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Europawahl
Die Angst vor dem Rechtsruck

EU-Feinde aus Großbritannien, Rechtspopulisten aus Frankreich, Rassisten aus Ungarn: Dem EU-Parlament droht nach der Wahl ein Rechtsruck. Doch die Parteien am rechten Rand sind so unterschiedlich und zerstritten, dass sie sich wohl gegenseitig blockieren werden.

Von Annette Riedel |
    Vor dem Europäischen Parlament in Brüssel ist an diesem Mittag ein gutes Dutzend Kandidaten der Jungen Grünen für die Europawahl zusammen gekommen. Aus Österreich, aus Belgien, Deutschland, Polen, den Niederlanden.
    Sie tragen Papiermasken mit den Gesichtern jener Rechtspopulisten und EU-Gegner, die bei den Wahlen Ende Mai ins Europäische Parlament drängen, um die EU sozusagen aus ihrem Inneren heraus zu bekämpfen.
    Geert Wilders und Marine Le Pen, die beiden charismatischen Köpfe der extrem rechten „Partei für die Freiheit", PVV, in den Niederlanden, bzw. des Front National in Frankreich und weitere EU-Gegner finden in der Aktion der Jungen Grünen ein klägliches Ende. Die Papier-Masken mit deren Abbildern landen auf dem Boden, werden zu Papierhäufchen zusammengetreten.
    In der Realität sieht es anders aus. Es zeichnet sich ab, dass EU-skeptische Parteien jeglicher Couleur an Stimmen gewinnen – und damit an Einfluss im EU-Parlament. Je nachdem, wie viele Wähler die Parteien der überzeugten Europäer und die der EU-Skeptiker jeweils mobilisieren, könnten sie zwischen 125 und 200 Sitze im neuen EU-Parlament einfahren. Das wären im Extremfall über ein Viertel der insgesamt 751 Sitze. Das verspricht nichts Gutes für die Arbeit im neuen EU-Parlament, findet der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul.
    Ist die Angst vor den Rechtspopulisten übertrieben?
    „Je mehr Menschen im Europäischen Parlament sind, die nur dagegen sind, uns aber nicht dabei helfen die Probleme zu lösen, desto weniger kommen wir auch voran. Ich glaube aber auch umgekehrt, dass wir vielleicht auch im Moment übertriebene Sorgen haben vor den Mengen, die da auf uns zurollen."
    Professor Cas Mudde, Extremismus-Forscher an der Universität Georgia, hält den Extremfall von mehr als einem Viertel EU-Skeptikern und –Gegnern im nächsten Parlament nicht für das realistischste Szenario. Er rät insgesamt, wie Herbert Reul, zu mehr Unaufgeregtheit.
    „125 Sitze entsprächen etwa einem Sechstel der Sitze im Parlament. Das bedeutet immer noch, dass fünf Sechstel keine EU-Skeptiker sind. Der Punkt ist, dass Politiker und Medien sowohl die Bedrohung durch die extremen Rechten als auch ihre Erfolge übertrieben darstellen. Der Wahlkampf für die Europawahlen ist so stark zu einem Ringen zwischen der europäischen Elite und irgendeiner mythischen Herausforderung der Anti-Europäer geworden."
    EU-Skeptiker scheuen die Rechtsaußen-Fraktion
    Es ist nicht ganz leicht, trennscharf zu unterscheiden zwischen populistischen EU-Gegnern und der extremen Rechten – zumal es eine erhebliche Schnittmenge gibt. Gegen die europäische Integration sind sie allesamt, im Kern unterschiedlich ausgeprägt nationalistisch, teilweise für einen Austritt aus dem Euro oder gleich ganz aus der EU. Aber nicht alle Anti-EU-Populisten hängen rechtsextremem Gedankengut an.
