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Europäische Union
Leikert: EU-Haushaltsentwurf setzt richtige Prioritäten

Der EU-Haushaltsentwurf von Günther Oettinger sehe vor, mehr in den Bereichen Grenzkontrolle und Verteidigung zu unternehmen, sagte Katja Leikert (CDU) im Dlf. Vom Projekt Europäische Union werde Stabilität, Frieden und wirtschaftliches Wohlergehen erwartet - und das sollte uns auch etwas wert sein, so die Politikerin.

Katja Leikert im Gespräch mit Peter Sawicki |
    Norbert Roettgen und Katja Leikertsitzen am 15.03.2018 nebeneinander im Plenum des Bundestag
    CDU-Fraktionsvize Dr. Katja Leikert im Bundestag (imago / Uwe Koch)
    Peter Sawicki: Die EU wird kleiner; trotzdem soll Brüssel mehr Geld erhalten und allein Deutschland soll etwa zwölf Milliarden Euro mehr bezahlen als bisher. Die SPD-Minister Olaf Scholz und Heiko Maas sagen dazu, dass man den Entwurf prüfen werde. Und was sagt der Koalitionspartner? Das fragen wir jetzt Katja Leikert von der CDU. Sie ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag und dort unter anderem zuständig für Europapolitik. Schönen guten Abend!
    Katja Leikert: Guten Abend, Herr Sawicki.
    Sawicki: Braucht die EU mehr Geld?
    Leikert: Ganz konkret: Wir haben es ja gesehen in der Asylkrise 2015, dass wir einen anderen Grenzschutz brauchen, dass wir ein anderes Grenzschutzmanagement brauchen. Das wird eine Menge Geld kosten. Wir brauchen mehr Geld für gemeinsame Verteidigung, auch für gemeinsame Forschungsprojekte in Europa. Deutschland geht da ja mit Frankreich voran im Bereich der künstlichen Intelligenz. Das sind alles Themen, die wichtig sind und die auch einfach nicht zum Nulltarif zu haben sind.
    Einsparungen im Agrar-Bereich gerechtfertigt
    Sawicki: Genau das sind ja die Punkte, bei denen unter anderem Fördermittel anders verteilt werden sollen, wofür mehr Geld ausgegeben werden soll. Also stimmen Sie überein mit Günther Oettinger?
    Leikert: Günther Oettinger hat da sicherlich auch die deutschen Interessen fest im Blick. Der Vorschlag der Kommission ist aber trotzdem erst mal auch ein Vorschlag, den wir uns im Detail jetzt erst einmal anschauen werden. Trotzdem ist es richtig, dass viele Aufgaben, die im Raum stehen, auch wirklich von uns ernst genommen werden wollen und wir auch eine neue Schwerpunktsetzung vornehmen müssen. Wenn wir uns beispielsweise anschauen, dass bisher vom EU-Budget fast 39 Prozent für den Bereich Agrar ausgegeben werden, dann ist es auch richtig, dass hier beispielsweise Einsparungen vorgenommen werden.
    Sawicki: Ausreichend?
    Leikert: Die Kommission schlägt hier Einsparungen von fünf Prozent vor. Im Bereich der Kohäsionsmittel - das sind ja diese Strukturfördermittel, die bisher 34 Prozent ausgemacht haben - sollen Einsparungen vorgenommen werden von sieben Prozent. Das ist eine neue Prioritätensetzung. Die ist angesichts der Sicherheitslage, in der sich die Europäische Union befindet, und auch in der Wettbewerbssituation zu China und auch zu den USA sicherlich gerechtfertigt.
    "Gucken, was uns die Europäische Union als Mehrwert liefert"
    Sawicki: Ihr Fraktionskollege Hans Michelbach hat heute Mittag bei uns kritisiert, dass zum Beispiel bestimmte EU-Agenturen überprüft werden sollten, dass in der Verwaltung noch überprüft werden sollte, ob es so viel Geld bedarf. Sehen Sie noch weiteres Einsparungspotenzial innerhalb der EU?
    Leikert: Wir geben insgesamt in Europa von der Bruttowertschöpfung, die in Europa geleistet wird, eine Billion aus in sieben Jahren für die Europäische Union. Das sind runtergerechnet zirka 150 Milliarden pro Jahr. Jetzt gibt es sicherlich in so einer großen Behörde wie in Brüssel und Straßburg bestimmt an der einen oder anderen Stelle auch noch Einsparmöglichkeiten.
    Aber wenn wir uns das große Projekt Europäische Union anschauen und das, was wir uns von dieser Europäischen Union erwarten, was wir ganz besonders als Deutschland davon erwarten, nämlich Stabilität, Frieden und wirtschaftliches Wohlergehen, dann ist es sicherlich auch richtig, dass wir, wenn wir gucken, was uns die Europäische Union als Mehrwert liefert, doch sehen, dass es uns das auch wert sein sollte.
    Sawicki: Was heißt das konkret?
