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Europäische Union
Wo bleibt die gemeinsame Flüchtlingspolitik?

Eine einheitliche Asylpolitik in Europa und die faire Verteilung der Flüchtlinge: Das wird dieser Tage vielstimmig gefordert. Dabei gibt es bereits seit 15 Jahren in der EU verbindliche Regeln für Asylverfahren, mehrfach schon wurden sie nachgebessert. Warum also funktioniert das System nicht?

Von Annette Riedel, Studio Brüssel |
    Mazedonische Polizisten und wartende Migranten an der Grenze zu Griechenland
    Mazedonische Polizisten und wartende Migranten am Dienstagnachmittag nahe der griechischen Grenze (AFP / ROBERT ATANASOVSKI)
    Es wird jetzt vielstimmig gefordert – aber eigentlich gibt es ein gemeinsames europäisches Asylsystem. 1999 aus der Taufe gehoben, wurde es 2013 grundlegend reformiert – zur Zufriedenheit der seinerzeit zuständigen EU-Kommissarin Malmström:
    "Erst vor 15 Jahren haben wir in der EU begonnen gemeinsame Regeln für Asylverfahren zu entwickeln. Inzwischen gibt es grundlegende Minimalstandards. Heute gehen wir einen entscheidenden, historischen Schritt zu einem wirklich gemeinsamen Asylsystem."
    Mit der 2013 eingeläuteten zweiten Phase der Vergemeinschaftung der EU-Asylpolitik wurden die Asylantragsverfahren harmonisiert, genauso wie die Bedingungen bei der Aufnahme, sowie für die Anerkennung und den Ablauf der Verfahren. Zu viele Ausnahmen, weiterhin zu viel nationale Ermessensspielräume bei der Anwendung der Regeln kritisierte die grüne Europa-Abgeordnete, Ska Keller, schon damals.
    "Diese Asylreform könnte Schluss machen mit dem Lotterieverfahren Asyl; sie könnte Schluss machen mit den unwürdigen Lebensbedingungen von Flüchtlingen, den ewig langen Verfahrensdauern, aber leider bleibt es beim Konjunktiv." Mit dem 'Konjunktiv' sollte sie Recht behalten. Denn vieles existiert heute nur da, wo es 2013 stand: auf dem Papier: "Ein Asylsystem auf dem Papier hilft niemandem", so Keller.
    Problem Dublin-2
    Ein Problem, das noch 2015 existiert. Das betrifft eben auch den Teil, der ebenfalls zum 2013 verabschiedeten EU-Asylsystem gehört: die Dublin-2-Verordnung. In ihr geregelt: Dass und wie die EU-Länder, in denen ein Asylbewerber erstmals EU-Territorium betritt – also in der Regel solche mit EU-Außengrenzen – zu verfahren haben. Das heißt: registrieren, Fingerabdrücke nehmen, Asylantrag entgegennehmen und bearbeiten. Funktionierte das schon vorher nicht immer überall reibungslos, ist es etwa in Griechenland durch den unerwartet hohen Zustrom von Menschen mehr oder weniger außer Kraft gesetzt. Unversorgt und unregistriert ziehen Tausende Ankömmlinge weiter. Die Umsetzung oder Nicht-Umsetzung geltender Regeln, ist denn auch ein Hauptproblem mit dem europäischen Asylsystem, wie EU-Kommissions-Vizepräsident Timmermans erst kürzlich wieder beklagte: "Wir müssen verstärkt Druck ausüben, dass die Regeln tatsächlich überall angewendet werden."
    Zurzeit laufen 32 Verfahren, die die EU-Kommission wegen möglicher Verstöße gegen die Richtlinien der gemeinsamen Asylpolitik angestrengt hat. Aber nicht nur die Umsetzung existierender Regeln hat die EU-Kommission im Visier. Sie will auch deren Anpassung und Ergänzung und eine weitere Europäisierung der Asylpolitik – etwa die Verstetigung eines sog. Notfall-Mechanismus. Mit dessen Hilfe sollen Flüchtlinge denjenigen Mitgliedsländern, die mit der Erstaufnahme von ungewöhnlich vielen Asylbewerbern überfordert sind, abgenommen und auf alle übrigen verteilt werden, nach einem bestimmten Kriterienkatalog.
    Alte Forderung nach "sicheren Herkunftsstaaten"
    "Bis zum Jahresende werden wir einen Vorschlag für ein permanentes Notfall-System machen, das automatisch in solchen Krisenfällen aktiviert werden würde", wiederholte Natasha Bertaud, eine Sprecherin von Kommissionspräsident Juncker, gestern entsprechende Pläne. Dass die nicht leicht umzusetzen sein werden, ist leicht vorstellbar. Schon jetzt gab es erhebliche Widerstände vor allem aus Großbritannien und diversen osteuropäischen Ländern, als in einer Ausnahme-Notfall-Aktion Italien und Griechenland ein Jahr lang 40.000 Asylbewerber abgenommen und auf die anderen EU-Länder verteilt werden sollten. Das nach einer verbindlichen Quote zu machen, war nicht durchsetzbar. Aber auch bei der Umverteilung auf freiwilliger Basis hakt es noch immer. Und das, obwohl jene 40.000, um die es zunächst geht, angesichts aktueller Zahlen fast lächerlich erscheinen können.
    "Die von der Kommission vorgeschlagenen 40.000 können nur ein erster Schritt sein. Es ist eine relativ kleine Zahl im Verhältnis zur Zahl der Flüchtlinge, die in Griechenland und Italien ankommen", so Bertraud.
    Da die Zahl der Asylbewerber auch in Ungarn wächst, wäre Ungarn ein weiteres Land, bei dem ein neuer permanenter Not-Fall-Mechanismus bei der Verteilung von Flüchtlingen greifen würde.
    Eine alte Forderung, die teilweise seit Jahren im Raum steht, ist, wegen der vielen Balkan-Flüchtlinge aus Ländern, die den EU-Kandidaten sind, jetzt wieder auf dem Tisch: nämlich, sich auf eine EU-weit einheitliche Liste von Staaten zu einigen, die als sichere Herkunftsländer gelten. Asylverfahren für all jene Menschen, die aus solchen als sicher geltenden Ländern kommen, würden beschleunigt, wie ein EU-Kommissionsprecher erläuterte.
    "Jeder Asylbewerber hat das Recht auf eine regelgemäße Einzelfallprüfung. Aber die Verfahren würden beschleunigt und damit auch die Rückführung."