    Die britische United Kingdom Independence Party, UKIP, von Nigel Farage, der selbst von der europäischen politischen Bühne auf die britische wechseln wird und nicht wieder für das EU-Parlament kandidiert – er und seine UKIP und auch die Alternative für Deutschland wollen nicht mit den extremen Rechten in einen Topf geworfen werden, auch wenn sie ähnlich deutlich gegen die EU agitieren. Dessen unbenommen frohlockt etwa Farage seit Monaten, dass die Zahl der „Antis" wachsen dürfte. In welchem Umfang auch immer. „Im Mai haben die Wähler das Wort. Es wird einen radikalen Wandel geben im Parlament, ein regelrechtes Erdbeben."
    UKIP-Chef Nigel Farage
    Will nicht mit Rechtsextremen in eine Fraktion: UKIP-Chef Nigel Farage (AFP / Leon Neal)
    Aber, wenn sie auch frohlocken, dass die EU-Skeptiker im neuen EU-Parlament gestärkt sein dürften, wollen viele von ihnen keinesfalls der gemeinsamen Rechtsaußen-Fraktion angehören, die Geert Wilders und Marine Le Pen in der neuen Legislaturperiode anstreben.
    "Populisten muss Europa aushalten"
    Treffen mit dem grünen Europaparlamentarier Jan-Philipp Albrecht in seinem kleinen Abgeordneten Büro, das er sich mit einer Mitarbeiterin teilt. Albrecht hat vor einigen Jahren eine Broschüre herausgegen, die „Europa Rechtsaußen" heißt. Kürzlich ist eine Neuauflage erschienen. Albrecht zählt darin 34 extrem Rechte Gruppierungen aus 12 EU-Ländern auf, die schon heute im EU-Parlament Sitz und Stimme haben. Sie alle geben sich in Wort und Schrift mehr oder weniger offen anti-demokratisch, rassistisch – extrem rechts eben. Sie stehen damit am Rand oder sogar außerhalb des demokratischen Spektrums. Das gilt jedoch nicht für alle Anti-EU-Populisten. Und diese, die nicht extrem rechten ‚Antis' – die muss Europa aushalten können, meint der Grüne.
    „Ich denke, dass wir aushalten müssen, dass es Kritik gibt an der Europäischen Union und dass es auch Menschen gibt, die im Grunde genommen lieber wieder zurück wollen in den Nationalstaat. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass die Parteien, die sehr rechtspopulistisch auftreten, natürlich auch eine Gefahr darstellen können, wenn sie hier in Brüssel und Straßburg hetzen."
    Und genau darin sieht auch der Fraktionsvorsitzende der Sozialisten und Sozialdemokarten im EU-Parament, Hannes Swoboda, eine Gefahr. Zumal, wenn die Zahl derjenigen wächst, die an konstruktiver Arbeit nicht interessiert sind – ungeachtet ihrer politischen Verortung. „Wir haben jetzt schon viele Abgeordnete, die eigentlich den demokratischen Prozess ins Lächerliche ziehen, die nicht wollen, dass wir demokratische Entscheidungen treffen, sondern, die einfach ein politisches Spiel betreiben."
    Klamauk und Arbeitsverweigerung
    Ein Phänomen, das auch Herbert Reul, Vorsitzender der CDU-CSU-Abgeordneten im EU-Parlament, immer wieder beobachtet. „Wenn man hier ist, um dagegen zu sein – was bewirkt man denn dann? Gar nichts, da blockiert man nur. Wenn sie sich mal die Nationalisten aus Frankreich angucken – die stellen keinen Antrag, die machen gar nichts, die fallen aus, die verweigern ihre Arbeit. Oder aber konzentrieren sich auf Klamauk oder öffentliche Gegenwehr."
    Diese Abgeordneten arbeiteten nicht wirklich im Gesetzgebungsverfahren mit, sagt auch der liberale Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. „Sie nutzen das Europaparlament als Bühne für ihre eigenen antisemitischen, anti-islamischen, antieuropäischen Ausfälle. Die Politik hier im Europäischen Parlament wird von den demokratischen Parteien gemacht, die auch die weitaus größte Mehrheit hier in diesem Haus stellen."
