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Europäische Union
Kritik an Dorschfangquoten für die Ostsee

Seit 2009 ist der Dorschbestand in der westlichen Ostsee dramatisch gesunken. Dennoch wurde intensiv weitergefischt. Nun hat die EU die Fangquote für den Fisch reduziert. Sie sei immer noch zu hoch, die Fischereiminister hätten sich bei der Quotenvergabe erneut den Interessen der Fischereiindustrie gebeugt, kritisieren Umweltorganisationen.

Von Johannes Kulms |
    Zwei Dorsche liegen nach dem Anlanden in Heiligenhafen (Schleswig-Holstein) in einer Kiste mit Eis.
    In der östlichen Ostsee muss der Dorschfang nach dem jüngsten Beschluss der EU-Minister um 25 Prozent reduziert werden. (picture alliance / dpa / Markus Scholz)
    Nasskalt und grau ist es an diesem Vormittag im kleinen Fischereihafen von Möltenort – am östlichen Ufer der Förde, ein paar Kilometer nördlich von Kiel. Festgemacht haben Segel- und Sportboote. Und ein paar Fischkutter. "SK 14 Tummler" heißt einer dieser Kutter.
    Der Eigentümer Björn Fischer steht auf der Brücke des 14 Meter langen Schiffes. Die Führerkabine ist es eng, ein halbes Dutzend Bildschirme sind aufgehängt. In die Enge getrieben fühlt sich Fischer auch wenn er an seinen Berufsstand im Jahr 2017 denkt:
    "Das wird `n schwieriges Jahr werden. Die Fischer hier auf der westlichen Ostsee, das sind zu 95 Prozent Fahrzeuge, die eigentlich vom Dorsch abhängig sind. Und wenn wir da jetzt noch mal eine Kürzung reinkriegen, dann geht es wirklich an die Existenz. Also, das erste Mal habe ich eigentlich richtig Angst vor einem Jahr."
    Der 48-Jährige kommt aus einer echten Fischerfamilie und übt den Beruf bereits in siebter Generation aus. Was ihm an diesem Tag Angst macht sind die jüngsten Beschlüsse, die die EU-Fischereiminister am Vorabend in Luxemburg getroffen haben.
    Bestände sollen geschont werden
    Diese sehen vor, die Dorsch-Fangmengen in der westlichen Ostsee im kommenden Jahr um 56 Prozent zu reduzieren, im Vergleich zu 2016. Damit sollen die Bestände geschont werden. Für die deutschen Fischer bedeutet das: Im Jahr 2017 dürfen sie noch zusammen noch 1194 Tonnen Dorsch aus der westlichen Ostsee fangen - von 5.597 Tonnen insgesamt. In der östlichen Ostsee muss der Dorschfang nach dem jüngsten Beschluss der EU-Minister um 25 Prozent reduziert werden.
    Björn Fischer (48 Jahre alt) auf seinem Kutter nahe Kiel. (Deutschlandfunk / Johannes Kulms)
    Der für das Fischerei-Ressort zuständige Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt sprach nach der Entscheidung von einer "schmerzhaften, aber angesichts der Bestandssituation erforderlichen Quotenreduzierung." Um finanzielle Einbußen abzufedern, sollten Ostsee-Fischer weiter Unterstützung bekommen in Form von Abwrackprämien für ihre Schiffe. Für finanzielle Unterstützung hat sich nach der Luxemburger Entscheidung auch der Landesfischereiverband Schleswig-Holstein ausgesprochen.
    Kritik kommt dagegen von Umweltschutzorganisationen – wie etwa Greenpeace. Die Fischereiminister hätten sich bei der Quotenvergabe erneut den Interessen der Fischereiindustrie gebeugt.
    Deutliche Kritik kommt auch von Rainer Froese. Der Meeresbiologe arbeitet am Kieler Helmholtzzentrum Ozeanforschung Geomar.
    Umweltschützer: Interessen der Fischereiindustrie gebeugt
    Seit 2009 habe der Dorschbestand in der westlichen Ostsee eine besorgniserregende Größenordnung erreicht: Der Bestand werde als "außerhalb sicherer biologischer Grenzen" definiert.
    "In anderen Ländern – in den USA oder in Australien zum Beispiel – wäre die Fischerei bei so einem kleinen Bestand längst eingestellt worden und erst wieder aufgemacht worden, wenn der Bestand sich deutlich erholt hat. Das ist bei uns nicht passiert – ganz im Gegenteil, es wurde sehr hart weitergefischt."
    Eine um 56 Prozent reduzierte Dorschfangquote für die westliche Ostsee übersteige die von Wissenschaftlern festgelegte Höchstgrenze um mehr als das doppelte, kritisiert Froese.
    "Und das könnte sehr wohl bedeuten, dass wir den westlichen Dorsch verlieren."
    Nach jüngsten Berechnungen des Rostocker Thünen-Instituts für Ostseefischerei schwimmen derzeit rund 20 Millionen Dorsche in der westlichen Ostsee. Christopher Zimmermann, der Direktor der Rostocker Forschungseinrichtung sieht in den neuen Ostsee-Fangquoten einen tragbaren Kompromiss. Zum Beispiel, weil hier erstmals auch begrenzte Dorschfangmengen für Freizeit-Angler beschlossen wurden.
    Zurück im kleinen Hafen Möltenort. Ob er gerne seinen Beruf gerne ausübe? Björn Fischer denkt nach:
    "Eigentlich war ich gerne Fischer. Und ich hoffe auch noch, dass bis zur Rente zu sein. Aber ob’s klappt, weiß ich leider nicht."
    Für den Dorsch aber könnte es die Rettung sein.