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Europäische Union
Polen droht weiterer "blauer Brief"

Mit der Reform der nationalkonservativen polnischen Regierung wurde die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Gerichte eingeschränkt. Das Europaparlament wird über diese Situation des europäischen Landes diskutieren und will morgen über eine zweite Resolution abstimmen.

Von Karin Bensch |
    Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo hält im Europaparlament in Straßburg eine Rede zur Lage in Polen.
    Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo im Europaparlament (picture alliance / dpa / Patrick Seeger)
    "Wir wollen, dass in einem sehr wichtigen europäischen Mitgliedsland, die gemeinsam definierten europäischen Werte tatsächlich auch eingehalten werden," sagt die SPD-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann. Mit dem wichtigen europäischen Land meint sie Polen. Und mit den gemeinsamen europäischen Werten, die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Gerichte. Beides ist in Polen derzeit eingeschränkt.
    Hintergrund ist eine Reform, die die rechtskonservative PiS-Partei Ende 2015 beschlossen hatte. Dadurch sollen Richter ihre Entscheidungen künftig nur noch mit Zweidrittelmehrheit treffen können statt wie bisher mit einfacher Mehrheit. Auch Ernennungen von Richtern waren rückgängig gemacht worden. Die EU-Kommission hatte bereits Anfang des Jahres eine Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen gestartet. Das Europaparlament wird am Nachmittag über die kritische Lage in dem Land diskutieren, und will morgen über eine zweite Resolution abstimmen, also über einen weiteren "blauen Brief" an die polnische Regierung, sagt die SPD-Europaabgeordnete Kaufmann.
    "Ich finde, dass es eine wichtige Entscheidung für das Europäische Parlament als Institution ist, zu sagen, diesen Schritt der Kommission gegenüber der polnischen Regierung unterstützen wir. Und ich rechne auch mit einer breiten Mehrheit."
    Es geht hier um die Grundrechte, insofern ist es wichtig, ganz klar gegen solche Verstöße vorzugehen, meint die Grünen-Europaabgeordnete Terry Reintke. Sonst bestehe die Gefahr, "dass dann immer weiter Grundrechte ausgehöhlt werden."
    Es gehe vor allem aber um die Menschen in Polen. Die meisten wollen gar nicht, dass ihre Regierung gegen europäische Grundwerte verstößt, meint der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul.
    "Ich finde es wichtig, dass europäische Politik den polnischen Menschen und der polnischen Regierung das Signal gibt, dass wir nicht zulassen können und wollen, wenn der Rechtsstaat nicht ordentlich funktioniert. Und wenn, uns das gelingt, ist es ein wichtiges, politisches Signal. Die Stimmung in Polen ist dafür, glaube ich, günstig."
    Streit mit EU-Kommission und dem Europaparlament verhärtet
    Derzeit ist der Streit verhärtet - zwischen der polnischen Regierung auf der einen Seite und der EU-Kommission und dem Europaparlament auf der anderen Seite. Ein wenig Bewegung könnte der Wechsel an der Spitze des polnischen Verfassungsgerichts bringen, wenn Ende des Jahres der jetzige Präsident in den Ruhestand geht und ein neuer kommt, hofft die SPD-Europaabgeordnete Kaufmann.
    "Wir werden noch eine ganze Reihe von sehr heftigen Diskussionen auch in Polen selbst erleben zu dem Thema."
    Bis Ende Oktober hat die polnische Regierung Zeit, um die Empfehlungen der EU-Kommission umzusetzen. Tut sie das nicht, könnte die Kommission entweder mehr Zeit geben oder eine politische Bombe zünden – und den Polen das Stimmrecht entziehen. Dann hätte die polnische Regierungschefin Beata Szydło zum Beispiel bei EU-Gipfeln nichts mehr zu sagen. So etwas hat es in der EU bislang noch nie gegeben. Und so etwas wird es voraussichtlich auch mit Polen nicht geben. Denn um das durchzusetzen müssten alle anderen 27 EU-Länder zustimmen, und der ungarische Präsident Orban hat bereits angekündigt, er werde sich auf die Seite Polens stellen. Der Druck von außen ist wichtig, aber noch wichtiger ist der Druck von innen – in Polen selbst.