    Das mag wohl so sein. Sollte es den rechten EU-Gegnern aber gelingen, eine Fraktion zu bilden, würde ihr Einfluss auf die Arbeit im Europäischen Parlament allerdings erheblich wachsen. Einer Fraktion steht mehr Redezeit zu, mehr Personal und Mitsprache bei der Festlegung der Tagesordnung vor jeder Sitzungswoche des Plenums. Ihr stehen mehr finanzielle Mittel, mehr Mitarbeiter, der Vorsitz in einem oder mehreren Ausschüssen genauso zu wie mehr Mitsprache bei der Frage, welche Parlamentarier weltweit die Kontakte zu anderen Parlamenten pflegen.
    „Zum Beispiel in meiner Delegation zu Israel sitzt der Morton Messerschmidt aus Dänemark, der also bekannter Neonazi ist – das ist schon eine seltsame Geschichte." Eine Geschichte von der Art, wie sie Abgeordneten wie Jan-Philipp Albrecht künftig häufiger passieren könnte. Es gibt im aktuellen EU-Parlament eine rechtspopulistische Fraktion, der auch die britische UKIP angehört, die über 31 Mandate verfügt – und damit sechs mehr als zur Fraktionsgründung nötig. Daneben gibt es eine Reihe von Abgeordneten, die noch einmal rechts davon stehen, die selbst diese Fraktion nicht in ihren Reihen wünscht: Abgeordnete des französischen Front National, der österreichischen FPÖ, der niederländischen PVV, der italienischen Lega Nord und vom belgischen Vlaams Belang. Sie alle sind unabhängig – und damit in ihrem Einfluss auf die Parlamentsarbeit relativ beschränkt. Da ist es nur logisch, dass Marine Le Pen und Geert Wilders alle diese und noch einige andere im neuen EU-Parlament zu einer eigenen Fraktion zusammenbinden möchten.
    „Sie kommen leicht auf mehr als die dafür notwendigen 25 Sitze. Es müssen sich aber für eine Fraktion Abgeordnete aus sieben Ländern zusammenfinden. Das wird enorm schwer", glaubt Professor Cas Mudde. Denn er unterstellt wohl zu Recht, dass es dazu eines Mindestmaßes an transnationalem Denken, eines Ansatzes einer gemeinsamen politischen Agenda bedarf, jenseits der Tatsache, dass man gegen das Zusammenwachsen Europas, gegen Vielfalt ist. Genau daran, an nationalen Egoismen, ist schon einmal, 2007, nach wenigen Monaten der Versuch gescheitert, eine Fraktion der Nationalisten und Ultrarechten im Europäischen Parlament zu etablieren, die sich den Namen „Identität, Tradition, Souveränität" gegeben hatte.
    Aber die extremen Rechten haben hinzugelernt. Sie haben begriffen, dass auch sie sich vernetzen müssen, wenn sie in Europa an Einfluss gewinnen wollen.
    Nationalisten mit Vernetzungsproblemen
    „Sie wissen, dass sie letztendlich nur gemeinsam erfolgreich sein können in Europa. Da muss dann eben auch ein Nationalist mal sich über die Grenzen hinweg vernetzen." Und deshalb glaubt – und fürchtet – der Journalist und Publizist Andreas Speit, der seit über 20 Jahren in der rechtsextremen Szene recherchiert, dass einige Parteien allein aus strategischen Gründen dennoch kooperieren könnten. Und sei es nur für begrenzte Zeit. „Unsere These ist, dass sie können – aus vier Gründen, die wir kurz nennen: die „vier Neins": Das eine Nein, was sie alle eint, ist gegen die Europäische Union. Das zweite Nein, das sie eint, ist gegen eine multikulturelle, plurale Gesellschaft. Das dritte Nein: gegen die Einwanderung in die Sozialsysteme und das vierte Nein: gegen die Islamisierung Europas."