    Leikert: Das heißt konkret, dass wir offen sein sollten für die Diskussion dafür, welche Aufgaben wir von der Europäischen Union zukünftig gelöst haben wollen, und dann dafür auch bereit sein sollten, natürlich auch mit der kritischen Durchsicht der verschiedenen Posten, dessen, was jetzt die Kommission hier vorgeschlagen hat, aber auch trotzdem mit dem Interesse, was wir verbinden mit der Europäischen Union, das alles in Einklang zu bringen und auch erst mal uns ein Stück weit offen zeigen sollten für diese Diskussion.
    "Haushaltsentwurf, nimmt die richtige Prioritätensetzung vor"
    Sawicki: Von Seiten der Niederlande beispielsweise, von Österreich gibt es jetzt schon sehr viel Kritik an dem Haushaltsentwurf. Der eben angesprochene Hans Michelbach hat gesagt, dass diese Vorschläge von Günther Oettinger sachfremd seien. Sie haben den Koalitionsvertrag ja auch schon angesprochen. Da steht ja drin, dass man mehr zur Europäischen Union, zum Haushalt beitragen will. Bleibt Deutschland bei dieser Zusage?
    Leikert: Deutschland wird diese Zusage einhalten. Das ist fest vereinbart auch mit dem Koalitionspartner. Nichts desto trotz ist es auch richtig, in den Blick zu nehmen, wie Herr Michelbach das macht, genau hinzuschauen. Auch die Kommission hat natürlich bestimmte Interessen. Ich denke aber trotzdem, dass der Haushaltsentwurf, der jetzt vorliegt, die richtige Prioritätensetzung vornimmt. Er sagt ganz klar, wir müssen mehr tun in den Bereichen Grenzkontrolle, Verteidigung - alles Themen, die wir sonst auch auf nationaler Ebene fordern, die wir aber nicht mehr national nur alleine leisten können.
    Von daher ist es hier auch wichtig und dabei bleibe ich an dieser Stelle, dass wir uns doch wirklich genau anschauen, was soll Europa mehr leisten und was wird das dann auch mehr kosten, und uns mit diesen Kosten dann auch in einem vernünftigen Rahmen auseinandersetzen.
    Sawicki: Ist es jetzt nicht besonders sinnvoll, dass Deutschland sich jetzt konstruktiv bei den Gesprächen einsetzt, vor allem, wenn man auf die Kritik aus den angesprochenen Ländern schaut, Niederlande, Österreich und so weiter, um dann zu verhindern, dass es wieder so lange dauert wie zuletzt, bis der Haushalt wirklich verabschiedet wird?
    Leikert: Sie haben vollkommen recht. Wir stehen da sicherlich auch in der Pflicht, die Diskussion um den Haushalt nicht zu langwierig werden zu lassen. Trotzdem würde ich mit Blick auf die Diskussion in diesen Ländern auch ein Stück weit anmahnen, dass wir immer schon auch Treiber der europäischen Integration, auch Vertiefung waren und auch nicht aus dem Fokus verlieren sollten, welchen Anspruch wir bisher an Europa hatten und welche Ausrichtung und Haltung auch zur Europäischen Union. Ich persönlich möchte mich da weder von rechtspopulistischen Parteien treiben lassen, noch das Große und Ganze gerne aus dem Blick verlieren wollen.
    "Ich hoffe, dass wir es hinkriegen bis zum Frühjahr 2019"
    Sawicki: Was glauben Sie, wie lange wird das diesmal dauern, bis der EU-Haushalt verabschiedet ist?
    Leikert: Das Ziel ist ja, das bis zum nächsten Jahr stehen zu haben. Ich kann mir vorstellen - und Sie haben ja schon die Linien aufgezeichnet, wo es kompliziert werden könnte -, dass doch die Diskussionen ein bisschen langwieriger werden könnten. Am Geld scheiden sich ja oft auch ein bisschen die Geister. Insofern: Ich hoffe, dass wir es hinkriegen bis zum Frühjahr 2019. Das ist zumindest angepeilt. Ob das so bleiben wird, da bin ich auch skeptisch.
    Sawicki: Was kann die Bundesrepublik da machen? Auch direkten Kontakt zu den kritischen Ländern suchen?
    Leikert: Ja, das machen wir ohnehin. Wir sind ja in der Diskussion auch im Bereich Europäischer Währungsfonds mit den Nordländern, natürlich auch in anderen Fragen mit den Südländern, gerade was das Thema Bankenunion angeht beispielsweise. Wir sind ja auf vielfältigen Kanälen unterwegs. Vor allem müssen wir auch mit Frankreich zusammen weiter vorangehen und hier Lösungen finden. Ich glaube, das ist ganz zentral. Das ist ja auch die Erwartung, die an uns gestellt wird, mit Blick auf den europäischen Gipfel im Juni, dass auch hier Lösungen zeitnah jetzt konkretisiert werden.
    Sawicki: Die Unions-Politikerin Katja Leikert heute Abend bei uns im Deutschlandfunk. Das Interview haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.