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Europäisches Einfallstor für Haschisch und Kokain

Es gibt Gerüchte und spektakuläre Drogensicherstellungen, die ahnen lassen, dass sich die internationalen Drogenrouten von Spanien nach Portugal verlagern. Die Drogenfahnder arbeiten auf Hochtouren, aber das elektronische Küstenüberwachungssystem funktioniert noch nicht lückenlos.

Von Jochen Faget | 04.09.2013
    Sie üben den Ernstfall: Von einem Schnellboot aus entern portugiesische Polizisten ein Schmugglerschiff, überwältigen die Besatzung und stellen Rauschgift sicher. Szenen, die sich auch in Wirklichkeit vor der Westküste Europas immer häufiger abspielen. Denn Portugal und Spanien werden zu einem immer wichtigeren Einfallstor für Drogen. Über vier Tonnen Kokain und fast 20 Tonnen Haschisch wurden im vergangenen Jahr beschlagnahmt.

    "Haschisch wird im marokkanischen Atlasgebirge praktisch vor unserer Haustür produziert und in großen Mengen auf die Iberische Halbinsel gebracht. Und das Kokain kommt aus Südamerika."

    Portugal sei zu einer Drogendrehscheibe in Europa geworden, weiß Chefinspektor João Figueira von der portugiesischen Kriminalpolizei:

    "Da arbeiten internationale Organisationen. Der portugiesische Drogenmarkt ist zu klein für die Mengen, die hier ankommen. Darum schätzen wir, dass bis zu 90 Prozent des Rauschgifts weiter exportiert werden."

    In die Staaten Mittel- und Nordeuropas, darunter natürlich auch Deutschland. Und obwohl die portugiesische Polizei jährlich Dutzende Tonnen Haschisch und Kokain beschlagnahmt, sei die Westgrenze Europas zu durchlässig, kritisieren Drogenfachleute. Das fange schon bei der Küstenüberwachung an.

    Seit Jahren wartet die GNR, die portugiesische Landpolizei, die auch für den Grenzschutz zuständig ist, darauf, dass ein modernes Küstenüberwachungssystem fertig wird. Doch nur zwei von 20 Radar- und Infrarotkontrollstationen sind bislang betriebsbereit. Während das Innenministerium sich über die Gründe der Verzögerung ausschweigt, behilft sich die Polizei mit anderen, eher primitiven Mitteln - Fußpatrouillen mit Nachtsichtgeräten:

    "Wir setzen verstärkt Infrarotkameras an der ganzen Küste ein", erklärt Leutnant Ana Lopes. "Versuchen so, Straftaten und den Drogenschmuggel zu verhindern."

    Das große Europa fordert viel vom kleinen Portugal, das einschließlich der Inseln Madeira und Azoren für fast 2000 Kilometer Außengrenze der EU zuständig ist. Die zu kontrollieren sei eben sehr teuer, stellt Kripo-Fachmann João Figueira fest:

    "Das sind brutale Kosten für die portugiesischen Steuerzahler. Insbesondere die Seewege zu überwachen, kostet viel Geld. Da das Rauschgift vor allem für das europäische Ausland bestimmt ist, sollte man sich eine europäische Finanzierung überlegen. Aber im Augenblick zahlen nur wir."

    Und die Kosten steigen, denn die Drogenkartelle suchen und finden ständig neue Wege:

    "Jetzt kommt Kokain oft mit Segelbooten aus der Karibik über die Azoren, die Kartelle sind von ihrer traditionellen Route nach Norden ausgewichen. Und weiter im Süden wird das Rauschgift an der afrikanischen Küste umgeladen und dann nach Europa gebracht."

    Oder ganz einfach in Warencontainern versteckt und in großen Mengen per Schiff nach Europa verfrachtet. Portugal jedoch verfügt nur über zwei Anlagen, mit denen Container durchleuchtet werden können, muss sich also auf Stichproben begrenzen. Chefinspektor Figueira umschreibt die Misere diplomatisch:

    "Natürlich hätten wir gerne zur Kontrolle einen Scanner pro Hafen. Aber wir müssen uns eben mit dem behelfen, was wir haben."

    Das gelte auch für das noch immer nicht funktionierende Küstenüberwachungssystem, sagt Polizeigeneral Tavares Nunes von der GNR:

    "Wir sichern unsere Küste eben mit anderen Mitteln. Aber das Überwachungssystem wäre ein gigantischer Schritt vorwärts. Dann hätten wir ganz andere Möglichkeiten im Kampf gegen die Schmuggler."

    Auf die werden die portugiesischen Polizisten jedoch wohl weiter warten müssen. Die Haushaltslage bleibt wegen der Krise angespannt, da ist wenig Spielraum für teure Technologie. Ein Problem, das die Drogenkartelle eher nicht haben.