Sie kauft. Die Umsätze am Anleihemarkt steigen, heute, in den vergangenen Tagen und Wochen auch schon. Die Europäische Zentralbank ist am Markt, ordert neben Staatsanleihen und Pfandbriefen seit heute auch Unternehmensanleihen. Sie soll bei Papieren französischer Energieversorger, bei der italienischen Generali und der spanischen Telefonica zuerst zugeschlagen haben, heißt es. Sie gehören zu den ausgewählten Anleihen, die die EZB kaufen darf: Von guter Bonität müssen sie sein, nicht nachrangig und auf Euro lauten. Außerdem dürfen es keine Bankanleihen sein. Das Ziel hatte EZB-Präsident Mario Draghi Anfang März genannt:
"Das wird weiter auf die Finanzierungsbedingungen der Realwirtschaft durchschlagen und diese weiter verbessern."
Mehr Geld aufnehmen, mehr investieren, mehr Arbeitsplätze und Nachfrage schaffen und letztlich mehr Inflation - so hat sich die EZB das gedacht.
Mehr Anleihen als im Vorjahr
Die Unternehmen und Märkte haben sich darauf eingestellt: Seit die EZB ihre Kaufpläne angekündigt hat, ist der Markt für Unternehmensanleihen angeschwollen. Bis Ende Mai sind neue Unternehmensanleihen im Wert von 145 Milliarden Euro auf den Markt gekommen. Das war mehr als im Vorjahr, und die Papiere kamen vor allem von Großunternehmen. Sie fanden schnell Käufer, zu schon hohen Kursen und also niedrigen Renditen. Leef H. Dierks, Professor für Finanzierung und Internationale Kapitalmärkte an der Fachhochschule Lübeck:
"Seit haben sich die Rendite durchschnittlich halbiert. Das heißt, wenn ich es anders betrachte, die Alternativen, die ich vorher noch zu einem Investment in Staatsanleihen hatte, die werden spürbar weniger, ganz einfach, weil ja eine weitere Assetklasse unter diesen ausgesprochen niedrigen Renditen leidet."
Sollen sich Privatanleger dem anschließen, also dem vom Devisenmarkt her bekannten Motto folgen, sich nie gegen eine Zentralbank zu stellen, sondern kaufen, was die Zentralbank kauft?
"Ich glaube, dieser Zeitpunkt ist zum einen bereits verpasst. Zum anderen wird die EZB diese Anleihen kaufen und bis Fälligkeit halten. Mit anderen Worten: Neben der Halbierung der Rendite erlebe ich, dass dieser Markt zunehmend austrocknen wird. Sprich: Die Liquidität geht zurück."
Gute Kurse beim Verkauf werden damit unwahrscheinlicher.
Anleihen könnten Aktien verdrängen
Auch Unternehmensanleihen weisen schon eine negative Rendite auf. Wer sie kauft, schenkt dem Unternehmen also Geld. Das habe Folgen, sagt David Folkerts-Landau, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Er fürchtet etwa, Anleihen könnten wegen der EZB-Käufe Aktien verdrängen:
"Die Folgen sind: Die Unternehmen können sich Geld nun billiger leihen, weil es diesen großen Käufer gibt. Und dann könnten die Unternehmen das Geld nutzen, um Aktien zurückzukaufen. Das Programm verzerrt also die Kapitalstruktur der Unternehmen in erheblichem Maße."
Das haftende Eigenkapital der Unternehmen könne also sinken. Anleger würden zudem in höhere Risiken gedrängt, wenn sie denn wenigstens noch etwas Rendite sehen wollten. Dass die EZB nicht mehr Stabilität, sondern eher weniger erzeuge, wird am Finanzplatz breit diskutiert.