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Europäisches Statistikamt
Kinderarmut steigt weiter an

Trotz guter Konjunktur ist in Deutschland die Zahl von Kindern in Armut weiter angestiegen. Das meldet das Europäische Statistikamt. Es gibt einen Zeitpunkt, an dem das jedes Jahr besonders tragisch auffällt: Weihnachten.

Von Paul Vorreiter |
    Ein Vater liest mit seinen zwei Kindern auf dem Schoß in einem Buch. Hinter ihnen steht der Weihnachtsbaum.
    Kinderarmut - besonders an Weihnachten fällt sie auf, wenn einige mit Geschenken überhäuft werden, während anderswo nicht mal Geld für einen Christbaum da ist. (imago/Mint Images)
    Weihnachten ist die Zeit der Geschenke. Für die meisten Kinder sind die Feiertage Anlass zur Freude - nur nicht für diejenigen, bei denen die Bescherung ausfällt, weil die Eltern sich keine Geschenke kaufen können.
    Für das Jahr 2015 könnte das auf mehr als 1,7 Millionen Kinder unter 16 Jahren in Deutschland zugetroffen haben. Denn sie galten nach Zahlen der europäischen Statistikbehörde als arm, schreiben die Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Innerhalb von zehn Jahren sei die Zahl der armen Kinder damit um 200.000 gestiegen.
    "Der Mindestlohn muss auf zwölf Euro rauf"
    Die Daten hatte die Fraktionsvize der Linken im Bundestag, Sabine Zimmermann, bei der EU-Behörde abgefragt. Ihrer Meinung nach hat die Kinderarmut folgende Ursache: "Wir haben den größten Niedriglohnsektor in Europa und deshalb ist es ganz wichtig, dass wir die Einkommen der Eltern wieder stärken. Das heißt, der Mindestlohn muss auf zwölf Euro rauf. Das bedeutet der Regelsatz muss höher werden, denn wir wissen, dass der Regelsatz so niedrig angesetzt ist, dass gerade an Weihnachten zum Beispiel kein Weihnachtsbaum drin ist."
    Die Zahlen, die die Linken-Politikerin abgefragt hat, sind nicht die Einzigen, die zur Kinderarmut bekannt sind. Aus dem kommenden Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wird zitiert, dass sogar bis zu 2,4 Millionen Kinder in Deutschland von Armut bedroht seien. Gemeint sind hierbei Kinder aus Haushalten, die weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung haben. Wenn beide Elternteile keinen Job hätten, sei das Armutsrisiko am größten.
    Welche Zahl stimmt denn nun?
    Welche Zahl ist jetzt verlässlich? Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes: "Wenn wir einen sehr realistischen und nachvollziehbaren Eindruck bekommen wollen, um wie viel Kinder es sich in Deutschland handelt, sollten wir in die Hartz-IV-Statistik schauen, da haben wir im Moment 1,9 Millionen Minderjährige, die von Hartz IV leben, 1,7 Millionen von ihnen sind unter 15 Jahre. Und wenn man genauer hinschaut, eine Million von ihnen leben in Alleinerziehenden-Haushalten. Das sind handfeste Zahlen."
    Unabhängig von der genauen Zahl der von Kinderarmut Betroffenen zeigen viele Studien einen gemeinsamen Trend auf: Nämlich, dass immer mehr Kinder in Deutschland arm sind. Zum Teil soll sich das auch mit Zuwanderung erklären lassen. Laut Bundesagentur für Arbeit ist die Zahl der ausländischen Kinder in Hartz IV-Familien seit dem Sommer 2015 um fast 20 Prozent auf gut 410.000 im Juni dieses Jahres gestiegen.
    "Seit 2010 keine namhafte Erhöhung beim Kindergeld mehr"
    Das ist aber nicht die einzige Ursache: Ulrich Schneider: "Wir hatten die letzte namhafte Erhöhung beim Kindergeld 2010, seitdem nicht mehr. Das ist eine ungeheuer wichtige Leistung, um Armut zu verhindern. Wir haben einen weiteren Grund, dass immer mehr Alleinerziehende von Armut betroffen sind, fast 40 Prozent der Alleinerziehenden leben in Hartz IV. Das heißt, wir bräuchten also sehr gezielt arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für diese Gruppe. Das passiert in Deutschland alles nur sehr unzulänglich."
    Die Bundesregierung scheint die Lage weniger kritisch einzuschätzen. In ihrem Entwurf zum Armuts- und Reichtumsbericht heißt es: "Seit dem Anstieg bis Mitte des vergangenen Jahrzehnts habe sich die Armutsrisikoquote von Kindern nicht weiter erhöht." Und: "Nur wenige Kinder in Deutschland litten unter materieller Not".
    "Schönfärberei, was hier die Bundesregierung macht."
    Konkret geht die Bundesregierung davon aus, dass nur jedes zwanzigste Kind einen - wie es heißt - "beschränkten Zugang zu einem gewissen Lebensstandard" hat. Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann widerspricht: "Wir sehen es bei den Tafeln: Die haben Hochkonjunktur. Wir wissen auch, dass viele Kinder zuhause kein warmes Mittagessen mehr bekommen oder aber auch ohne Frühstück in die Schule gehen. Und die Dunkelziffer von der verdeckten Armut, die ist noch wesentlich höher und deshalb ist das Schönfärberei, was hier die Bundesregierung macht."