Uli Blumenthal: In Neapel geht in diesen Minuten die Tagung der für Raumfahrt zuständigen Minister aus den Mitgliedsstaaten der Europäischen Weltraumorganisation ESA zu Ende. Nachdem es gestern noch handfesten Krach gegeben hatte und sogar ein Scheitern der Konferenz als möglich galt, hat es heute überraschende Einigungen gegeben. Vor Ort ist Dirk Lorenzen. Herr Lorenzen, worauf haben sich die Raumfahrtminister geeinigt?
Dirk Lorenzen: Das Wichtigste ist wohl, dass die ESA das Angebot der NASA annehmen wird, sich an Entwicklung und Bau des Orion-Raumschiffs zu beteiligen, eine Kapsel der Amerikaner. Europa wird dort Technologie seines Raumtransporters ATV einbringen und begleicht damit seinen Anteil an den Kosten der Internationalen Raumstation. Man zahlt der NASA also kein Geld, sondern man liefert Technologie made in Europe.
Blumenthal: Nach diesem ganzen Hin und Her heute Nacht und heute Vormittag: Wie bewerten Sie diese Entscheidung?
Lorenzen: Europa steigt mit dieser Entscheidung in die Entwicklung eines bemannten Raumfahrzeugs ein, das nach 2017 zur Raumstation fliegen soll, auch über die Erdumlaufbahn hinaus. Die Zusammenarbeit von ESA und NASA kommt damit auf eine qualitativ neue Ebene. Jetzt kommt es natürlich darauf an, wie sich die NASA verhält, ob sie im Moment wirklich nur aufgrund eigener Schwierigkeiten die ESA als Notnagel sieht oder ob die NASA selber wirklich auch an einer strategischen langfristigen Zusammenarbeit interessiert ist. Vor zehn Jahren ist die NASA schon einmal aus der gemeinsamen Entwicklung eines Rettungsbootes für die Raumstation sehr schnöde einseitig ausgestiegen. Sollte sich das diesmal nicht machen, sondern die Zusammenarbeit wirklich ernst meinen, dann könnte es sein, dass in der Rückschau dieser Tag und diese Entscheidung von Neapel als historisch gelten.
Blumenthal: Bei Europas Raumfahrt denkt man sofort an die Ariane. Auch deren Zukunft war heftig umstritten in den letzten zwei Tagen. Wie hat man sich dort geeinigt?
Lorenzen: Die bestehende Ariane 5 wird weiter entwickelt - man nennt das Midlife-Evolution. Das heißt, sie wird ein bisschen ausgerüstet, ein bisschen fitter gemacht. Sie soll dann künftig mehr Lasten tragen können, zwölf statt zehn Tonnen, sie soll verschiedene Umlaufbahnen während eines Fluges ansteuern kann, also ihr Triebwerk mehrfach zünden. Und ganz wichtig: Mit dieser Entwicklung verzichtet die Industrie dann auf weitere staatliche Subventionen, die derzeit ja noch für jeden Ariane-Start fließen. Zum anderen wird man eine Studie auflegen und untersuchen, ob es irgendwann eine Ariane 6 geben wird, eine komplette Neuentwicklung, die dann unter Umständen viel kleiner und flexibler ist als das, was man jetzt hat. Da kommt es darauf an, wie man die Marktchancen im nächsten Jahrzehnt einschätzt. Ganz wichtig aber: Die neue Oberstufe für die bestehende, weiter entwickelte Ariane 5, soll so flexibel gebaut werden - die wird von der deutschen Industrie bereitgestellt - , dass sie auch bei der Ariane 6 zum Einsatz käme.
Blumenthal: So richtig hart zu ging es zwischen Deutschland und Frankreich, hat man gehört. Wer hat sich durchgesetzt, wer hat den Ring als Sieger verlassen?
