. Auf absehbare Zeit müssen die ungarischen Konservativen auf die mit der EVP-Mitgliedschaft verbundenen Rechte der verzichten.
"Fidesz kann keine Kandidaten für freie Posten bei der EVP vorschlagen, sie kann an Abstimmungen nicht mehr teilnehmen und ihre Vertreter dürfen nicht einmal mehr bei Sitzungen dabei sein."
Dauer der Suspendierung unklar
Auch die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hatte sich in der Sitzung hinter diesen Vorschlag Webers gestellt. In der Lesart des Victor Orban klang das kurz drauf aber ganz anders: Einseitig werde die Fidesz freiwillig auf ihre Rechte aus der Mitgliedschaft verzichten. Damit man nun geschlossen in den Europawahlkampf gegen die Linke in der EU ziehen könne. Und das, was nach der Wahl entschieden werden müsse, das sei der wahre Hintergrund für die Attacken des linken Parteiflügels der EVP auf seine Fidesz-Partei:
"Jeder weiß doch, dass hinter dieser ganzen Diskussion eine offene Frage steht: Nämlich: Welche Koalition strebt die EVP nach der Wahl an. Soll sie sich nach links wenden, zu den Liberalen oder Grünen oder wem auch immer, oder soll sie Partner auf der rechten Seite suchen."
Er jedenfalls sei voller Respekt für Matteo Salvini, den italienischen Innenminister von der nationalistischen Lega-Partei. An den EVP-internen Strategiedebatten wird Orban aber erstmal nicht mehr teilnehmen, stattdessen soll der Fidesz von einem Dreier-Gremium unter die Lupe genommen werden. Hermann van Rompuy, der ehemalige EU-Ratspräsident, Hans-Gerd Pöttering, Ex-Parlamentspräsident, und der frühere österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sollen prüfen, ob Fidesz rechtstaatliche Prinzipien achtet. Und das Untersuchungsergebnis entscheidet dann über das weitere Vorgehen. Ein Parteiausschluss sei also noch nicht vom Tisch, so Weber.
Wie lange die Untersuchung samt Suspendierung dauern soll, das sagte Weber nicht. Auf jeden Fall bis nach der Europawahl. Und vielleicht erledigt sich das Problem dann ganz von selbst, wenn sich Orban nach der Wahl seinem Freund Matteo Salvini im Europaparlament anschließen sollte. Jetzt aber, so Orban, werde er erst einmal Manfred Weber als Spitzenkandidaten unterstützen.