Erst dann wird sich zeigen, wie kompatibel Macrons Europainitiative mit den Vorstellungen einer neuen deutschen Bundesregierung ist. Aber hat Europa überhaupt die Zeit zum Warten? Und wie müsste eine Europäische Union 2.0 aussehen?
Es diskutierten:
- Sven Giegold, MdEP, Bündnis 90/Die Grünen, Sprecher der Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament
- Bernd Lucke, MdEP, Liberal-Konservative Reformer, Vorstandsmitglied der EKR-Fraktion im Europaparlament
- David McAllister, MdEP, CDU, Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im Europäischen Parlament, Mitglied des CDU-Präsidiums
- Michael Theurer, MdEP und MdB, FDP, Mitglied im Bundespräsidium und Bundesvorstand der FDP
Gesprächsleitung: Peter Kapern, Korrespondent im Studio Brüssel, Deutschlandradio
Giegold: "Brauchen kein Eurozonen-Parlament"
Der Grünen-Europa-Abgeordnete Sven Giegold begrüßte Emmanuel Macrons Europa-Rede aus der vergangenen Woche. Europa und auch die Europäische Union lieferten "ständig Großes". Zu lange sei "kleines Karo" gedacht worden, beklagte er. Nun aber habe es endlich einen "großen Wurf" gegeben. Giegold appellierte an die künftige Bundesregierung, sich bald ebenfalls mit Reformplänen zu EU-Europa zu Wort zu melden. Das von Emmanuel Macron geforderte Parlament für die Staaten der Euro-Zone lehnte Giegold ab: "Das Europaparlament ist bereits das Parlament für die EU und für den Euro." Er sei skeptisch, was Macrons Vorschlag angeht, einen gemeinsamen europäischen Verteidigungsetat und eine gemeinsame Interventionstruppe zu schaffen, so der Grünen-Politiker: "Im Bereich der Verteidigungspolitik wird mit zu viel Geld zu wenig Output erzielt."
Lucke: "Vermisse in Macron-Rede Vorschläge zum Asylwesen"
Er habe bei Macrons Rede an der Sorbonne vermisst, welche Lösungen der französische Präsident für die Probleme Europas anbiete, kritisierte Bernd Lucke von der Liberal-Konservativen Reformern. Speziell zum Asylwesen habe Macron keine Vorschläge angeboten. Die Überschuldung vieler Eurozonen-Staaten und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen seien die Haupt-Probleme der EU, ein gemeinsamer Eurozonen-Haushalt löse sie nicht, so Lucke. "Die Macron-Rede war für mich ein Warnsignal, was Verteidigungspolitik angeht. Ich fürchte, dass das einen Keil zwischen EU und NATO treibt. (*)" Lucke sagte, Kooperationen der Staaten untereinander seien sinnvoller als neue Institutionen innerhalb der EU.
McAllister: "Gut, wenn mit Leidenschaft über Europa gesprochen wird"
Der CDU-Europapolitiker David McAllister begrüßte Macrons Europainitiative: "Es ist gut, wenn mit Leidenschaft über Europa gesprochen wird." Seine Partei sei bereit, gemeinsam mit Macron zu überlegen, wie man die Eurozone weiter entwickelt könne, aber: "Wir brauchen keine neuen zusätzlichen Institutionen, sondern wir sollten schauen, wie man bestehende Institutionen besser nutzen kann". McAllister bekräftigte, dass Deutschland und Frankreich gemeinsam "viele lohnende Projekte" vorantreiben könnten, etwa beim Küstenschutz und der Sicherheitspolitik. Er rief dazu auf, dass die NATO und die Europäische Union in der Verteidigungspolitik mehr als bisher Hand in Hand arbeiten.
Theurer: "Insolvenzordnung für Staaten vorstellbar"
Der FDP-Europa-Abgeordnete Michael Theurer, der bei der Bundestagswahl ein Mandat errungen hat und bald das Europaparlament verlässt, erklärte das "Projekt Europa ist aktueller denn je". Seine Partei lehne ein Eurozonenhaushalt, wie ihn Emmanuel Macron in seiner Pariser Europa-Rede gefordert hatte, ab. "Wir wollen auch keine neuen Steuern, das sehen wir anders als Macron". Die Wettbewerbsfähigkeit und eine Angebotspolitik seien aus seiner Sicht wichtige Schwerpunkte Europas. Er könne sich auch eine "Insolvenzordnung für Staaten" vorstellen. Zu Macrons Vorschlägen zur EU-Verteidigungspolitik sagte Theurer: "Europa muss in der internationalen Sicherheitspolitik eine größere Rolle spielen als bisher".
(*) In einer vorigen Version wurde dieser Teilsatz falsch zitiert.