Ein LKW lädt ab im sonnigen Hof einer Stadt in Süddeutschland. Hier geht es in die kleine Wohnung von Nara Aassaf. Ihre 25-jährige Tochter Rama ist zu Besuch, es gibt kalte Limonade und quälende Erinnerungen. An die aufreibende Flucht der vierköpfigen Familie aus ihrem syrischen Zuhause Aleppo über die sogenannte Balkanroute.
"Ich habe alles verloren. Das ist hart."
Ihre Familie und vier weitere Geflüchtete aus dem Irak und Afghanistan haben den Staat Nordmazedonien verklagt wegen einer illegalen Gruppenabschiebung zurück nach Griechenland .
"Wir machen geltend, dass Nordmazedonien mit der Deportation von über 1.500 Geflüchteten in mehrfacher Hinsicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hat."
Carsten Gericke ist Anwalt bei der Berliner Menschenrechtsorganisation ECCHR. Er vertritt die Klägerinnen und Kläger vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
Gestrandet am Grenzübergang Idomeni
Frühjahr 2016. Die Familie Assaf ist am griechisch nordmazedonischen Grenzübergang Idomeni gestrandet gemeinsam mit rund zehntausend anderen. Nun versperrt ein hoher Stacheldrahtzaun und bewaffnete nordmazedonische Soldaten und Polizei an dieser Stelle den Weg. Am Mittag des 14 .März 2016 gibt es plötzlich Bewegung, erzählen Rama und Nara Asaf mehr als drei Jahre später. Wegen der Klage haben wir ihre Namen geändert.
"Die anderen sagten okay, sie gehen in Richtung mazedonische Grenze. Und ich sagte, dann müssen wir auch gehen."
Mehr als 1.500 Menschen laufen los. Mit rund 600 von ihnen wird die Familie Asaf auf einem Hügel von nordmazedonischen Soldaten gestoppt. Eine ganze Nacht lang müssen sie ausharren. Umringt von den bewaffneten nordmazdeonischen Soldaten, die Hunde dabeihaben und mit Schlägen drohen, erinnert sich Nara Asaf.
"Und so haben wir die Nacht verbracht, und wir haben im Regen geschlafen und da waren so viele Soldaten und Hunde. Und sie sagten, wenn ihr jetzt nicht geht, dann hetzen wir die Hunde auf euch."
"Ihr müsst zurück, die Grenze wird niemals öffnen", ergänzt ihre Tochter Rama. Dokumentiert wird nichts. Kurze Zeit darauf, im April 2016. Nordmazedonischen Polizei und Armee setzen Tränengas gegen Flüchtende ein, auch gegen die Familie Asaf.
"Danach wussten wir, dass wir kämpfen müssen", sagt Nara Asaf. "Denn es war genug."
Veruruteilung hätte Signalwirkung
Die Asafs und die anderen Kläger aus Afghanistan und dem Irak berufen sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention. Artikel Vier des vierten Zusatzprotokolls verbietet sogenannte Kollektivausweisungen ohne jegliches Verfahren und Artikel 13 garantiert das Recht auf effektive Rechtsmittel. Eine Verurteilung Nordmazedoniens hätte Signalwirkung, glaubt Rechtsanwalt Carsten Gericke.
"Möglicherweise noch wichtiger erscheint mir aber, dass eine positive Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte den Staaten der Außengrenze ihre politisch mediale Legitimationsgrundlage für die systematischen Menschenrechtsverletzungen entziehen würden."
Und auch Mutter und Tochter Asaf wünschen sich Klarheit.
"Wir hoffen, dass sie dieses aggressive Vorgehen beenden. Und auch wenn ich aus einem anderen Land komme, habe ich doch Rechte. Und es steht niemandem zu dieses Recht zu missachten und mich zu verletzten. "
"Und ein bisschen wollen wir es ihnen auch zurückzahlen."