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Europäischer Blick auf Burmas Friedensnobelpreisträgerin

Die burmesische Oppositionspolitikerin und Friedensaktivistin Aung San Suu Kyi gilt Ikone der Reformbewegung in Burma. Der schwedische Journalist Jesper Bengtsson hat eine Biografie über sie verfasst - aber ohne kritische Auseinandersetzung mit ihrer Person.

Von Udo Schmidt | 18.02.2013
    Jesper Bengtsson ist stolz auf Aung San Suu Kyi. Der schwedische Journalist mit großer Kenntnis der Vorgänge in Burma bewundert die Friedensnobelpreisträgerin. Das ist gut, denn es macht sein leidenschaftliches und mit viel Detailwissen gespicktes Buch spannend und leicht lesbar. Es ist schlecht, denn mit dem Stolz und der Bewunderung ist es ein wenig wie mit der Liebe. Sie machen blind. Und so sieht der Autor, der viel über die zur Freiheitsikone gewordene burmesische Oppositionsführerin recherchiert, sie aber nur einmal persönlich getroffen hat, über manche Kritik hinweg oder bezeichnet kritische Anmerkungen anderer Zeitgenossen ganz schlicht als 'bizarr'.

    "Das Osloer Rathaus war bis auf den letzten Platz besetzt, als Aung San Suu Kyi am 16. Juni 2012 ihre Nobelpreisrede hielt. Norwegische und internationale Medien beschrieben diesen Tag als das größte Ereignis in der Geschichte des Nobelpreises."

    Mit diesen Worten beginnt Jasper Bengtsson die Biografie von Aung San Suu Kyi und so ist gleich von Anfang an klar, dass wir hier mit dem europäischen Blick auf diese Frau schauen, die Jahrzehnte den burmesischen Diktatoren die Stirn bot und nie aufgab:

    Aung San Suu Kyi: "Der Friedensnobelpreis hat mich zurück gebracht in die Welt der anderen Menschen. Damals, im Hausarrest, mit den Tagen und Monaten, ist mir klar geworden, wie bedeutend dieser Preis ist. Für mich, aber vor allem für mein Land, weil unser Kampf für Demokratie nicht vergessen wurde."

    Aung San Suu Kyi am 16. Juni vergangenen Jahres in Oslo – ein wahrlich bewegender Moment, symbolisch für die Rolle dieser Freiheitskämpferin der Welt. Jasper Bengtsson ist Schwede. Und als Europäer schaut er natürlich mit diesem internationalen Blick auf Burma, das inzwischen Myanmar heißt und von vielen auch sogenannt wird – von Jasper Bengtsson allerdings nicht. Ihm ist dieser Begriff zu nah an der Militärdiktatur, waren es doch die Diktatoren, die Burma umbenannt haben.

    Es ist der europäische Blick, der gleich zu Beginn des Buches zu einer ganz typischen Fehleinschätzung führt. Bengtsson schreibt von der Nachwahl im April 2012, bei der Aung San Suu Kyi einen Parlamentssitz erringt, wie 40 weitere Mitglieder ihrer nationalen Liga für Demokratie.

    "Allein hierdurch war in den Beziehungen zwischen ihr und den Machthabern in Burma eine dramatische Veränderung eingetreten, denn in den vergangenen 23 Jahren hatten diese mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, Aung San Suu Kyi von offiziellen politischen Aufgaben fernzuhalten."

    Die Bedeutung dieser Nachwahl ist aus innerburmesischer Sicht eine andere. Eineinhalb Jahre zuvor hatte die Regierung die Lady – wie sie im Land auch heißt - aus dem Hausarrest entlassen. Dann nach der Entlassung räumten die Machthaber Aung San Suu Kyi, anders als in den zwei Dekaden zuvor, nach und nach mehr Freiheiten ein: Erst konnte sie sich in Burma frei bewegen, dann erhielt sie politischen Gestaltungsspielraum und konnte schließlich auch im Ausland glänzen. Ja, die Friedensnobelpreisträgerin hatte sich dies auch erstritten, erkämpft, die Leistung soll nicht geschmälert werden, aber Burmas Präsident Thein Sein, der die Reformen im Land anschob, wusste, dass er Aung San Suu Kyi an seiner Seite gut brauchen konnte. Und eine Friedensnobelpreisträgerin mit Sitz im Parlament der Geisterhauptstadt Naypidaw verleiht dieser neuen demokratischen Legitimation. Es war also mit der Nachwahl eine dramatische Veränderung eingetreten. Über Burmas Regierung, halbwegs demokratisch legitimiert, aber zusammengesetzt aus Angehörigen des alten Regimes, war diese Veränderung jedoch nicht hereingebrochen, sondern von ihr vielmehr gefördert worden. Es gab Gerüchte, Thein Sein wolle Aug San Suu Kyi ins Kabinett aufnehmen. So war die Stimmung in diesem Frühjahr 2012. Im Herbst des Jahres sprach Thein vor der UN-Vollversammlung in New York – und lobte Aung San Suu Kyi überschwänglich. Er wusste, warum:

