"Immer wieder sind Multi-Sport-Events was Besonderes für die Athleten, weil sie nicht nur alle vier Jahre im Fokus der breiteren Öffentlichkeit stehen, sondern eben auch das Jahr zuvor. Die Zuschauer können sich schon mal die Gesichter merken, die dann bei Olympia um die Medaillen kämpfen", erklärt Sabine Krapf, Leiterin Games Management beim Deutschen Olympischen Sportbund.
Ungeteilt ist diese Begeisterung für die Europaspiele aber nicht. In der Branche wird die Veranstaltung kritisch gesehen. Ed Hula, Gründer und Chef des Olympia-Branchendienstes "Around The Rings" glaubt, das Event brauche zehn bis 15 Jahre, um sich zu etablieren. Denn die Spiele seien aus der Not geboren: "Europa ist ein schwieriger Markt, um eine Nische für ein neues Sportevent zu finden. Und das Europäische Olympische Komitee musste versuchen, ein neues Event zu entwickeln. Es ist wichtig für das Wachstum des Sports innerhalb des EOC, denn sie haben nichts anderes."
Es übertragen meist nur Spartensender
Bisher fehlt jedoch die Akzeptanz bei den Sponsoren und in den Medien. Insgesamt übertragen 43 Länder live. In Ländern ohne TV-Rechte zeigt der "Olympic Channel" Bilder aus Minsk. Aber die Lizenzen liegen meist bei auf Sport spezialisierten Sendern. In Deutschland ist es "Sport 1". Der Spartensender geht mit großem Engagement an die Sache, zeigt 94 Stunden live aus Weißrussland. In einem Trailer heißt es: "Der Heldensommer beim Sportspektakel des Jahres. Es ist in diesem Jahr einer der Höhepunkte. Medaillen anvisieren, Rekorde pulverisieren. Es ist wie das Olympia für Europa. Ein Festival des Sports."
Daniel von Busse, Mitglied der Geschäftsleitung sagt: "Das sind für uns die Olympischen Spiele, die wir auf Sport 1 veranstalten. Das ist insgesamt eingebunden in unseren Heldensommer, das heißt, es sind auch noch flankierende Veranstaltungen. Wir werden die U21-EM haben, wir haben ein attraktives Golfturnier aus München, das heißt, wir erwarten viel, viel Reichweite."
Die EBU boykottiert die Spiele
Reichweite ist aber relativ. Für seine Verhältnisse wird der Spartensender gute Werte erzielen, bei der Premiere der Europaspiele 2015 in Baku waren die Verantwortlichen in München zufrieden. Aber bei Olympia beispielsweise geht es auch nicht ohne die öffentlich-rechtlichen Sender, um die Rechteinhaber zufriedenzustellen.
So hat selbst der Branchenriese Discorvery, mit seinem deutschen Kanal Eurosport, ARD und ZDF für die Olympischen Spiele unterlizenziert, um Reichweitendiskussionen zu vermeiden. Die European Games werden aber nicht im Öffentlich-Rechtlichen zu sehen sein, die Europäische Rundfunk-Union EBU boykottiert die Veranstaltung. Stattdessen unterstützt sie die European Championships, die gemeinsame Austragung der Europameisterschaften in den wichtigsten Sportarten – ein Event, das im vergangenen Sommer in Glasgow und Berlin Premiere feierte. Aufgrund der schwierigen Lage sagt Branchenexperte Ed Hula: "In dieser Situation müssen die Organisatoren einen Broadcaster bezahlen, der das Signal über den ganzen Kontinent verbreitet."
Die derzeitige mediale Verbreitung wirkt sich auch auf die Vermarktung aus. 2015, bei den ersten European Games in Baku, pumpte noch Staatspräsident Ilham Alijew über eine Milliarde Euro in die Spiele. In Minsk wird jetzt der Mangel internationaler Sponsoren als neues Konzept verkauft. Statt eines großen globalen Sponsors wird jeder als Sponsor zugelassen. Unter den vielen nationalen Förderern sind unter anderem drei konkurrierende Telekommunikationsunternehmen und zwei Banken.
Europaweite Sponsoren sind notwendig
Keine Rede von der sonst üblichen Branchenexklusivität bei Großereignissen. Für die Zukunft ist das auch kein Konzept, meint Ed Hula: "Wenn die European Games wachsen und in Europa an Bedeutung gewinnen wollen, muss das EOC einen oder zwei europaweite Sponsoren finden. Man benötigt ein Unternehmen, das die Spiele auf dem ganzen Kontinent promotet."
Das Problem hängt auch mit den Gastgeberländern zusammen. Nach Baku in Aserbeidschan finden die European Games jetzt im weißrussischen Minsk statt. Aber nur, weil der ursprüngliche Bewerber, die Niederlande, aus Kostengründen zurückzog. Eine Folge: Das Sportprogramm musste von 20 auf 15 Sportarten reduziert werden.
Westeuropäische Länder sind desinteressiert
Für den Briten Simon Clegg, Chef-Organisator in Baku und Berater in Minsk, gehört das zum Konzept: "Für die European Games müssen keine neuen Sportstätten gebaut werden. Deshalb muss mit den Gastgeberstädten ein flexibles Sportprogramm erarbeitet werden, welche Sportarten möglich sind. Dazu müssen die Erwartungen an die Zuschauerkapazität angepasst werden. Das Europäische Olympische Komitee muss diesen flexiblen Ansatz haben, damit die Spiele eine sichere Zukunft haben."
Aber auch das mangelnde Interesse westeuropäischer Nationen, die Europaspiele auszurichten, erschwert die Vermarktung. Erst Baku, jetzt Minsk. Und für 2023 stehen lediglich das polnische Krakau und das russische Kazan zur Wahl. Dabei war Krakau nur Polens zweite Wahl, das ursprünglich nominierte Kattowitz zog aus Kostengründen zurück. Ed Hula: "Es macht es schwierig, die European Games nach vorne zu bringen, wenn es immer Diskussionen um Menschenrechte und wirtschaftliche Probleme im Gastgeberland gibt. Auch die kommerzielle Entwicklung bleibt schwierig, wenn die Spiele nur in Osteuropa stattfinden."
Ein Retter aus Westeuropa ist nicht in Sicht. Das EOC hat die Bewerbungsfrist schon zwei Mal verlängert, aber ein Interessent aus dem Westen ist bis zum 31. Mai nicht in Sicht.