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Europäischer Datenschutz
Datenschutz soll zum Standortvorteil werden

Unternehmen bekommen einen einheitlichen europäischen Rechts- und Wirtschaftsraum, in dem sich im großen Stil Geschäfte machen lasse, meint Achim Killer. Datenschutz, sei ein Standortvorteil. Amerikanische IT-Sicherheitsfirmen hätten derzeit ja gewaltige Probleme, weil man ihnen nicht zutraut, dass sie Sicherheit auch vor der NSA bieten.

Achim Killer im Gespräch mit Manfred Kloiber |
    Manfred Kloiber: Das Ringen um den europäischen Datenschutz. Informationen von Achim Killer waren das. Mit ihm in München bin ich verbunden. Herr Killer, wie weit ist denn der Gesetzgebungsprozess fortgeschritten? Wann kommt denn jetzt die Datenschutz-Verordnung.
    Achim Killer: Ja, nach der Europawahl geht jetzt alles wieder von vorne los. Das alte Parlament hat sich dafür ausgesprochen. Jetzt gibt's ein neues. Vor allem aber muss die Verordnung jetzt in den Ministerrat, wo über spezifische nationale Interessen verhandelt wird. Und dann wieder ins Parlament. Aber dass Europa einen effizienteren Datenschutz bekommen wird, das steht jetzt schon fest.
    Kloiber: Warum denn das, wenn jetzt alles wieder von vorne beginnt, wie Sie sagen.
    Killer: Na ja. Entscheidend ist, dass Europa ein einheitliches Datenschutzrecht bekommt. Das wird eine Verordnung, die gilt dann unmittelbar in allen 28 Staaten. Derzeit haben wir Richtlinie. 1995 ist die verabschiedet und anschließend in nationales Recht umgesetzt worden – sehr streng in Deutschland, eher lasch etwa in Irland. Und deshalb haben sich denn auch Google und Facebook Irland als Sitz für ihre Europa-Zentralen ausgesucht. Forum-Shopping nennt sich das. Multies lassen sich dort nieder, wo die Gesetze für sie am günstigsten sind. Wenn die Verordnung, etwa in Form des Parlamentsvotums vom März, in Kraft tritt, dann ändert sich für deutsche Unternehmen ein bisschen was, aber nicht viel. Viel ändert sich allerdings für deutsche Konsumenten, weil Google und Facebook dann deren Daten nicht mehr nach Gusto verwenden können. Und außerdem hat der bisherige Gesetzgebungsprozess eine völlig neue Qualität der Transparenz gebracht.
    Kloiber: Das müssen Sie jetzt erläutern.
    Killer: Da gibt's diese wunderbare Site lobbyplag.eu. guttenplag kennt man – klingt so ähnlich. Das ist die Site, die die Dissertation des ehemaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg untersucht hat. Und auf lobbyplag sind jetzt die fast 4.000 Änderungsanträge während der Ausschuss-Verhandlungen im Parlament mit den Positionspapieren der Interessenverbände verglichen worden. Vorschläge von Amazon, von der amerikanischen Handelkammer, von Bankenverbänden sind da 1:1 übernommen worden. Copy and paste! Und dank lobbyplag ist das öffentlich.
    Kloiber: Trotzdem alles in allem scheint es doch auf mehr Datenschutz hinauszulaufen.
    Killer: Die Gegenseite hat halt auch Blaupausen geliefert. Die schwedischen Piraten im Parlament beispielsweise haben ganz massiv kopiert. Aber Piraten können das halt. Die haben beispielsweise aus den Vorlagen von Organisationen wie Bits for Freedom und European Digital Rights kopiert.
    Kloiber: Wie berechtigt sind denn die Bedenken der Wirtschaft. Würde ein strengeres europäisches Datenschutzrecht, so wie es sich abzeichnet, den Unternehmen Nachteile bringen?
    Killer: Im Gegenteil. Die bekommen einen einheitlichen europäischen Rechts- und Wirtschaftsraum, also einen, in dem sich im großen Stil Geschäfte machen lassen. Und ansonsten ist Datenschutz – spätestens seit Ed Snowden – ja ein Standortvorteil. Amerikanische IT-Sicherheitsfirmen haben derzeit ja gewaltige Probleme, weil man ihnen nicht zutraut, dass sie Sicherheit auch vor der NSA bieten. Und in der Cloud gilt dasselbe. Welche Firma lässt denn ihre Kundendaten jetzt noch in einem Rechenzentrum in den USA verwalten?
    Kloiber: Was hat denn das Recht auf Vergessen-Werden, welches der Europäische Gerichtshof dieses Jahr postuliert hat, das Google-Urteil, mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung zu tun?
    Killer: Also dieser Ausdruck stand tatsächlich so im Vorschlag der Kommission "the right to be forgotten". Im Parlamentsvotum steht er nicht mehr. Aber der EuGH hat sein Urteil auch auf Basis der Richtlinie von 1995 gefällt. Und das ist schon problematisch. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann ja wohl nicht heißen, dass jemand das Recht hat, sein Bild in der Öffentlichkeit zu bestimmen, sonst wären ja PR- und Werbe-Agenturen und Marketing-Abteilungen allesamt Datenschutz-Organisationen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.