    Vier Neins, mit denen sich vermutlich auch der Flame Philipp Claeys identifizieren würde. Philipp Claeys ist es sichtlich peinlich, dass er sich verspätet hat, zum verabredeten Interview in seinem kleinen Büro, etwas ab vom Schuss im Europäischen Parlament in Straßburg. Der große, schlanke Mann hat einen Studienabschluss in Marketing und ist ausgebildeter Übersetzer. Der Belgier spricht flämisch, fließend französisch und englisch und auch ein wenig deutsch.
    Philipp Claeys ist Europa-Abgeordneter einer extrem rechten, nationalistischen Partei aus dem flämischen Teil Belgiens, dem Vlaams Belang – die Nachfolgepartei des Vlaams Blok. Der hatte sich 2004 aufgelöst, in Erwartung eines Gerichtsurteils wegen offener Ausländerfeindlichkeit, das die Finanzierung der Partei hätte gefährden können. Das Parteimotto blieb das gleiche: „Das eigene Volk zuerst".
    Dass er in den letzten fünf Jahren fraktionslos war, lag nicht in seinem Interesse – man wollte ihn bei den Rechtspopulisten rund um die britischen EU-Skeptiker der UKIP nicht, sagt Philip Claeys.
    „Die Zusammenarbeit kam nicht zustande, weil einige in der Fraktion das nicht wollten. Das ist immer ein Problem auf der rechten Seite des politischen Spektrums, dass manche Parteien nicht mit anderen zusammenarbeiten wollen. Das ist ärgerlich, denn wir sollten uns zusammentun, um im EU-Parlament effektiver und stärker sein zu können. Denn als Fraktionsloser hat man große Nachteile."
    Und weil das so ist, setzt Claeys ganz darauf, dass Le Pens Front National und Wilders PVV es nach den Europawahlen schaffen werden, eine Fraktion zu schmieden. Der Vlaams Belang wäre mit Sicherheit dabei. Fehlen aber noch weitere Parteien aus mindestens vier anderen EU-Ländern. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir diese Fraktion bilden können – wenn nicht jetzt, dann schaffen wir es nie. Wir haben die besten Voraussetzungen. Wir sehen an den Meinungsumfragen in großen EU-Ländern, dass die Unterstützung für uns und die Parteien, die für unsere Ideen kämpfen, zunimmt. Nicht nur sind die Chancen jetzt da – es gibt auch eine große Bereitschaft unter diesen Parteien mit vereinten Kräften zusammenzuarbeiten."
    Belgien – abgesehen davon, dass der belgische Nationalstaat nach Meinung des Vlaams Belang aufgelöst gehört – Belgien müsse aus dieser EU austreten. „Ich glaube alle Länder sollten aus der EU austreten. Wir sollten uns zusammensetzen und etwas Neues kreieren. Die europäische Integration ist zu weit gegangen. Wir sollten an dem festhalten, was tatsächlich erfolgreich ist, am Binnenmarkt. Wir sollten zusammenarbeiten als unabhängige, souveräne Nationalstaaten, die sich bei Bedarf zusammentun."
    In Brüssel zahm – zuhause offen ausländerfeindlich
    So weit, so vielleicht nicht jedermanns Sache, aber, im Rahmen des demokratischen Spektrums vollkommen akzeptabel, nicht offen rechtsextrem. Und auch bei einem der Hauptthemen der Rechten im EU-Parlament hält sich Claeys im Interview zurück, nämlich wenn es um die vermeintliche Bedrohung durch Einwanderer geht: „Es ist wichtig, dass wir unsere Grenzen kontrollieren. Die EU ist unglücklicherweise statt Teil der Lösung zu sein, zu einem Teil des Problems geworden. Die gemeinsame Asylpolitik ist sogar noch laxer als die der einzelnen Mitgliedsstaaten."
