Der Plowdiwer Dichter Dilian Manolov liebt die Morgenstunden. Wenn im Nebel die Häuser im Stil der bulgarischen Renaissance mit ihren vorspringenden Giebeln und wellenförmigen Dächern aussehen wie auf Bildern naiver Bauernmaler. Wenn die Romafrauen das bucklige Pflaster fegen und die Glocken zum Morgengebet rufen, steigt Dilijan Manolov gern er auf die Spitze des Nebet Tepe. Auf diesem Hügel befindet sich Plowdiws berühmtestes Wahrzeichen.
"Wir stehen hier am alten antiken Theater von Plowdiw. Ein Platz, an dem ich mich immer wieder inspirieren lasse. Das letzte Mal, als ich hier war, war das ganz erstaunlich. Ich saß auf Bänken, die älter als 1500 Jahre sind, hörte einen Text von Shakespeare und fühlte ganz massiv ein Echo uralter Zeiten."
Das marmorne Halbrund, Ende des 1. Jahrhunderts erbaut, ist eines der am besten erhaltenen antiken Theater der Welt. Durch griechische Säulen schaut man hinüber zu den blassblauen Bergkämmen der Rhodopen. Seit 1979 ist das Amphitheater Spielstätte der Plowdiwer Oper, die als eine der besten auf dem Balkan gilt. Plowdiw, das ist auch die Stadt der Maler. Mehr als tausend sollen in der Stadt leben und arbeiten. Wer vom Amphitheater aus den Nebet Tepe erkundet, stößt auf unzählige Galerien und Gemäldesammlungen.
Von heruntergekommen zu hip
Am Fuß des Nebet Tepe landet man im Altstadtviertel Kapana. In dem einst heruntergekommenen Quartier wird deutlich sichtbar, welchen Impuls ein Kulturhauptstadtjahr einer Stadt geben kann. Für ein Jahr wurde Künstlern, die sich im Viertel niederlassen wollten, die Miete gezahlt. In nur zwei Jahren hat sich die Kapana so in ein hippes Viertel verwandelt. Mit Cafés und Bars, modernen Galerien und Läden mit guten Geschäftsideen.
"Die Hauptpunkte unseres Kulturhauptstadtprogramms beschäftigen sich damit, Probleme zu lösen, die unsere Stadt hat." So beschreibt Svetlana Kuyumdshieva die Kernidee der einstigen Bewerbung. Die künstlerische Leiterin des Organisationsteams sitzt in der sogenannten Tabakstadt im Herzen Plowdiws. Hier sollte das Herz des Kulturhauptstadtjahres schlagen. Doch dann brannten mehrere der riesigen alten Tabaklagerhallen gleichzeitig ab.
"Der Blick auf die ausgebrannten Lagerhallen ist für mich dramatisch. Mit dem Kulturhauptstadtjahr wollten wir die Aufmerksamkeit auch auf dieses, seit 20 Jahren völlig vergessene Stadtviertel lenken. Denn: Die Tabakindustrie und der Geruch des Tabaks sind eng verbunden mit der DNA eines jeden Plowdiwers."
Die Roma werden einbezogen
Ein Obdachloser soll für das Feuer verantwortlich sein. Doch niemand in Plowdiw glaubt an die Version der Behörden. Entmutigen ließ sich die Stadt nicht. Einmalig in der Geschichte der europäischen Kulturhauptstädte: Neunzig Prozent aller Projekte werden von Plowdiwer Bürgern gemeinsam mit internationalen Partnern realisiert. Schwerpunkt dabei ist die Einbeziehung der Roma. 40.000 von ihnen leben zum Teil in ghettoartigen Verhältnissen im Viertel Stolipinovo, der größten Roma-Siedlung in Europa.
"Wir wollten unbedingt Brücken zu den Roma bauen. Nicht nur im übertragenen Sinne. Eines der Projekte ist der Bau einer neuen Brücke über den Fluss Maritza. Sie wird die Stadt enger mit Stolipinovo verbinden und von den Roma gemeinsam mit dem deutschen Architekten Martin Kaltwasser errichtet werden. Das ist eines unserer spektakulärsten Events."
Plowdiw setzt auf Projekte, die den Stolz seiner Bürger und das Miteinander in der Stadt stärken sollen. Das Kulturhauptstadtjahr will Brücken bauen, die auch nach 2019 noch tragen.