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Europäische Einlagen-Sicherung
"Finger weg von der Vergemeinschaftung!"

Wenn die EU-Kommission heute ihre Pläne für eine gemeinsame Einlagen-Sicherung der europäischen Banken vorstellt, dann darf sie von den deutschen Sparkassen keinen Applaus erwarten. Denn deren Verband lehnt das Vorhaben weiterhin rundum ab. EU-Kommissionspräsident Juncker sei auf dem falschen Trip, sagte Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon im DLF.

Georg Fahrenschon im Gespräch mit Tobias Armbruster |
    Fahrenschon vor einem blau-grauen Hintergrund.
    Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon stellt sich gegen die Pläne der EU für eine gemeinsame Einlagen-Sicherung europäischer Banken. (dpa / picture alliance / Soeren Stache)
    Der Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes sagte, der Leitsatz müsse lauten: "Finger weg von einer Vergemeinschaftung!" Denn diese erhöhe die Ansteckungsgefahr für die europäischen Banken. Fahrenschon argumentierte, wenn die nationalen Banken nicht mehr die Verantwortung für ihre Geschäfte übernehmen müssten, dann steige auch wieder deren Risikobereitschaft - im Wissen, dass die anderen europäischen Banken einen im Notfall schon rauspauken würden. Das sei aber das falsche Anreizsystem.
    Forderung nach stabilen Systemen in den Einzelstaaten
    Der Sparkassen-Verbandschef verlangte, dass die EU-Kommission stattdessen erst ihre Forderung nach stabilen Absicherungssystemen in den Einzelstaaten durchsetzen müsse. Solche Systeme gebe es in 14 der 28 EU-Länder immer noch nicht.
    Auf Meldungen, wonach die Sparkassen und Genossenschaftsbanken aus einer europaweiten Einlagen-Sicherung ausgenommen werden könnten, reagierte Fahrenschon mit Skepsis. Er könne diese Berichte nicht bestätigen und wisse auch gar nicht, wie dies funktionieren sollte.
    Auch die Bundesregierung gegen EU-Pläne
    Die EU-Kommission will heute in Straßburg ihre Pläne vorstellen, wie die Sparguthaben von Europas Bankkunden gemeinschaftlich abgesichert werden können. Dazu sollen die Geldhäuser von 2017 an in einen gemeinsamen Topf einzahlen. Auch die Bundesregierung lehnt das Vorhaben in dieser Form ab.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Wer zahlt, wenn eine Bank Pleite geht? Wer zahlt Tausenden von Sparern dann ihr Geld zurück, wenn die Bank, bei der sie ihr Konto hatten, wenn diese Bank plötzlich kein Geld mehr hat? Diese Frage ist spätestens mit der finanz- und Schuldenkrise in ganz Europa aktuell geworden, als überall in Europa die Banken massiv unter Druck geraten sind. Viele Länder in der EU haben für solche Fälle nationale Regelungen, Einlagensicherungen für ihre Kunden. Auch in Deutschland gibt es das längst. Die EU-Kommission will aber eine europaweite Einlagensicherung einführen. Heute sollen die Pläne vorgestellt werden.
    Mitgehört hat Georg Fahrenschon, der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giro-Verbandes. Schönen guten Morgen!
    Georg Fahrenschon: Grüß Gott! Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    "Kommission setzt völlig falsche Signale"
    Armbrüster: Herr Fahrenschon, eine EU-weite Einlagensicherung, das ist doch eigentlich ein guter Tag für die Sparer in Europa.
