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Europarat und Russland
Parlamentarier wollen Normalisierung

47 Nationen sind im Europarat vertreten, doch seit einigen Jahren reisen die russischen Abgeordneten nicht mehr nach Straßburg. Wegen der Besetzung der Krim hatte ihnen die parlamentarische Versammlung das Stimmrecht entzogen. Nun soll sich das ändern:

Von Tonia Koch |
Das Gebäude des Europarates in Straßburg
Das Gebäude des Europarates in Straßburg (dpa / Rainer Jensen)
Lange Zeit war für den schwelenden Konflikt zwischen der europäischen Staatengemeinschaft und Russland keine Lösung in Sicht. Auf den Entzug des Stimmrechts hatte die russische Regierung reagiert und die Zahlungen an den Europarat eingestellt. In der Folge blieb viel Arbeit liegen, der Rat geriet in eine nicht mehr zu übersehende finanzielle Krise. Diese Woche nun hat die parlamentarische Versammlung ihre Sprachlosigkeit beendet und Russland die Hand gereicht. Espen Barth Eide, norwegischer Sozialdemokrat:
"Wir laden Russland auf direktem Wege ein, wieder in die Versammlung zurückzukehren und fordern es auf, seine ausstehenden Zahlungen zu leisten."
Mit dieser grundsätzlich signalisierten Dialogbereitschaft beschreiten die Parlamentarier einen neuen Weg.
Raus aus der Sackgasse
Die Mehrheit ist ganz offensichtlich der Auffassung, dass die Zeit reif ist, die Blockade zu durchbrechen in die sich selbst hineinmanövriert hat, als sie vor nunmehr fünf Jahren gegenüber Russland Sanktionen verhängte. Denn nicht wenige der Abgeordneten stellen sich die Frage, was haben diese Sanktionen tatsächlich gebracht, außer einer Lähmung der Institution? Sylvain Waserman, französischer Abgeordneter und Mitglied der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa.
"Wir sind in einer politischen und finanziellen Krise und der Status quo endet in der Sackgasse."
Und der deutsche Sozialdemokrat, Frank Schwabe ergänzt: "Einsame Entscheidungen für Sanktionen in Bezug auf ein Land sind eine Sackgasse und sie würden eben auch in der Zukunft eine Sackgasse sein."
Einsam deshalb, weil der Entzug des Stimmrechtes für die russischen Parlamentarier bedeutet, dass nicht nur die parlamentarische Arbeit betroffen ist, sondern, auch andere Ebenen: der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Generalsekretär des Europarats.
Nicht die Falschen bestrafen
Die russischen Abgeordneten können weder über die Auswahl der Richter mitbestimmen noch an der bevorstehenden Wahl des Generalsekretärs teilnehmen. Damit aber würden die Falschen bestraft, so Espen Barth Eide.
"Wir können doch die russische Bevölkerung für die Fehler ihres politischen Personals nicht bestrafen, unsere Aufgabe ist es doch sie davor zu schützen."
Die Parlamentarier wünschen sich daher mehrheitlich ein gemeinsames Verfahren. Sanktionen – welches Land auch immer diese treffen würden - sollen künftig auf allen politischen Ebenen, von den Außenministern der Mitgliedsstaaten über den Generalsekretär bis hin zur Parlamentarischen Versammlung abgestimmt werden. Damit sind bestimmte Mitgliedsstaaten, überwiegend aus Osteuropa und vor allem die Ukraine überhaupt nicht einverstanden. Vordergründig, weil damit eine Schwächung der Rechte der Parlamentarischen Versammlung einhergehe.
Widerstand der Osteuropäer
Aber eigentlich geht es darum, dass sie darin einen Freibrief für Russland sehen. Boryslaw Bereza, Mitglied der europäischen Konservativen:
"Ich habe den Eindruck, dass sich die russische Sicht der Dinge in der Parlamentarischen Versammlung durchgesetzt hat, dass die Sanktionen gegen Russland falsch waren und darüber bin ich sehr enttäuscht. Und alle Ukrainer werden vom Europarat enttäuscht sein, weil die europäischen Werte verraten werden."
Auch von georgischer und polnischer Seite wurde gewarnt, der Brückenschlag gegenüber der Russischen Föderation gehe zu weit. Ob Russland die ausgestreckte Hand überhaupt ergreifen möchte, steht auf einem anderen Blatt. Mitte Mai treffen sich die Außenminister aller 47 Staaten, des Europarates in Helsinki. Finnland führt aktuell den Vorsitz und versucht, die Lage zu entspannen mit dem Ziel, die Zeichen auf Dialog zu stellen.