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Europäische Hochschulen
Gemeinsame Forschung trotz Brexit?

Der Bologna-Prozess hat vor 20 Jahren die Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen eingeleitet und für mehr Mobilität der Studierenden gesorgt. Der Brexit könnte diesen Erfolg zunichtemachen. Das wollen Teilnehmer einer Konferenz des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Berlin verhindern.

Von Wolf-Sören Treusch |
    Berlin, 25.03.2017 Demonstranten mit Schild Erasmusbaby auf der Demonstration March for Europe, Marsch fuer Europa, von der European Movement beeinflusst von der Bewegung Pulse of Europe, Puls von Europa, unter dem Motto Zeichen setzen fuer die Zukunft Europas in Berlin. Der March for Europe erinnert an den Jahrestag der Roemischen Vertraege, geschlossen vor genau 60 Jahren, spaeter die Grundlage der Europaeischen Union. Ausloeser von Puls von Europa war das Brexit Referendum und die US-Wahl in 2016 und richtet sich gegen Nationalismus, Isolation und Rechte Bewegungen in Europa.
    Studierendenaustausch demnächst nur noch in Kontinentaleuropa oder kann es Erasmus plus mit Universitäten in Großbritannien geben? (imago stock&people)
    Großbritannien raus aus der EU? Bloß nicht, sagt Konrad Wolf, Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur in Rheinland-Pfalz und ein großer Verfechter des Europäischen Hochschulraums. Im Mai vertrat er die deutschen Bundesländer auf der Bologna-Nachfolgekonferenz in Paris.

    "Wir müssen auf jeden Fall versuchen, den europäischen Hochschulraum so gut wie möglich zusammenzuhalten. Das heißt, auch Großbritannien in diesem europäischen Hochschulraum nach wie vor eng zu integrieren, das gilt für den Studierendenaustausch, also Erasmus plus, genauso wie für den europäischen Forschungsraum. Alles andere wäre eine massive Schwächung Europas."
    Droht der wissenschaftliche Austausch zu versiegen?
    Es droht vor allem eine Schwächung des wissenschaftlichen Austauschs, weil man keine gemeinsamen EU-Projekte mehr beantragen kann. Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, gibt sich hier etwas gelassener. Hinter dem Brexit-Deal stünden noch viel zu viele Fragezeichen, um den Prozess jetzt schon abschließend beurteilen zu können.
    "Wir müssen schauen, wie die britischen Universitäten sich insgesamt verhalten werden, dies wird sicherlich abhängen einerseits vom Austrittsabkommen, aber dann auch von der Regelung des zukünftigen Status des Vereinigten Königreiches. Und ich glaube, wenn wir diesen Status kennen, dann werden wir auch wissen, wie einzelne Universitäten sich verhalten werden."
    Die Universität Oxford jedoch hat bereits reagiert. Als erste britische Hochschule schloss sie ein Kooperationsabkommen mit deutschen Hochschulen ab, mit den vier großen Berliner Universitäten HU, FU, TU und Charité. Unter anderem ist geplant, ein Oxford-Berlin-Forschungszentrum in der deutschen Hauptstadt aufzubauen. Eine zukunftsweisende Partnerschaft, für den Rheinland-pfälzischen Wissenschaftsminister Konrad Wolf jedoch nur ein erster Schritt.
    "Es wäre natürlich anzustreben, dass wir insgesamt eine sehr gute Lösung finden. Und nicht nur Lösungen für einzelne Universitäten. Es geht um das große Ziel, tatsächlich den europäischen Hochschulraum und den europäischen Forschungsraum als Ganzes zu erhalten."
    Akademische Freiheit und Autonomie der Hochschulen verteidigen
    Denn, so die Grund-Überzeugung auf der Veranstaltung des DAAD in Berlin: der Bologna-Prozess und damit der Europäische Hochschulraum ist eine Erfolgsgeschichte. Nun gelte es, Grundwerte wie Akademische Freiheit und Autonomie der Hochschulen zu verteidigen und weiter voranzutreiben. Beispiel Türkei, Vollmitglied im Europäischen Hochschulraum: Hier wurden nach dem Putschversuch 2016 Tausende Wissenschaftler als vermeintliche Staatsfeinde aus den Hochschulen entfernt. Gerade in Zeiten, in denen sich rechtspopulistisch oder auch autoritär geführte Staaten immer weiter abschotten, müsse gegengesteuert werden. Deutschland, so Bundesbildungsstaatssekretär Georg Schütte, beteilige sich deshalb am Aufbau Europäischer Hochschulnetzwerke.
    "Deutschland hat sich stark dafür gemacht, dass unmittelbar eine Finanzierung für eine erste Ausschreibungsrunde zur Verfügung gestellt wurde. Dies ist geschehen. Wir können schon jetzt aus Mitteln des Programms Erasmus plus starten. Für eine Ausschreibung, die von der Europäischen Kommission jetzt lanciert wurde im Oktober, gab es einen ersten Informationstermin für alle deutschen Hochschulen. Und die können sich nun daran beteiligen."
    Gemeinsamer Europäischer Weg in global vernetzter Welt
    Und die Studierenden? Die wollen, dass die soziale Dimension, die zuletzt auch auf europäischer Ebene immer wieder hervorgehoben wurde, nicht nur Lippenbekenntnis bleibt. Kevin Kunze vom Zusammenschluss von Student*innenschaften in Deutschland - Vater Schlosser, Mutter Sekretärin - erlebte seinen Studienbeginn als Kulturbruch.

    "Als Arbeiterkind an der Hochschule muss man erstmal eine ganz neue Sprache lernen. Und abhängig vom Fach ist es auch sehr schwierig, da überhaupt reinzukommen. Und es ist auch eine große Herausforderung erstmal, dass man an bestimmte Grenzen stößt oder über bestimmte Themen anders spricht oder nicht sprechen kann."
    Er wünschte sich zum Beispiel viel mehr Beratungsangebote für die Studierenden, vor allem wenn man ins Ausland gehe. Trotz aller Bedenken: Für ihn wie für einen Großteil der heutigen Teilnehmer ist der gemeinsame Europäische Weg jedoch der einzig Richtige in der global vernetzten Welt.