    Fahrenschon: Nein, das ist er leider nicht, denn die Kommission ist mit dieser Idee, die nationalen Einlagensicherungen quasi erst gar nicht ausprägen zu lassen, sondern jetzt eine Vergemeinschaftungsinitiative zu starten, auf dem Holzweg. Und wenn man in der falschen Richtung, in die Sackgasse unterwegs ist, dann hilft auch kein Stufenplan, denn die Richtung ist falsch angelegt. Das was der Kommission da vorschwebt, setzt völlig falsche Signale. Wir haben uns eigentlich mal alle in die Hand versprochen, dass wir niemals wieder das Risiko in der Kreditwirtschaft und die Verantwortung für die eingegangenen Risiken trennen. Wir verstehen es als ein Pärchen siamesischer Zwillinge, die man eben nicht trennen darf, weil es dann zum Unfall und zum Tode kommt. Deshalb muss die Kommission verstehen, dass sie diesen Vorschlag nicht machen darf, weil er eine völlig falsche Signalwirkung, eine völlig falsche Anreizwirkung etabliert.
    Armbrüster: Aber die Einlagensicherung, die ist ja eingebettet in ein sehr strenges Regime, und da ist die Kommission ja auch den Deutschen vor allem sehr entgegengekommen. Die Banken werden von der europäischen Bankenaufsicht überwacht und das Geld aus diesem Topf erhält auch nur der, der auch vorher schon was eingezahlt hat.
    Fahrenschon: Aber trotzdem muss man mal festhalten: Höchstmögliche Verantwortung lautet, wir brauchen in jedem einzelnen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, also 28 mal Einlagensicherungssysteme. Das ist momentan noch nicht der Fall. Wir haben in Deutschland ein ausgeprägtes, ein stabiles, ein sicheres System, aber in 14 von 28 anderen europäischen Mitgliedsstaaten gibt es überhaupt noch keine Einlagensicherung.
    Das heißt, die Kommission als Hüterin der Verträge wäre erst einmal aufgefordert, die Umsetzung ihrer eigenen Pläne von vor eineinhalb Jahren auch durchzusetzen. Jetzt quasi doppelt zu moppeln, führt in diesem Fall eben nicht zu einem besseren Schutz, sondern zu einem falschen Anreizsystem. Und im Übrigen: Wenn man eine gemeinsame europaweite Einlagensicherung etabliert, dann ist man dabei, eine Vergemeinschaftung zu etablieren. Das erhöht die Ansteckungsgefahr. Der andere Weg ist richtiger. Wir brauchen in allen 28 Mitgliedsstaaten stabile, funktionsfähige Einlagensicherungssysteme. Dann haben wir höchstmögliche Verantwortung vor Ort. Das wollen wir alle gemeinsam. Und Finger weg von einer Vergemeinschaftung, denn die Mittel, die wir zur Absicherung zum Beispiel in Deutschland auf die Seite gelegt haben, die müssen ausschließlich dafür verwendet werden. Das macht unsere besondere Sicherheit aus. Das ist auch die besondere Zusicherung, das besondere Vertrauen, das die deutschen Sparer in das System etablieren.
    "Zentrale Lehre der Finanzmarktkrise wird nicht beachtet"
    Armbrüster: Herr Fahrenschon, können wir denn, wenn wir über Finanzen und über Geldflüsse, auch Spargeld in Europa reden, können wir dann überhaupt noch von Nationalstaaten sprechen? Das ist doch alles mittlerweile sehr eng verbunden.
    Fahrenschon: Ja genau das ist der zentrale Punkt. In dem Moment, wo ich quasi die Verantwortung für das Geschäft, das ich vor Ort mache, von dem Risiko, das mit dem Geschäft von vor Ort verbunden ist, auflöse, dann kann natürlich der eine schön ein Geschäft schreiben, weil er ganz genau weiß, dass der Nachbar ihn rauspaukt. Und genau das wollten wir nicht. Das war die zentrale Lehre der Finanzmarktkrise, dass wir aufhören, dass die einen irgendwo auf der Welt Risiken aufladen, weil sie genau wissen, dass sie der Steuerzahler oder der Nachbar dann zuhause rauspauken. Deshalb muss Juncker erkennen, dass er mit dieser Initiative sich nicht nur als Hüter der Verträge ins Falsche setzt, dass er strukturell auf dem falschen Trip ist, und dass er drittens sich auch noch mal einfach locker flockig über Beschlusslagen zum Beispiel des Deutschen Bundestages, also der nationalen Parlamente hinwegsetzt. Wir waren eigentlich sehr zufrieden, dass der Deutsche Bundestag in einer intensiven Debatte vor zwei Wochen gesagt hat, Finger weg von der Vergemeinschaftung, und dass jetzt die Kommission das einfach auf die Seite wischt, ist schon beinbesonderes Vorgehen.