    "Aung San Suu Kyi hat bisher eine entscheidende Rolle im Reformprozess gespielt. Sie ist Parlamentsmitglied und arbeitet an vielen Reformvorhaben. Sie ist eine gute Kollegin und ich bin sicher, dass sie weiter mit uns zusammen arbeiten wird, um unsere Ziele für das Land zu erreichen."

    Unsere Ziele, sagt Thein Sein da. Eine Äußerung, die man nicht mögen muss, die aber zum Reformprozess Burmas gehört. Es ist dieser Teil des Prozesses, den Jasper Bengtsson unterschlägt. Aber Bengtssons Buch ist auch voller detailgenauer Beschreibungen und aufmerksamer Beobachtungen. Etwa während seines Besuchs im Hauptquartier der Nationalen Liga für Demokratie, der Partei Aung San Suu Kyis:

    Das Hauptquartier der NLD ist so bescheiden und zurückgezogen, dass man es kaum bemerkt, bis man an der Eingangstür steht. Das Büro liegt im ersten Stock über einem Möbelgeschäft und besteht aus einem Konferenzraum, Aung San Suu Kyis Arbeitszimmer und einem kleinen Bereich dazwischen.

    Bengtsson befasst sich über viele spannende Seiten mit General Aung San, dem Vater Aung San Suu Kyis und Unabhängigkeitshelden Burmas. Sie sei geradezu besessen von ihm, kritisieren manche, die sie gut kennen - Daw Suu, die verehrte Frau Suu. Jasper Bengtsson weist solche Kritik scharf zurück, räumt dann aber ein, dass Aung San Suu Kyi wohl manchmal die unkritische und bewundernde Einstellung einer Tochter zu ihrem Vater hat. Die Oppositionsführerin hat das durchaus selber in einem frühen Interview angesprochen:

    "Als ich jung war, konnte ich mein Land nie von meinem Vater trennen. Ich war ja sehr klein, als er starb. Ich habe von ihm immer nur im Zusammenhang mit Burma gehört. Sogar jetzt habe ich eine Vorstellung von meinem Vater immer zusammen mit einem Blick auf die Zukunft meines Landes."

    Die Entwicklung in Burma geht rasant voran, ein Buch wird diesen Entwicklungen naturgemäß nicht immer gerecht werden können. So auch dieses. Die Verhandlungen mit den ethnischen Minderheiten, die mittlerweile auch Aung San Suu Kyi skeptisch gegenüberstehen, die Gewalt gegen die muslimische Minderheit der Rohingyas in Burma, zu der die Oppositionsführerin bisher kein Wort hat sagen wollen – all das kommt zu kurz oder findet gar nicht statt. Jasper Bengtsson spricht auch das Fehlen eines Parteiprogramms der Opposition an – ein derzeit zentrales Problem in der politischen Landschaft Burmas.

    Aung San Suu Kyi hat keine ausführlichen politischen Texte verfasst. Die Zeit im Hausarrest hat einen daran gehindert, eine konkrete und umfassende Beschreibung ihres politischen Programms abzugeben.

    Diese Analyse des Autors vermag nicht zu überzeugen. Denn es stellt sich die Frage, warum gerade Aung San Suu Kyi, die, die langen Jahre der Haft durch Disziplin, Meditation und Lesen vergleichsweise gut überstanden hat, keine Zeit zum Schreiben fand? Sie selbst sagt, der Hausarrest habe sie politisiert:

    "Ich denke, ich wurde politischer im Hausarrest, wie viele andere politische Häftlinge. Im Hausarrest war Politik die Existenzgrundlage, darum ging es."

    Wer bisher wenig über Aung San Suu Kyi wusste und wer dieses neue Wissen leicht verständlich dargereicht bekommen möchte, dem ist die "Ikone der Freiheit" zu empfehlen. Leser, die Analysen und tiefer gehende Erklärungen erhoffen, könnte die Lektüre dagegen enttäuschen.

    Buchinfos:
    Jesper Bengtsson: "Ikone der Freiheit. Aung San Suu Kyi. Eine Biografie", Rotbuch Verlag, ISBN: 978-3867891721, 317 Seiten, Preis: 19,99 Euro