Für den Duma-Abgeordenten Aleksej Puschkow steht fest: Russland wird sich in Straßburg nicht vorführen lassen. Vergangene Woche kündigte Puschkow in der Duma an:
"Sollen sie uns doch aus der Parlamentarischen Versammlung ausschließen. Aber sollen wir auf deren Entscheidung warten? Ich lehne es kategorisch ab. Diese Leute haben überhaupt nicht das moralische Recht, über uns zu urteilen. Sie sind selbst für eine Reihe Aggressionen verantwortlich, für Blutvergießen und Zerstörung. Wir dagegen haben keinerlei Aggression zu verantworten."
Bevor es zu einer Abstimmung gegen Russland komme, werde die russische Delegation die Sitzung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates verlassen. Aleksej Puschkow ist nicht irgendein Abgeordneter. Er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der Duma, leitet die russische Delegation in Straßburg und steht zugleich an der Spitze der länderübergreifenden Fraktion der Europäischen Demokraten.
Russland nutzt den Europarat gewöhnlich als Tribüne, um im Kreis der europäischen Staaten für seine Interessen zu werben. Nun aber steht Russland wegen der Annexion der Krim am Pranger. Dänische Abgeordnete haben einen Resolutionsentwurf eingebracht, der vorsieht, Russland das Stimmrecht im Europarat zu entziehen. Britische Abgeordnete gehen noch weiter. Sie wollen prüfen lassen, ob Russland die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft noch erfüllt. Wladimir Schirinowskij, Vorsitzender der sogenannten Liberaldemokraten in der Duma, tobt vor Wut.
"Unsere Fraktion besteht seit Langem darauf, aus dieser Organisation auszutreten. Wir hätten niemals Mitglied werden sollen. Wir geben jedes Jahr 20 Millionen Euro aus. Seit 1996. Wie viele Häuser, wie viele Straßen hätte man dafür bauen können. Und dafür werden wir noch mit Schmutz überschüttet."
Russische Menschenrechtler sind besorgt
Oleg Orlov sieht diese Ankündigungen mit Sorge. Er leitet das Menschenrechtszentrum von Memorial in Russland und mag sich einen Austritt des Landes aus der Organisation nicht vorstellen.
"Die Parlamentarische Versammlung ist sehr wichtig. Mit ihren Resolutionen, Monitoring-Gruppen und Sonderberichterstattern wirkt sie auf die Situation in Russland ein. Nicht sofort, nicht schnell, aber irgendwie doch. Sie ist ein wichtiger Hebel, um Russland zu beeinflussen."
Orlov verweist insbesondere auf die Rolle des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes, einer Institution des Europarates. Sie ist für viele Menschen, die vor russischen Gerichten kein Recht bekommen, die letzte Hoffnung. Aufgrund von Urteilen der Straßburger Richter musste Russland in den letzten Jahren Entschädigungen in Millionenhöhe an seine Bürger zahlen.
Igor Morozow, Mitglied im Föderationsrat, wies vor wenigen Tagen darauf hin, dass, wenn Russland aus dem Europarat ausscheide, die Urteile aus Straßburg ihre Wirkung verlören. Und er fügte hinzu, dass Russland im übrigen auch die Todesstrafe im Zuge des Beitritts zum Europarat abgeschafft habe – was im Umkehrschluss heißt, man könne sie wieder einführen.
Oleg Orlov von Memorial hofft, dass es soweit nicht kommt. Er kann aber verstehen, wenn die Abgeordneten in Straßburg harte Sanktionen gegen Russland beschließen.
"Der Europarat kann nicht ruhig zusehen, wie Russland alle Normen der Nachkriegsordnung in Europa und das Recht seines Nachbarstaates verletzt. Wenn ich Abgeordneter eines beliebigen europäischen Landes in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates wäre, würde ich jetzt für die denkbaren härtesten Sanktionen plädieren.
Russland aus dem Europarat auszuschließen, wäre verantwortungslos. Russland das Stimmrecht zu entziehen, ist unausweichlich.
Natürlich besteht die Gefahr, dass Russland dann mit der Tür knallt, sich isoliert und seinerseits beschließt, den Europarat zu verlassen. Die Möglichkeit besteht. Aber manchmal muss man eben harte Maßnahmen treffen, auch wenn das schlimme Folgen haben kann."