"In den mehr als zehn Jahren, in denen ich Mitglied in der Europäischen Kommission war, habe ich eine stärkere Präsenz von Spanien vermisst."
Sagt Joaquín Almunia, Spanier - und bis 2014 EU-Wettbewerbskommissar und: Vizepräsident der Kommission. Er war einer der letzten hohen Tiere in Brüssel. Neben Josep Borrell, bis 2009 Präsident des EU-Parlaments.
Heute stellt Spanien wie üblich einen Kommissar - den für Energie und Klimawandel. Sonst kann man bei den europäischen Top-Jobs lange suchen. Zwar arbeiten in den europäischen Institutionen mehr spanische Beamte als deutsche. Doch einen Kommissionspräsidenten kam noch nie aus Spanien, auch kein Hoher Repräsentant. Da ist Italien viel stärker repräsentiert.
Keine Schlüsselposition seit Joaquín Almunia
Das renommierte spanische Forschungsinstitut Real Elcano erstellt gerade eine Bestandsaufnahme. Die spanische Zeitung "El País" zitierte kürzlich den Leiter der Studie mit den Worten: "Es ist ein echtes Destaster - und so geht das schon seit Jahren". Spanien habe sich nicht gut positioniert, um die Schlüsselpositionen zu besetzen. Und auch Joaquín Almunia sagt: Sein Land ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Dabei sei das Land zutiefst pro-europäisch:
"Es gibt in Spanien schon Kritik an der Politik der EU, speziell während der spanischen Wirtschaftskrise. Aber das europäische Projekt findet allgemein große Unterstützung. Es stimmt, dass wir Spanier uns vor allem um unsere eigenen Angelegenheiten kümmern. Wir sprechen über Katalonien, soziale Probleme, Arbeitslosigkeit oder Korruption - das sind alles sehr wichtige Themen. Aber wir sprechen zu wenig über Europa!"
Keine europäischen Visionen aus Madrid
Spanien bringe sich bei den wichtigen Themen viel zu wenig ein, setze keine Impulse, so Almunia. Und tatsächlich: Während Merkel und Macron an Visionen für Europa basteln, hört man aus Madrid wenig. Das kleine Nachbarland Portugal ist im Ausland viel präsenter - zumindest was Schlüsselposten angeht. Portugal stellte schon den EU-Kommissionspräsidenten - und derzeit den UN-Generalsekretär. Ein Portugiese sitzt derzeit außerdem auf dem Sessel des Vize der Europäischen Zentralbank.
Genau der Sessel, den der Spanier Luis de Guindos gern hätte. Ihn zieht es schon länger Richtung Norden. Für ihn, der die spanische Krise ziemlich gut gemeistert hat, wäre das die Krönung seiner Karriere. Vor Jahren bewarb er sich für den Posten des Vorsitzenden der Euro-Gruppe, fiel aber gegen den Holländer Dijsselbloem durch. Die Zeit wäre jetzt reif für ihn, meint Antonio López Istúriz, Generalsekretär der Europäischen Volkspartei. Er ist ganz zufrieden mit der spanischen Präsenz in Europa, aber:
"Ich finde, wir können nach mehr streben. Nicht nur nach großen Posten, die vielleicht sichtbarer sind. Sondern auch nach Jobs in der mittleren Führungsebene - in der EU-Kommission, im Europäischen Rat. Wir müssen es immer wieder versuchen."
Sollte dieser Versuch scheitern, die EU-Finanzminister De Guindos durchfallen lassen, wäre das nicht nur ein Scheitern für ihn. Es wäre wohl auch für Spaniens Regierung eine schwere Schlappe.