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Europäisches Science-Fiction-Kino
Luc Bessons Großkino und die ästhetischen Folgen

Luc Besson, der mit Kultfilmen wie "Im Rausch der Tiefe" oder "Das fünfte Ele-ment" zu einer Art europäischem Film-Tycoon wurde, bringt ein neues Science-Fiction-Epos ins Kino. Titel: "Valerian - Die Stadt der tausend Planeten". Großes oder zu großes Kino?

Von Hartwig Tegeler | 18.07.2017
    Dane DeHaan und Cara Delevingne als Valerian und Laureline (Bild: © 2016 VALERIAN SAS – TF1 FILMS PRODUCTION)
    Valerian und Laureline - ein ungleiches Paar (© 2016 VALERIAN SAS – TF1 FILMS PRODUCTION)
    Unheil droht Alpha. Dieser intergalaktischen Mega-Metropole, irgendwo im Universum,
    "3236 Spezies aus den vier Ecken des Universums leben an Bord ..."
    … Utopie des friedvollen Miteinanders von Menschen und Aliens, …
    "...ein Schmelztiegel der Kulturen und des Wissens."
    Jetzt scheint jemand diese Föderation des Friedens zerstören zu wollen. Und die Ursache liegt in einer Ursünde des Menschen. Das drohende Unheil in "Valerian - Die Stadt der tausend Planeten" müssen Valerian und Laureline, Spezial-Agenten, abwenden. Ob ihnen das gelingt? Na sicher!
    Cara Delevingne macht große Karriere
    Zwei Sachen vorweg. Die erste bezieht sich nur auf Cara Delevingne.
    "Wir wissen, wie die Menschen ticken. - Sie sind ja so berechenbar." - Laureline: "Dann habt ihr noch nie ne Frau getroffen. (Schuss)"
    Cara Delevingne in ihrer Rolle in "Valerian" als toughe wie sensible Weltraum-Bitch und -Heldin, schräg, lustig. Mit all dem, was Cara Delevingne jetzt bei Luc Besson zeigt, damit ist es entschieden: Die Frau, Model, seit einiger Zeit Schauspielerin, macht große Karriere. Verdientermaßen.
    Zweitens: Wenn man als Kinogänger nicht sofort einen Zugang bekommt zu dieser Screwball-Comedy-Energie zwischen Valerian und Laureline - Dane DeHaan und eben Cara Delevingne - dann kann man "Valerian - Die Stadt der tausend Planeten" nur abhaken als Bilder-Überwältigungs-Gewitter. Typisch Luc Besson.
    "Das Schwierigste beginnt unten"
    Womit wir beim Unterschied wären zwischen den großen, faszinierenden Filmen des Regieberserkers Besson und denen, bei denen das Primat der Überwältigung herrschte und herrscht. An exotische Orte oder in fremde Welten führte uns Besson immer. Ob in der Zukunft, der Vergangenheit oder der Jetztzeit. 1985. "Subway" beispielsweise: Ein magischer, cooler Trip in den Untergrund von Paris, die Eingeweide der Stadt, die Metro.
    Oder dieser schöne, elegische und traurige Traum über die Verschmelzung mit den unendlichen Weiten in der Ewigkeit des Meeres, über die uns der ehemalige Tauchlehrer Luc Besson in seinem Film "Im Rausch der Tiefe" erzählt, wenn Jacques, der Apnoetaucher, sich abwendet, sich immer abgewendet hat von der Welt hier oben.
    "Was fühlt du eigentlich, wenn du da runter tauchst. - Das Schwierigste beginnt erst unten. - Wieso? Um wieder aufzutauchen, brauchst du einen guten Grund. Das macht mir Schwierigkeiten. Ich finde keinen."
    Mit großen Talenten zum Erfolg
    Wunderschöne Geschichten erzählte uns Luc Besson da und arbeitete offensichtlich nach diesem Prinzip: Du musst dich Leuten umgeben, die talentierter sind als du.
    "Diese 'größeren' Talente machen deine Arbeit besser. Ich habe keine Scheu, die um Hilfe zu bitten",
    sagte Besson einmal. Das war auch im Film "Das fünfte Element" so. Da ging das Prinzip wunderbar auf.
    "Major Dallas, hier ist ein Auftrag von größer Wichtigkeit. - Was für ein Auftrag? - Die Welt zu retten."
    Der Science-Fiction-Film von 1997 hatte einiges im Angebot: Charm-Bolzen Bruce Willis als coolen Ex-Spezial-Agenten im fliegenden gelben Taxi, Mila Jovovich als außerirdisches Weltrettungs-Wesen im irrwitzig stylischen Outfit.
    "Das … äh … fünfte Element."
    Aber vor allem - und hier wäre der Bezug zu den 'großen Talenten' an seiner Seite - vor allem war Jean-Paul Gaultier mit an Bord. Der französische Modeschöpfer entwarf Kostüme und Accessoires und so gelang eine Bilderorgie mit Monstern, Mutanten, Masken und einer Liebesgeschichte, die dem biederen US-Science-Fiction-Film den Stinkefinger zeigte. Der hemmungslose Wunsch nach Überwältigung stand beim "fünften Element" noch ganz im Dienst der Geschichte.
    Das Kino lebt vom "aber"
    Aber wie auch die Obsession spürbar war, die Genres der Hollywood-Maschine an die Grenzen und über sie hinweg zu treiben, so zeigte sich ebenso, wie das Primat des Visuellen bei Luc Besson die Charaktere und Geschichten in den Hintergrund drängte. Was man zunächst angesichts der visuellen Wucht nicht so richtig mitbekam. Was eben auch Wirkungsprinzip war und auch jetzt bei "Valerian – Die Stadt der tausend Planeten" Wirkungsprinzip ist.
    Ein Film, der im übrigen wirkt wie eine Kopie von zig anderen Science-Fiction-Filmen, vor allem aber eine vom "fünften Element". Aber, und von diesem "aber" lebt das Kino, auch das des Luc Besson: In den monumentalen Bilder-Gewittern gibt es immer Momente, wo die wohlkalkulierte Filmmaschine zum Schweigen kommt. Wenn beispielsweise in "Valerian" Cara Delevingne rotzfrech, aber sehr, sehr verführerisch lächelt und ihr Möchtegern-Geliebter Valerian vor Sehnsucht und Begehren am liebsten vergehen möchte. Und sie nur schnippisch die Augenbrauen hochzieht. Wunderbarer Screwball. Wenn beispielsweise in "Das fünfte Element" Luc Bessons Ex-Frau Maiwenn Le Besco als Alien-Operndiva singt.