März 2016, Sonderausschuss des Europaparlaments zu Steuervermeidung und Steuerflucht. Rob Gray, Direktor für Internationale Steuerpolitik der Kanalinsel Guernsey, beschreibt, was wie Traum eines jeden Firmenchefs klingt: Auf Guernsey liegt der Steuersatz für Unternehmen bei:
"Null Prozent". Nur bei bestimmten Finanzgeschäften fallen zehn Prozent Steuern an. Ganz legal, so Gray.
"Guernseys Unternehmensbesteuerung entspricht internationalen Regeln, ist nachhaltig, wettbewerbsfähig, schützt die Wirtschaft der Insel und die Steuerneutralität."
Denn die null Prozent gelten ja für alle Menschen auf der Insel, einheimische und Ausländer, niemand werde diskriminiert.
Sprungbrett für Investoren
Genauso stellt es auch Colin Powell für Jersey dar: ein Unternehmenssteuersatz von null Prozent, sagt Powell, der dieses System auf der Insel in den 70er-Jahren selbst etabliert hat.
Überhaupt sei Jersey ja eher so etwas wie ein Sprungbrett für Investoren, die ihr Geld in der EU anlegen und vermehren wollen. Und da müsse es dann natürlich auch versteuert werden, so Powell. Man sei stets bereit, alle nötigen Informationen zur Verfügung zu stellen, damit das auch passiert. Aber:
"Jedes Land hat das Recht, seine eigene Steuerpolitik zu machen. Aber jedes Land sollte sich auch an internationale Vereinbarungen zu fairem Steuerwettbewerb halten, basierend auf Transparenz und Informationsaustausch."
Was der zuständige Steuerexperte der EU-Kommission beiden Inseln dann auch bescheinigt: Guernsey und Jersey würden Bankdaten automatisch teilen, sagt er, so wie es auf Ebene der OECD vereinbart wurde. Und in die steuerpolitischen Diskussionen der EU-Länder seien sie immer miteingebunden gewesen.
"Wir haben uns angeschaut, ob ihre Unternehmensbesteuerung den Kriterien der guten Regierungsführung entsprechen. Und das jedes Mal überprüft, wenn sich Gesetze geändert haben."
Sprich: In der EU weiß jedes Mitgliedsland, wie niedrig Guernsey und Jersey besteuern, seit Jahren. Unterbunden wurde das nie.
Man sei zwar nicht in der EU, aber ihre "guten Nachbarn", sagen beide Insel-Vertreter.
Niedrigsteuerpolitik als ökonomische Philosophie
Der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold sieht das anders.
"Halten Sie es für gute Nachbarschaft, wenn sie die in der EU üblichen Mindeststeuersätze noch unterwandern, wenn sie den Steuerwettbewerb auf null runterdrücken?"
Grünenpolitiker Giegold merkt noch an, dass das Transparenzregister für Firmeneigner, das Jersey oft hervorhebt, gar nicht öffentlich einsehbar sei. Jersey-Vertreter Colin Powell erwidert trocken: Stimmt. Die Register in der EU seien es aber auch nicht.
"Und gute Nachbarn orientieren sich an ihren Nachbarn", so Powell. Am Ende der zweistündigen Befragung im EU-Parlament bleibt vor allem eine Erkenntnis: Mit dem Image, Steueroase zu sein, kommen Guernsey und Jersey klar. Für sie zählt etwas anderes: Niedrigsteuerpolitik als ökonomische Philosophie. Und so lange das legal bleibt, bleibt alles beim Alten.