Mit mehr Staaten als je zuvor ging die EU damals in das neue Jahrzehnt. 27 Länder und mehr als eine halbe Milliarde Menschen gehörten ab 2007 zu diesem Bündnis. 2013 kam mit Kroatien das 28. Land hinzu. Damit die Gemeinschaft nicht am eigenen Erfolg erstickte, brauchte es Veränderungen am Vertragswerk. EU Reform – schon seinerzeit ein ganz großes Thema. Nach dem ein Verfassungsvertrag an Referenden in den Niederlanden und Frankreich gescheitert war, kam schließlich der Lissabon Vertrag zustande, der vor zehn Jahren am 1. Dezember 2009 in Kraft trat.
Viel stärker sind wir damit nach innen und nach außen und können viel besser handeln, glaubte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Häufigere Mehrheitsentscheidungen, mehr Kompetenzen für das Parlament und ein ständiger Ratspräsident.
Die Euro-Krise
Aus dem alten Jahrzehnt brachte die Welt die Finanzkrise mit, die 2007 in den USA begonnen hatte und dort 2008 ihren Höhepunkt fand. In den folgenden Jahren wurde die Sorge um den Euro und ein mögliches Auseinanderbrechen der Währungsgemeinschaft zum alles dominierenden Thema in Europa.
"Wir werden alles tun, um den Euro zu stabilisieren, ihn stabil zu halten, es ist unsere gemeinsame Währung", sagte damals Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und von EZB-Präsident Mario Draghi wurde dieser Satz wohl sein bekanntester: "Within our mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the Euro."
Europa lernte in der Folge so klangvolle Namen wie "Finanzstabilisierungsfazilität", "Euro-Rettungsschirm" und "Europäischer Stabilitätsmechanismus". Als Ergebnis stand die Erkenntnis, dass eine gemeinsame Währung eingeführt wurde, bevor die wirtschaftspolitischen Voraussetzungen geschaffen waren. Mehrere Rettungspakete mit Krediten wurden geschnürt. Am Ende konnte Griechenland im Euro bleiben.
Europa als Friedensstifter
"The Norwegian Nobel committee has decided that the Nobel peace price for 2012 is to be awarded to the European Union."
Aus dem Krisenmodus wachgerufen wurde die EU 2012 als ihr der Friedensnobelpreis verliehen wurde. Das Friedensprojekt Europa wurde geehrt. Auch als Zeichen gegen die wachsende EU-Skepsis angesichts der Krise. Gelegenheit ihre Fähigkeit als Friedensbewahrer unter Beweis zu stellen, bekam die EU kurz darauf im Februar 2014: Annexion der Krim durch Russland und der Beginn der Kriege in der Ostukraine.
"Ich glaube, dass es wirklich darauf ankommt, dass die Europäer einmal, einmal anfangen, gegenüber Moskau und Präsident Putin mit einer Sprache zu sprechen."
Die grüne Abgeordnete Rebecca Harms setze sich als eine der ersten und am entschiedensten für die Interessen der Ukrainer ein. Die EU brachte jedenfalls Sanktionen gegen Russland auf den Weg, die bis heute Jahr um Jahr einstimmig verlängert werden.
"Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das!"
Die Migrationskrise
Themenwechsel – Angela Merkel ein Jahr später.
"Wir schaffen das, und wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden."
Während sich die Bundeskanzlerin im August 2015 zuversichtlich gab, steht ihre Aussage in Europa zugleich für den Anfang von dem, was hier als Migrationskrise einging.
Der Brexit
"So here it is. Six pages"
Und dann kam das. Die logische Konsequenz aus einem Referendum im Vereinigten Königreich. Die Briten votierten im Sommer 2016 mit knapper Mehrheit dafür, die EU zu verlassen. Ende März 2017 löste die britische Regierung Artikel 50 und damit den Brexit aus, der die EU fast drei Jahre lang in Atem halten sollte.
"There is no reason to pretend that this is a happy day, neither in Brussels nor in London."
Kein glücklicher Tag, weder in Brüssel noch in London, stellte Ratspräsident Donald Tusk fest. Aber da ist auch eine positive Seite: Der Brexit hat uns 27 entschlossener und vereinter gemacht.
"Brexit has made us more determined and more united than before"
Europas Rolle in der Welt
In der Tat war das Ereignis ein Weckruf in mancherlei Hinsicht für die Europäische Union.
"Viel zu lange war das was die Menschen von Europa erwarteten zu weit entfernt von dem, was Europa bieten und leisten kann. Unsere Aufgabe wird sein deutlich zu machen, was Europa kann und was es nicht kann"
Jean Claude Juncker wenige Wochen zuvor, als er sein Weißbuch für Europa vorstellte mit verschiedenen Szenarien, wie die EU in Zukunft aussehen könnte. Als sehr praktisches Ergebnis und auch in Folge der Wahl von Donald Trump in den USA verstärkte die EU ihre Verteidigungszusammenarbeit.
"Die Zeiten in denen wir uns vorbehaltlos auf andere verlassen konnten, die sind eben vorbei."
Angela Merkel vor dem europäischen Parlament.
Die neue EU-Kommissionspräsidentin
Das letzte Jahr dieses Jahrzehnts war wieder voller Spannung, voller teils ganz unerwarteter Entwicklungen. Statt eines Spitzenkandidaten aus dem Europäischen Parlament trug es überraschend eine deutsche Ministerin an die Spitze der EU-Kommission.
"40 Jahre nach Simone Veil steht zum ersten Mal eine Frau für diesen Posten zur Wahl", verkündete Ursula von der Leyen stolz in Straßburg. Trotz aller Unkenrufe wurden schließlich sie wie auch die neue EU-Kommission vom Parlament bestätigt. Eine geopolitische Kommission soll es sein. Ein Europa, das sich viel stärker als früher auf seine Rolle in der Welt konzentrieren soll. Angesichts eines immer schwieriger werdenden globalen Umfelds.
Und angesichts eines Abschieds, mit dem die Europäische Union das neue Jahrzehnt beginnt. Mit Großbritannien verlässt am 31. Januar nach 47 Jahren der Mitgliedschaft zum ersten Mal ein Land die EU. Dieser Einschnitt markiert den Beginn der 20er Jahre in Europa. Die Zukunft im Verhältnis zum Vereinigten Königreich bleibt ungewiss.