Lorenzen: Einhellige Meinung ist hier: Deutschland ist hier vordergründig Sieger. Aber eigentlich sind alle sehr erleichtert, dass dieses drohende Scheitern hier abgewendet werden konnte. Europa ist, das muss man wirklich sagen, in Zeiten, in denen die Rahmenbedingungen sehr schwierig sind, ein Wurf gelungen, den man kaum für möglich gehalten hätte. Große Verdienste haben die beiden vorsitzenden Nationen dieser Tagung sich errungen, das sind die Schweiz und Luxemburg. Die haben nachts in Pendeldiplomatie die vielen Kühe, wie es jemand nannte, ganze Kuhherden, vom Eis geholt, und sehr überraschend Großbritannien, das ja sonst bei Europa nicht immer an vorderster Front mitspielt, hat sich massiv zur ESA bekannt, wird seinen Beitrag bei der ESA um 25 Prozent erhöhen und hat zum Beispiel gerade bei der Zusammenarbeit mit der NASA gesagt, das sei eine Schlüsselinvestition für Europa, das müsse man unbedingt machen.
Blumenthal: Abschließende Frage: Welche anderen Programme hat man eigentlich verabschiedet und was ist aus dem Marsflug geworden?
Lorenzen: Der Marsflug, das ist das Interessante, spielte hier kaum eine Rolle. Diese Kuh hatte man schon am Montag vom Eis geholt, auf einer kleinen Arbeitstagung vorher ein Abkommen mit Russland unterzeichnet, das man diese ExoMars-Mission durchführen will. Allerdings ist etwas nebulös, wo da das Geld herkommen soll. Interessant ist vielleicht noch, dass man sich entschlossen hat, einen ganz neuen Satellitentyp zu bauen, der mit rein elektrischem Antrieb in der Umlaufbahn operieren soll. Das macht die ESA gemeinsam mit dem kommerzielle Unternehmen SES, das Kommunikationssatelliten betreibt. Mit dieser neuen Technologie würden Satelliten eineinhalb Tonnen leichter, könnten leichter starten und auch länger in der Umlaufbahn überleben. Hier sieht man wieder einmal: Die ESA ist ein wichtiger Technologietreiber, entwickelt immer wieder neue Raumfahrttechnik und ist insofern ihrem guten Ruf wieder gerecht geworden.
Blumenthal: Um welche Summen ging es bei den Diskussionen in Neapel?
Lorenzen: Die Mitgliedsstaaten der ESA haben hier etwas mehr als 10 Milliarden Euro für verschiedene Programme zugesagt. Manches läuft über zwei, manches über mehr Jahre. Insgesamt ist die Vorgabe, dass der Jahresetat der ESA gleich bleiben soll - auch nicht um die Inflation erhöht wird. Wie dann die Entscheidungen von heute wirklich im Alltag ankommen und wie gut sie umzusetzen sind, muss sich zeigen - ehrgeizig sind die Pläne allemal.
Dirk Lorenzen: Das Wichtigste ist wohl, dass die ESA das Angebot der NASA annehmen wird, sich an Entwicklung und Bau des Orion-Raumschiffs zu beteiligen, eine Kapsel der Amerikaner. Europa wird dort Technologie seines Raumtransporters ATV einbringen und begleicht damit seinen Anteil an den Kosten der Internationalen Raumstation. Man zahlt der NASA also kein Geld, sondern man liefert Technologie made in Europe.
Blumenthal: Nach diesem ganzen Hin und Her heute Nacht und heute Vormittag: Wie bewerten Sie diese Entscheidung?
Lorenzen: Europa steigt mit dieser Entscheidung in die Entwicklung eines bemannten Raumfahrzeugs ein, das nach 2017 zur Raumstation fliegen soll, auch über die Erdumlaufbahn hinaus. Die Zusammenarbeit von ESA und NASA kommt damit auf eine qualitativ neue Ebene. Jetzt kommt es natürlich darauf an, wie sich die NASA verhält, ob sie im Moment wirklich nur aufgrund eigener Schwierigkeiten die ESA als Notnagel sieht oder ob die NASA selber wirklich auch an einer strategischen langfristigen Zusammenarbeit interessiert ist. Vor zehn Jahren ist die NASA schon einmal aus der gemeinsamen Entwicklung eines Rettungsbootes für die Raumstation sehr schnöde einseitig ausgestiegen. Sollte sich das diesmal nicht machen, sondern die Zusammenarbeit wirklich ernst meinen, dann könnte es sein, dass in der Rückschau dieser Tag und diese Entscheidung von Neapel als historisch gelten.
Blumenthal: Bei Europas Raumfahrt denkt man sofort an die Ariane. Auch deren Zukunft war heftig umstritten in den letzten zwei Tagen. Wie hat man sich dort geeinigt?
