Ein großer Kristalllüster beleuchtet den Wartesaal. Die hohen Decke ist mit messingfarbenen Metallblumen verziert: sowjetischer Chic auf dem Bahnhof von Witebsk, einer 350.000-Einwohner-Stadt im Nordosten Weißrusslands. Auf einem der Holzstühle im Wartesaal, direkt neben dem kleinen Kiosk, sitzt Valerie Schukin, die Computertasche vor den Füßen.
"Ich schlafe hier im Bahnhof im Wartesaal auf einer Bank."
Valerie Schukin, 64 Jahre, Menschenrechtler, Journalist des "Witebsker Kuriers". Vor vier Jahren kündigte ihm die staatliche Verwaltung seine Wohnung hier im Bezirk und wollte ihn so zwingen, in seine Heimatstadt Minsk zurückzukehren. Schukin weigerte sich, übernachtet seitdem im Bahnhof oder bei Freunden.
"Als ein Mensch ohne Anmeldung kann ich kein Zimmer im Hotel buchen, keine Wohnung mieten, keinen Kredit aufnehmen. Ich darf nicht an Wahlen teilnehmen. Nur wenn ich im Gefängnis sitze, darf ich wählen."
Schukin lächelt. Seine blaue Augen strahlen. Mit seiner rechten Hand fährt er sich durch seinen prächtigen Vollbart, gausilberne Strähnen, die das Gesicht einrahmen.
"Praktisch hat mich in Weißrussland niemand ohne Bart gesehen. Der Bart gehört mir heute nicht mehr. Er ist zu einem Symbol für Weißrussland geworden."
So wie Schukin zu einem Symbol der weißrussischen Opposition geworden ist. Bei fast jeder Aktion gegen die Lukaschenko-Regierung ist er dabei und meist einer der ersten, die verhaftet werden. Bei der letzten Präsidentschatswahl fingen Milzen ihn bereits auf dem Bahnhof ab. Bei der Wahl 2001 kam er für drei Monate in ein Gefängnis für Schwerverbrecher.
"Die Prozedur sah so aus, ich saß auf einem Stuhl, rechts und links standen kräftig gebaute Milizen mit Gummiknüppeln. Vor mir saß ein Gefangener mit dem Rasiermesser. Und hinter mir stand der Chef der Minsker Miliz."
Der sorgte persönlich dafür, dass der Bürgerrechtler rasiert wurde. Schukins blaue Augen blitzen. Der Bart ist wieder gewachsen, fast so prächtig wie vorher. Alexander Lukaschenko aber ist immer noch im Amt:
"Lukaschenko ist ein Diktator. Alles, was er vernichten wollte, hat er vernichtet: Die Parteien werden verboten, die Zeitungen werden geschlossen, die Unternehmer werden vertrieben, und so weiter."
Und darum wird er auch weiter auf die Straße gehen, mit zu Demonstrationen aufrufen. Vor dem Gefängnis hat er schon längst keine Angst mehr:
"Ich habe keine Angst, im Gefängnis zu landen. Im Gegenteil: Ich bin bereit, ins Gefängnis zu gehen, weil ich dort eine Aufgabe zu erledigen habe .Deswegen bin ich für die Mächtigen unbequem, man kann mich nicht einschüchtern."
Über seine Gefängnisaufenhalte schreibt er Artikel, deckt Missstände auf. Die werden in Oppositionszeitungen veröffentlicht, die in Russland gedruckt und in Weißrussland verkauft werden. Dass es in den Zellen mittlerweile eine Trennwand zwischen Toilette und Bett gibt, ist sein Verdienst, sagt er. Schukin lächelt, streicht sich durch den Bart.
"'"Ich bin Marineoffizier und die unterscheiden sich grundsätzlich von ihren Kameraden an Land: Sie geben nie auf, sie weichen nicht zurück. Sie kämpfen bis zur letzten Minute. Entweder sie gewinnen, oder sie gehen mit ihrem Schiff unter.""
Darum wird er weiter auf Oppositionskurs bleiben und am 25. März nach Minsk reisen, um am Unabhängigkeitstag auf der Straße für Demokratie in Weißrussland zu demonstrieren. Der alte Marine-Offizier lächelt, denn es wird wieder ein Wettrennen mit der Miliz werden, wie jedes Mal.
"Wir sind im Bermuda-Dreieck, wo man nicht weiß, was einen erwartet. Man kann durchkommen oder untergehen, da ist alles möglich, auch ein Wunder. So lange Lukaschenko aber an der Macht ist, wird es keine Fortschritte geben."
