Archiv

Europäische Union
EZB hält Zinsen auf Rekordtief

Die Europäische Zentralbank hat ihren Leitzins auf dem Rekordtief von null Prozent belassen. EZB-Chef Mario Draghi kündigte nach einer Sitzung in Wien auch keine zusätzlichen Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur an. Stattdessen rief er die Nationalregierungen auf, mehr zur Förderung des Wachstums zu unternehmen und sich weniger auf die Zentralbank zu verlassen.

Von Michael Braun | 02.06.2016
    Die Zentrale der Europäischen Zentralbank
    Die Zentrale der Europäischen Zentralbank ist in Frankfurt am Main. (picture-alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Mag der Ölpreis auch deutlich höher als voriges Jahr liegen, die Volkswirte der Europäischen Zentralbank sehen darin nichts wesentlich Neues. Sie haben die für dieses Jahr erwartete Inflationsrate leicht von 0,1 auf 0,2 Prozent angehoben und die für nächstes und übernächstes Jahr bei 1,3 und 1,6 Prozent belassen. Klar, dass EZB-Präsident Mario Draghi auf der Ratssitzung heute in Wien deutlich machte, die Zinsen blieben auf Dauer auf dem aktuellen oder gar noch niedrigeren Niveau.
    Auch kaufe die Zentralbank weiterhin Staatsanleihen wie geplant und mindestens bis Frühjahr nächsten Jahres. Es bleibe auch beim nächsten schon beschlossenen, heute nur konkretisierten Schritt, erklärte Draghi: "Am achten Juni startet wir unser Programm, auch Unternehmensanleihen aufzukaufen."
    Anleihekaufprogramm mit Risiken
    Sie kauft Anleihen zwar nicht von Banken, aber von Unternehmen mit guter Bonität. Bis zu 70 Prozent einer ausgegebenen Anleihe kann sie in ihre Depots stecken. Das heißt: Sie bestimmt damit den Preis dieser Anleihe, sie macht den Markt. Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba, nennt das eine Marktverzerrung, da die Kurse dieser Anleihen steigen und die Renditen gen Null tendieren werden. Mit womöglich unangenehmen Folgen, meint die Analystin: "Der Anleger weiß gar nicht mehr, was wirkliches Risiko ist oder ob die EZB das Risiko überdeckt."
    Unternehmen könnten zu Übernahmen verführt werden, wie gerade der Bayer-Konzern mit seinem 55 Milliarden Euro schweren Angebot für den amerikanischen Agrarchemiegiganten Monsanto. Auch David Kohl, Chefvolkswirt der Bank Julius Bär, argwöhnt: "Der Markt wird kaputt gemacht. Eine vernünftige Preisfestsetzung ist eigentlich nicht mehr möglich. Schon die Staatsanleihen sind zu teuer."
    Draghi warnt vor Brexit
    Draghi ficht das nicht an, weil die Inflationsrate eben weit vom Ziel der EZB entfernt liegt, weit von knapp zwei Prozent. Die EZB habe aber die Aufgabe, für Preisstabilität zu sorgen, also auch Deflation abzuwehren. Dazu müssten die Zinsen eben heute niedrig sein, damit sie morgen wieder höher sein könnten, sagte er.
    Im Ergebnis arbeitet die EZB vornehmlich an der Umsetzung schon beschlossener Maßnahmen, kündigte nichts Neues an, schloss es aber auch nicht aus. Selbst das mit bekannten Formulierungen. Diese abwartende Haltung kam an den Märkten zunächst nicht gut an.
    Bemerkenswert noch: Draghi mahnte, Großbritannien solle in der EU bleiben. Das sei für beide besser. Und die EZB werde war den 500-Euro-Schein abschaffen, aber keineswegs das Bargeld.