Lorenzen: Die bestehende Ariane 5 wird weiter entwickelt - man nennt das Midlife-Evolution. Das heißt, sie wird ein bisschen ausgerüstet, ein bisschen fitter gemacht. Sie soll dann künftig mehr Lasten tragen können, zwölf statt zehn Tonnen, sie soll verschiedene Umlaufbahnen während eines Fluges ansteuern kann, also ihr Triebwerk mehrfach zünden. Und ganz wichtig: Mit dieser Entwicklung verzichtet die Industrie dann auf weitere staatliche Subventionen, die derzeit ja noch für jeden Ariane-Start fließen. Zum anderen wird man eine Studie auflegen und untersuchen, ob es irgendwann eine Ariane 6 geben wird, eine komplette Neuentwicklung, die dann unter Umständen viel kleiner und flexibler ist als das, was man jetzt hat. Da kommt es darauf an, wie man die Marktchancen im nächsten Jahrzehnt einschätzt. Ganz wichtig aber: Die neue Oberstufe für die bestehende, weiter entwickelte Ariane 5, soll so flexibel gebaut werden - die wird von der deutschen Industrie bereitgestellt - , dass sie auch bei der Ariane 6 zum Einsatz käme.
Blumenthal: So richtig hart zu ging es zwischen Deutschland und Frankreich, hat man gehört. Wer hat sich durchgesetzt, wer hat den Ring als Sieger verlassen?
Lorenzen: Einhellige Meinung ist hier: Deutschland ist hier vordergründig Sieger. Aber eigentlich sind alle sehr erleichtert, dass dieses drohende Scheitern hier abgewendet werden konnte. Europa ist, das muss man wirklich sagen, in Zeiten, in denen die Rahmenbedingungen sehr schwierig sind, ein Wurf gelungen, den man kaum für möglich gehalten hätte. Große Verdienste haben die beiden vorsitzenden Nationen dieser Tagung sich errungen, das sind die Schweiz und Luxemburg. Die haben nachts in Pendeldiplomatie die vielen Kühe, wie es jemand nannte, ganze Kuhherden, vom Eis geholt, und sehr überraschend Großbritannien, das ja sonst bei Europa nicht immer an vorderster Front mitspielt, hat sich massiv zur ESA bekannt, wird seinen Beitrag bei der ESA um 25 Prozent erhöhen und hat zum Beispiel gerade bei der Zusammenarbeit mit der NASA gesagt, das sei eine Schlüsselinvestition für Europa, das müsse man unbedingt machen.
Blumenthal: Abschließende Frage: Welche anderen Programme hat man eigentlich verabschiedet und was ist aus dem Marsflug geworden?
Lorenzen: Der Marsflug, das ist das Interessante, spielte hier kaum eine Rolle. Diese Kuh hatte man schon am Montag vom Eis geholt, auf einer kleinen Arbeitstagung vorher ein Abkommen mit Russland unterzeichnet, das man diese ExoMars-Mission durchführen will. Allerdings ist etwas nebulös, wo da das Geld herkommen soll. Interessant ist vielleicht noch, dass man sich entschlossen hat, einen ganz neuen Satellitentyp zu bauen, der mit rein elektrischem Antrieb in der Umlaufbahn operieren soll. Das macht die ESA gemeinsam mit dem kommerzielle Unternehmen SES, das Kommunikationssatelliten betreibt. Mit dieser neuen Technologie würden Satelliten eineinhalb Tonnen leichter, könnten leichter starten und auch länger in der Umlaufbahn überleben. Hier sieht man wieder einmal: Die ESA ist ein wichtiger Technologietreiber, entwickelt immer wieder neue Raumfahrttechnik und ist insofern ihrem guten Ruf wieder gerecht geworden.
Blumenthal: Um welche Summen ging es bei den Diskussionen in Neapel?
Lorenzen: Die Mitgliedsstaaten der ESA haben hier etwas mehr als 10 Milliarden Euro für verschiedene Programme zugesagt. Manches läuft über zwei, manches über mehr Jahre. Insgesamt ist die Vorgabe, dass der Jahresetat der ESA gleich bleiben soll - auch nicht um die Inflation erhöht wird. Wie dann die Entscheidungen von heute wirklich im Alltag ankommen und wie gut sie umzusetzen sind, muss sich zeigen - ehrgeizig sind die Pläne allemal.