Programmtipp: "Revolution auf Eis - Weißrussland ein Jahr nach den Protesten", Deutschlandfunk, "Gesichter Europas", Samstag, 17. März, 11.05 bis 12.00 Uhr
"Ich schlafe hier im Bahnhof im Wartesaal auf einer Bank."
Valerie Schukin, 64 Jahre, Menschenrechtler, Journalist des "Witebsker Kuriers". Vor vier Jahren kündigte ihm die staatliche Verwaltung seine Wohnung hier im Bezirk und wollte ihn so zwingen, in seine Heimatstadt Minsk zurückzukehren. Schukin weigerte sich, übernachtet seitdem im Bahnhof oder bei Freunden.
"Als ein Mensch ohne Anmeldung kann ich kein Zimmer im Hotel buchen, keine Wohnung mieten, keinen Kredit aufnehmen. Ich darf nicht an Wahlen teilnehmen. Nur wenn ich im Gefängnis sitze, darf ich wählen."
Schukin lächelt. Seine blaue Augen strahlen. Mit seiner rechten Hand fährt er sich durch seinen prächtigen Vollbart, gausilberne Strähnen, die das Gesicht einrahmen.
"Praktisch hat mich in Weißrussland niemand ohne Bart gesehen. Der Bart gehört mir heute nicht mehr. Er ist zu einem Symbol für Weißrussland geworden."
So wie Schukin zu einem Symbol der weißrussischen Opposition geworden ist. Bei fast jeder Aktion gegen die Lukaschenko-Regierung ist er dabei und meist einer der ersten, die verhaftet werden. Bei der letzten Präsidentschatswahl fingen Milzen ihn bereits auf dem Bahnhof ab. Bei der Wahl 2001 kam er für drei Monate in ein Gefängnis für Schwerverbrecher.
"Die Prozedur sah so aus, ich saß auf einem Stuhl, rechts und links standen kräftig gebaute Milizen mit Gummiknüppeln. Vor mir saß ein Gefangener mit dem Rasiermesser. Und hinter mir stand der Chef der Minsker Miliz."
Der sorgte persönlich dafür, dass der Bürgerrechtler rasiert wurde. Schukins blaue Augen blitzen. Der Bart ist wieder gewachsen, fast so prächtig wie vorher. Alexander Lukaschenko aber ist immer noch im Amt:
"Lukaschenko ist ein Diktator. Alles, was er vernichten wollte, hat er vernichtet: Die Parteien werden verboten, die Zeitungen werden geschlossen, die Unternehmer werden vertrieben, und so weiter."
Und darum wird er auch weiter auf die Straße gehen, mit zu Demonstrationen aufrufen. Vor dem Gefängnis hat er schon längst keine Angst mehr:
"Ich habe keine Angst, im Gefängnis zu landen. Im Gegenteil: Ich bin bereit, ins Gefängnis zu gehen, weil ich dort eine Aufgabe zu erledigen habe .Deswegen bin ich für die Mächtigen unbequem, man kann mich nicht einschüchtern."
Über seine Gefängnisaufenhalte schreibt er Artikel, deckt Missstände auf. Die werden in Oppositionszeitungen veröffentlicht, die in Russland gedruckt und in Weißrussland verkauft werden. Dass es in den Zellen mittlerweile eine Trennwand zwischen Toilette und Bett gibt, ist sein Verdienst, sagt er. Schukin lächelt, streicht sich durch den Bart.
"'"Ich bin Marineoffizier und die unterscheiden sich grundsätzlich von ihren Kameraden an Land: Sie geben nie auf, sie weichen nicht zurück. Sie kämpfen bis zur letzten Minute. Entweder sie gewinnen, oder sie gehen mit ihrem Schiff unter.""
Darum wird er weiter auf Oppositionskurs bleiben und am 25. März nach Minsk reisen, um am Unabhängigkeitstag auf der Straße für Demokratie in Weißrussland zu demonstrieren. Der alte Marine-Offizier lächelt, denn es wird wieder ein Wettrennen mit der Miliz werden, wie jedes Mal.
"Wir sind im Bermuda-Dreieck, wo man nicht weiß, was einen erwartet. Man kann durchkommen oder untergehen, da ist alles möglich, auch ein Wunder. So lange Lukaschenko aber an der Macht ist, wird es keine Fortschritte geben."
Programmtipp: "Revolution auf Eis - Weißrussland ein Jahr nach den Protesten", Deutschlandfunk, "Gesichter Europas", Samstag, 17. März, 11.05 bis 12.00 Uhr