Tobias Armbrüster: In etwas mehr als zwei Wochen sind die Europawahlen. Viele Politiker sagen, es sei so wichtig wie dieses Mal noch nie gewesen, wenn es um ein neues Europaparlament geht. Allerdings zeigen Umfragen auch immer wieder, dass die Bürger Europas erstaunlich wenig wissen über dieses Parlament und vor allem über die Kandidaten, die da zur Wahl stehen. Gestern Abend hatten zumindest zwei von diesen Kandidaten Gelegenheit, sich dem deutschen Publikum zu präsentieren: bei der sogenannten Wahlarena in der ARD. Da standen sich Manfred Weber und Frans Timmermans gegenüber, der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei und sein Gegenüber bei den europäischen Sozialdemokraten. Am Telefon ist jetzt der CDU-Politiker und Europaabgeordnete Axel Voss, Koordinator und rechtspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament. Herr Voss, macht man den Europäern mit solchen Sendungen das Wählen schmackhaft?
Axel Voss: Ich hoffe ja, weil man ein Gespür dafür bekommt, welche Persönlichkeiten sich jetzt hier auch an die Spitze Europas bewerben.
Armbrüster: Aber es geht ja tatsächlich hier nur um Persönlichkeiten, um persönliche Befindlichkeiten. Große politische Unterschiede gibt es eigentlich gar nicht.
Voss: Nein. Ich sage es mal so: In den groben Linien wird man bei Proeuropäern immer eine gemeinsame Linie oder ein Interesse finden. Es geht oftmals dann in den Detailfragen, was natürlich für eine Sendung wie die gestrige nicht unbedingt immer diesen Unterschied dann herausarbeitet.
"Ohne Europa keine Zukunft"
Armbrüster: Ist es nicht ein grundsätzliches Problem in der Europapolitik, diese ständige Harmonie?
Voss: Ja, wir haben natürlich irgendwie alle ein proeuropäisches Interesse als Mehrheiten, und von daher unterscheidet sich das nicht von vornherein. Andererseits ist es natürlich ganz generell auch einmal darzustellen, dass wir überhaupt jetzt an einer Richtungsentscheidung irgendwie stehen: Wohin entwickelt sich Europa? Und ich glaube, da sind natürlich die Parteien der Mitte auf einer Linie und da wird hoffentlich auch die Überzeugung dann klar, dass wir ohne Europa keine Zukunft haben werden.
Armbrüster: Oder kann es vielleicht sein, Herr Voss, dass sich Europapolitiker ganz einfach nicht so richtig trauen, sich gegenseitig auf die Füße zu treten?
Voss: Nein, das kann ich nicht feststellen. Es gibt durchaus sehr harte Auseinandersetzungen auch im Europäischen Parlament, eben in den Detailfragen, und das ist nicht nur die Klima- und Energiepolitik, das war auch im Urheberrecht genauso. Von daher gibt es da schon sehr harte Auseinandersetzungen.
CO2-Steuer oder Emissionshandel
Armbrüster: Das Urheberrecht haben Sie angesprochen. Darüber haben wir mit Ihnen ja auch schon gesprochen. Das war tatsächlich in dieser Legislaturperiode des Europaparlaments wahrscheinlich einer der Höhepunkte bei den Debatten. Ich will mal einen Punkt von gestern Abend herausgreifen, wo es zumindest etwas hitzig hin und her ging. Das war die CO2-Steuer. Das ist auch bei uns gerade in Deutschland eine riesige Diskussion. Manfred Weber, Ihr Spitzenkandidat, der Spitzenkandidat der EVP, der schließt eine solche Steuer aus. Verpasst Ihre Partei, verpasst die EVP gerade eine der wichtigsten Entwicklungen in der Klimapolitik?
Voss: Der Streit geht ja hier darum, wie man eigentlich bessere oder höhere Abgaben in diesem Bereich schaffen kann. Da gibt es auch die Detailunterschiede, ob man das jetzt nur über Steuern noch regeln kann, oder ob man nicht Anreize auch setzen muss, immer besser zu werden und mehr zu investieren. Diese unterschiedlichen Wege werden dort aufgezeigt. Vielleicht können wir das immer nicht ganz so deutlich machen, dass auch andere Wege zum Ziel führen, obwohl es die Praxis eigentlich gezeigt hat.
Armbrüster: Das heißt, erst mal ein bisschen auf die lange Bank schieben, die Klimapolitik?
Voss: Nein, eigentlich gar nicht. Es geht darum, Mehrheiten dazu zu bekommen, und das macht das ganze politische Geschäft natürlich schwierig. Aber wir wollen natürlich in einer Demokratie auch in einem Wettbewerb der Ideen stehen und deshalb gibt es immer die Möglichkeit, machen wir das alles staatlich, oder versuchen wir, auch zu überzeugen, das Verhalten des Einzelnen durch diese Anreize zu verändern.
Armbrüster: Warum schließen Sie denn so eine CO2-Steuer von vornherein aus dem Wettbewerb aus?
