Die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland sollte nicht weniger als die nachhaltigste EM aller Zeiten werden. Das hatten die Verantwortlichen um Turnierdirektor Philipp Lahm im Vorfeld des Turniers immer wieder betont.
Doch welche nachhaltigen Effekte hatte das Turnier letztendlich? Das haben Forschende der Universität Bielefeld und der Deutschen Sporthochschule Köln in Zusammenarbeit mit dem Bundesinnenministerium erforscht. Am Mittwoch (04.12.2024) haben sie den Evaluationsbericht zur EM 2024 veröffentlicht.
Die Ergebnisse sind dabei in drei Kategorien unterteilt: Die ökologische Nachhaltigkeit, die ökonomische Nachhaltigkeit und die soziale Nachhaltigkeit.
Ökologische Nachhaltigkeit
Auf 490.000 Tonnen haben die Veranstalter die CO2-äquivalenten Emissionen vor dem Turnier geschätzt. 780.000 Tonnen sind es am Ende geworden, also 290.000 Tonnen mehr als erwartet. Zum Vergleich: Bei der EM 2016 in Frankreich lagen die Emissionen bei 2,8 Millionen Tonnen.
Dass die Werte 2024 höher waren als veranschlagt, lag laut Studie vor allem daran, dass deutlich mehr Fans als erwartet zum Turnier kamen. So verzeichneten die Fanzonen 6,14 Millionen Besucherinnen und Besucher, gerechnet hatten die Veranstalter mit 3,8 Millionen Gästen.
Außerdem war der Anteil der Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland 37,5 Prozent höher als erwartet, was gleichzeitig mehr Flugverkehr und damit mehr Emissionen zur Folge hatte. Einsparpotentiale identifiziert die Studie im Umstieg von Kurz- und Mittelstreckenflügen sowie von PKW-Fahrten auf die Bahn.
Etwa die Hälfte der Fans aus Deutschland habe den eigenen PKW für die Anreise zum Stadion benutzt. Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland haben laut Studie eher den ÖPNV genutzt. Knapp zwei Drittel der ausländischen Fans zeigte sich dabei mit dem ÖPNV zufrieden. Bei den deutschen Fans waren das knapp 60 Prozent. Weniger als die Hälfte die Deutschen (48,7 Prozent) war dagegen glücklich mit dem Fernverkehr. Auch hier lag die Quote mit 59,8 Prozent bei den ausländischen Gästen höher.
Vorne lagen die nicht-deutschen Fans laut Studie bei der Mülltrennung. Dafür haben die Deutschen mehr Pfand zurückgebracht. Insgesamt sei "durch verschiedene Maßnahmen" weniger Abfall angefallen.
Ökonomische Nachhaltigkeit
Rund 690 Millionen Euro haben die beteiligten Stakeholder insgesamt in die EM 2024 investiert. Nachbudgetierungen seien laut Studie nur wenige notwendig gewesen. Auch das Budget der Ausrichterstädte sei passend kalkuliert gewesen. Der Budgetrahmen sei hier nicht überschritten worden.
Probleme meldeten die Ausrichterstädte jedoch in der Kommunikation mit den offiziellen UEFA-Sponsoren, "die trotz hohem Zeitaufwand mit überschaubauren Resultaten einhergingen", heißt es.
Weniger nachhaltig seien die Investitionen in die Infrastruktur. Da die Stadien bereits vorhanden waren, fielen diese Investitionen aber ohnehin gering aus. Das meiste Geld wurde jedoch in temporäre Maßnahmen investiert, die nach dem Turnier wieder zurückgebaut wurden, etwa in die Verbesserung der Barrierefreiheit. Investitionen in die digitale Infrastruktur (Glasfaser) können jedoch auch nach dem Turnier noch genutzt werden.
Volkswirtschaftlich habe Deutschland aber sehr von dem Turnier profitiert. 333 Millionen Euro Steuergelder seien in das Turnier geflossen (ohne Sicherheitskosten und Investitionen in Infrastruktur). Die steuerlichen Rückflüsse könnten noch nicht beziffert werden, seien aber "bedeutend".
Das Forschungsunternehmen Nielsen Sport berechnet den wirtschaftlichen Einfluss des Turniers auf 6,8 Milliarden Euro. Das liege laut Studie vor allem an den ausländischen Besuchern, die im Schnitt fünf Tage in Deutschland verbracht haben. Dementsprechend habe vor allem die Tourismusindustrie von der EM profitiert. Insgesamt übersteige der wirtschaftliche Nutzen die Ausgaben für die Ausrichtung des Turniers "um ein Vielfaches", heißt es.
Auch das Bild Deutschlands im Ausland habe sich verbessert. 90 Prozent der ausländischen Besucherinnen und Besucher seien mit ihrem Aufenthalt sehr zufrieden gewesen, Vier von fünf Gäste würden Deutschland als Reiseziel weiterempfehlen. Dadurch könne ein langfristiger wirtschaftlicher Nutzen entstehen.
Soziale Nachhaltigkeit
Im sozialen Bereich stellt der Evaluationsbericht viele positive Effekte des Turniers fest. Fans aus dem In- und Ausland hätten sich während der EM sicher gefühlt. Das Verbundenheitsgefühl in der deutschen Bevölkerung habe durch das Turnier auch außerhalb der Austragungsorte zugenommen. Auch die DFB-Elf hat profitiert. Die Verbundenheit mit und das Interesse an der deutschen Fußball-Nationalmannschaft sei durch das Turnier gestiegen.
Gestiegen sei zudem auch die Sensibilisierung der Bevölkerung für Inklusion, das Verständnis für andere Kulturen, die Sensibilisierung für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, auch die Einstellung gegenüber ausländischen Fußballfans sei durch das Turnier positiver geworden.
Auch die deutsche Nationalmannschaft sei in ihrer Vorbildfunktion für die Vermittlung von Werten aus Sicht der deutschen Bevölkerung gewachsen. Zu diesen Werten zählten Ehrgeiz, Zielstrebigkeit, Fairplay, Regeltreue, Respekt, Miteinander, Toleranz oder das Hinnehmen von Niederlagen mit Würde.
Gestiegen ist auch das Interesse an den Fußballvereinen. Bei vielen Vereinen habe sich laut Studie vor und nach dem Turnier ein höheres Interesse an Mitgliedschaften und Probetrainings gezeigt. Vor allem in den Austragungsstädten haben während und nach dem Turnier mehr Menschen an Sportangeboten eines Vereins teilgenommen. Zudem freuen sich die Vereine über mehr Ehrenamtler.
"Sowohl Fußballvereine als auch andere Sportvereine bewerten die UEFA EURO 2024 nach dem Event als hilfreicher für die Entwicklung des eigenen Vereins als vor dem Event", heißt es im Evaluationsbericht.