Eine Gruppe von Medien, darunter das Magazin Spiegel und ARD Report Mainz hatte im vergangenen Herbst eine Vielzahl von Fällen aufgedeckt. Videoaufnahmen und Zeugenaussagen legten nahe, dass Frontex von illegalen Pushbacks der griechischen Küstenwache wisse, sie nicht verhindere oder aber selbst darin verwickelt sei.
Das Unbehagen im Europaparlament darüber, was bei der europäischen Grenzschutzagentur offenbar schief läuft, ist seitdem stärker denn je. Anhörungen des Frontex-Direktors Fabrice Leggeri und ein interner Bericht der Agentur konnten die Pushback-Vorwürfe nicht glaubhaft entkräften.
Im Gegenteil: Ermittlungen der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF gegen Frontex wegen Belästigung, Fehlverhalten und eben auch aufgrund von Pushbacks scheinen eher noch die Vorbehalte zu verstärken, dass bei der Grenzschutz-Agentur etwas faul ist.
Eine Arbeitsgruppe prüft, was passiert ist
Das Europaparlament formt jetzt eine Arbeitsgruppe, die die Vorfälle untersuchen soll. Mögliche Erkenntnisse zu Grundrechtsverletzungen dürften in eine Resolution fließen. Die Arbeitsgruppe wird von Christ- und Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken unterstützt.
"Die Arbeitsgruppe besteht aus zwei Mitgliedern jeder Fraktion und wird sich wahrscheinlich wöchentlich treffen und hat das Mandat die Funktionsweise von Frontex zu überprüfen, ganz besonders, was die Menschenrechte angeht, die ersten vier Monate wird sie sich die Vorwürfe anschauen und dazu Interviews führen mit Frontex-Mitarbeitern, aber auch mit Journalisten und Nicht-Regierungsorganisationen. Wir hatten uns von Anfang an dafür eigesetzt, dass es einen richtigen spezialisierten Untersuchungsausschuss gibt, dafür gab es aber leider keine parlamentarische Mehrheit", sagt der Europaabgeordnete Damian Boeselager von der Partei Volt.
Die neue Arbeitsgruppe soll dauerhaft dran bleiben, was dem FDP-Europaabgeordneten Jan Christoph Oetjen wichtig ist:
"Wir sind der Überzeugung, dass wir regelmäßig die Arbeit von Frontex begleitenund untersuchen müssen, darauf achten müssen, dass es zu keinen Verstößen gegen Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte kommt. Deswegen ist dieser erweiterte Arbeitsauftrag jetzt in einer Arbeitsgruppe eigentlich mehr als ein Untersuchungsausschuss."
"Es ist eine riesige Verantwortung und es sind viele Aufgaben"
Die Erwartungen an die Arbeitsgruppe sind auch deshalb groß, weil die im Januar veröffentlichte interne Untersuchung bei Frontex keinen durchschlagenden Erfolg gebracht hat. Im Auftrag des Verwaltungsrats von Frontex wurden 13 mutmaßliche Pushback-Fälle unter die Lupe genommen. Fünf Fälle einer möglichen Frontex-Verwicklung sind dem Bericht nach aber nur unzureichend aufgeklärt. Der Verwaltungsrat, in dem Mitgliedsländer und Kommission vertreten sind, fordert nun, dass Direktor Fabrice Leggeri die nötigen Informationen bis Ende Februar nachreicht. Angesprochen auf die Lage bei Frontex zeigte sich Innen-Kommissarin Ylva Johannson vergangene Woche ungeduldig.
"Es ist eine riesige Verantwortung und es sind viele Aufgaben, die jetzt auf den Schultern des Direktors und des Verwaltungsrats lasten. Ich erwarte vom Verwaltungsrat und dem Direktor, dass sie die Themen angehen."
Noch kein Grundrechte-Beobachter bei Frontex eingestellt
Johansson hob dabei auch strukturelle Probleme hervor. Von 40 Grundrechte-Beobachtern, die Frontex seit 2019 einstellen sollte, arbeitet bei der Agentur noch kein Einziger. Auch wenn im EU-Parlament bereits von den Sozialdemokraten die Forderung nach einer Absetzung Leggeris laut wurde – der nötige Antrag im Verwaltungsrat, der von einer Mehrheit getragen werden müsste, ließ bisher auf sich warten. Es scheint, dass die Zeichen noch auf eine Aufklärung mit Leggeri stehen statt ohne ihn.
"Ich finde immer eine Rücktrittsforderung sollte dann kommen, wenn man genau aufgeklärt hat, was tatsächlich passiert ist. Für mich ist auch klar, dass EU-Agenturen über jeden Zweifel erhaben sein müssen, insofern ist es jetzt eine entscheidende Phase auch für Herr Leggeri und seine Zukunft als Frontex-Chef", so der FDP-Abgeordnete Jan Christoph Oetjen.
Parallel zur Initiative des Parlaments arbeitet auch die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly an einem Bericht zum Umgang von Frontex mit Grundrechtsbeschwerden. Die Agentur bleibt also in vielerlei Hinsicht - unter genauer Beobachtung.