Voss: Die ist ja gar nicht so ohne weiteres bei uns ausgeschlossen. Sie sehen in einer großen Partei auch hier die gegensätzlichen Stellungnahmen. Die einen sagen, CO2 ist das richtige Mittel. Die anderen sagen, wir haben doch aber auch so einen Emissions-Zertifikatehandel, der hat doch auch schon viel bewirkt, sollten wir nicht lieber in diese Richtung gehen. Deshalb ganz ausgeschlossen ist das ja nicht.
"Umsetzung muss in den Mitgliedsstaaten erfolgen"
Armbrüster: Das heißt, wie groß sehen Sie denn die Chancen, dass sich in der nächsten Legislaturperiode des Europaparlaments in der Klimapolitik zumindest etwas tut?
Voss: Wir haben ja bereits in dieser Legislaturperiode und auch jetzt ziemlich zum Ende der Legislaturperiode Klimaziele für 2030 schon festgesetzt in der Reduzierung von Emissionen von 40 Prozent gegenüber 1990 und Energie-Effizienzmaßnahmen und noch mal die Erhöhung der regenerativen Energien.
Armbrüster: Nur, Herr Voss, wir sehen ja, dass diese Ziele immer schwieriger zu erreichen sind. Das sehen wir auch gerade bei uns in Deutschland.
Voss: Ja! Nur wir können auf der europäischen Ebene natürlich zurzeit nur die Ziele vorgeben. Die Umsetzung muss dann in den Mitgliedsstaaten entsprechend erfolgen, weil es ja deren Kompetenz ist, darüber zu entscheiden, wie man seine Energie gewinnt.
Armbrüster: Das ist sicher auch wieder ein Problem bei der Akzeptanz von solchen Wahlen, dass es nie ganz klar ist, wie eigentlich die Verantwortlichkeiten geregelt sind, wenn ich jetzt jemanden in das Europaparlament wähle, wie viele Entscheidungsbefugnisse hat der denn überhaupt gerade bei so einer Frage der Klimapolitik.
Voss: Das ist im Grunde nicht anders als das Verhältnis von Bund und Land hier in Deutschland. Es gibt bestimmte Zuständigkeiten und alles, was der europäischen Ebene übertragen wurde, da stimmt das Parlament natürlich mit. Da geht es nicht ohne das Parlament und deshalb ist die Rolle des Parlaments auch sehr wichtig. Nur die Kompetenzen oder das Interesse für diese Kompetenzen ist in der Bevölkerung relativ ausgeprägt, weil man natürlich bei den globalen oder auch europäischen Problemen immer meint, hier müsse doch das Europäische Parlament auch mit tätig werden. Das ist uns rechtsstaatlicherseits manchmal oftmals nicht erlaubt.
Iran - "Eine gefährliche Situation"
Armbrüster: Herr Voss, wir müssen an diesem Mittwochmorgen über ein anderes aktuelles Thema sprechen, das heute natürlich auch die Europäische Union beschäftigen wird. Der Iran hat angekündigt, zumindest teilweise, manche Agenturen schreiben auch komplett aus dem Atomabkommen mit dem Westen auszusteigen. Das Ganze eine Entscheidung aus Teheran, ein Jahr, nachdem die USA, nachdem Donald Trump seinen Ausstieg aus diesem Abkommen angekündigt hat. Können die Europäer jetzt noch irgendetwas tun, um dieses Abkommen am Leben zu halten?
Voss: Nur insofern, dass man noch mal auf die Dringlichkeit dieses Abkommens hinweist und noch mal versucht, mit dem Iran entsprechend zu sprechen, um sie dennoch in diesem Vertrag zu halten. Ansonsten, glaube ich, wird es die Welt nicht einfacher machen, wenn es dieses Abkommen nicht gibt, und die Europäische Union versucht, oder wird hier auch noch mal entsprechend versuchen, das weiter aufrecht zu erhalten. Es ist eine gefährliche Situation und insbesondere natürlich dadurch, dass auch die USA dort sehr einseitig irgendwie entsprechend vorgeht und nicht die Interessen allgemein im globalen Zusammenhang oder der westlichen Welt dort vertritt. Deshalb ist das Ganze recht schwierig geworden, aber wir Europäer hätten großes Interesse daran, dass wir eine geregelte Zusammenarbeit oder auch eine geregelte Situation in dieser Frage haben.
Armbrüster: Muss die Europäische Union jetzt eingestehen, sie ist mit ihrem Versuch gescheitert, dieses Papier am Leben zu halten?
Voss: Es ist immer die Frage, inwieweit man ohnehin noch Einfluss hat auf andere Staaten.
Armbrüster: Verzeihung! War das jetzt ein Ja, was ich gehört habe, Herr Voss?
Voss: Ich meine, wenn das Ganze natürlich nicht aufrecht erhalten bleibt, dann muss man sagen, ja gut, der Versuch hat leider nicht funktioniert. Aber deshalb würde ich nicht sagen, dass die EU dort versagt hat, sondern es sind die anderen Staaten, die hier einfach Grenzziehungen vornehmen, die nicht vernünftig sind.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.