    "Große einheitliche Systeme sind anfälliger"
    Armbrüster: Herr Fahrenschon, aber auch die Sparer in Deutschland haben doch überhaupt kein Interesse daran, dass Sparer, sagen wir mal, zum Beispiel in Frankreich oder in Spanien unter Druck geraten und dass es dort einen Bank Run gibt. Also gibt es doch einen Bedarf daran, das ganze Spargeschäft in Europa, die Einlagensicherung europaweit zu koordinieren.
    Fahrenschon: Sie machen, Herr Armbrüster, es mit einer Monokultur nicht besser. Eine Monokultur ist anfälliger. Die Sparer in ganz Europa müssen darauf vertrauen, dass die Gelder, die sie zur Absicherung ihrer eigenen Ersparnisse bei Seite gelegt wurden, dass die ausschließlich dafür verwendet werden. Das ist genau der Status quo heute. Deshalb haben nicht nur die Menschen in Deutschland so ein großes Vertrauen in die Sicherheit ihrer Spareinlagen, weil man genau weiß, vor Ort ist Stabilität, vor Ort funktioniert das System und keiner kann sich einen schlanken Fuß machen. Deshalb sind so Brandschutzmauern, wie wir sie aus den Schiffen, wie wir sie aus den Sicherungseinrichtungen großer Immobilien kennen, zu sagen, wir versuchen, einzelne Einheiten abzugrenzen und stabil zu halten, deutlich besser in der Physik, in der Biologie, als große einheitliche Systeme. Die sind anfälliger. Wenn da der Wurm einmal drin ist, dann gerät viel mehr ins Rutschen, als wenn wir mit kleinen Einheiten arbeiten.
    Armbrüster: Jetzt gab es in den vergangenen Tagen Informationen aus Brüssel, dass Ihre Institute, also die Sparkassen und die Raiffeisenbanken, aus dieser Einlagensicherung ausgenommen werden sollen. Können Sie das bestätigen?
    Fahrenschon: Nein, das kann ich nicht bestätigen. Auch das ist bemerkenswert. Da wird auf einmal in Passau erklärt, man nimmt die deutschen Sparkassen und Volksbanken raus. Da haben wir uns damals schon gewundert, wie er das machen will. Dann wird gesagt, wir machen hier nur eine Rückversicherung. Von diesem Gedanken ist nichts mehr zu hören. Am Ende steht bei diesem Vorschlag der Europäischen Kommission eine Vergemeinschaftung, eine Umverteilung, und das ist genau das falsche, der falsche Antritt, und vor dem Hintergrund sind wir auch gemeinsam, alle Einheiten in Deutschland, die Sparkassen, die Volks- und Raiffeisenbanken und auch die privaten Banken, wirklich entsetzt über dieses Vorgehen. Stattdessen, dass die Kommission jetzt die Umsetzung ihrer eigenen Politik einfordert in allen 28 Mitgliedsstaaten, wird jetzt eine neue Initiative gestartet, und die geht wirklich in die falsche Richtung. Die hat völlig falsche Vorzeichen.
    Armbrüster: Hier bei uns im Deutschlandfunk war das Georg Fahrenschon, der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giro-Verbandes, über die Pläne der EU-Kommission, die heute vorgestellt werden, über eine europaweite Einlagensicherung. Vielen Dank, Herr Fahrenschon, für Ihre Zeit heute Morgen.
    Fahrenschon: Sehr gerne. Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.