    Bei einem von Claeys' Redebeiträgen im EU-Parlament zum Thema Migration, die der Grüne Jan-Philipp Albrecht in der von ihm herausgegebenen Broschüre „Europa Rechtsaußen" dokumentiert, klingt das anders. „So sehen wir zum Beispiel die Rückkehr der Tuberkulose, eine Krankheit, die bis vor kurzem aus Europa völlig, oder nahezu völlig, verschwunden war, und die derzeit durch die Masseneinwanderung wieder importiert wird. Hier ist daher auch dringendes Handeln erforderlich [...] Natürlich ist es von größter Bedeutung, dass der Gesundheitspolitik Vorrang vor politischer Korrektheit eingeräumt wird."
    Diese Art offen ausländerfeindlicher Äußerungen ist allerdings in der Parlamentsöffentlichkeit eher selten, räumt Jan-Philipp Albrecht ein. „Viele der rechtsextremen Abgeordneten geben sich gegenüber den Kollegen hier im Europäischen Parlament ganz integer. Wenn es hingegen dann um ein Radiointerview in ihrem eigenen Land geht, sagen sie Sachen, die wir uns überhaupt nicht vorstellen können. Ein britischer Abgeordneter hat mal gesagt, die Flüchtlinge im Mittelmeer, die soll man doch einfach versenken, damit die nicht nach Europa kommen."
    Von jemandem wie Marine le Pen wird man so etwas nicht hören – sie verfolgt die Strategie, ihren Rechtspopulismus zumindest in der allgemeinen Öffentlichkeit nicht so weit zu treiben, dass er als Rechtsextremismus identifiziert oder – nach Marine Le Pens Lesart – diffamiert wird: „Ich lehne die Bezeichnung ‚Extreme Rechte' in aller Form ab! Wir sind keineswegs rechts von den Rechten. So nennen uns lediglich gezielt unsere politischen Gegner, um all jene zu diffamieren, zu kriminalisieren, die nicht ihrer Meinung sind."
    Marine Le Pen selbst lässt sich bei ihren Pressekonferenzen im europäischen Parlament, in dem sie ja schon jetzt Sitz und Stimme hat, deshalb verbal kaum etwas zu Schulden kommen, was offen rassistisch oder anti-demokratisch wäre. Sie will, dass ihr Front National nicht nur für den rechten Rand wählbar ist. Die Ergebnisse der Kommunalwahlen in Frankreich und jüngster Umfragen, die ihr bescheinigen, bei den Europawahlen vielleicht sogar stärkste Kraft in Frankreich zu werden, zeigen, dass die Strategie aufgeht.
    Ihr niederländischer Kollege, Geert Wilders, wenngleich bei ihm häufiger verbal der extrem rechte Wolf aus dem populistischen Schafspelz herauskommt, kann ebenfalls darauf setzen, dass seine PVV einige Sitze im EU-Parlament bekommt. Bei einer Veranstaltung in Deutschland gibt Wilders den „sauberen" Patrioten. "Wir müssen alle für das Überleben unserer Nationalstaaten einstehen. Patriotismus wird oft als Faschismus gebrandmarkt. Aber Patriotismus ist kein Faschismus – im Gegenteil! Jeder Demokrat muss per Definition ein Patriot sein."
    Hannes Swoboda, Fraktionschef der europäischen Sozialisten und Sozialdemokraten
    Warnt vor Kungeleien einer Großen Koalition: Hannes Swoboda, Fraktionschef der Sozialdemokraten (picture alliance / dpa)
    Eine Konferenz der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema „Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa", vor ein paar Wochen. Nichtregierungsorganisationen aus verschiedenen EU-Ländern stellen ihre Arbeit gegen den rechten Rand der Gesellschaft an der Basis vor. Aufklärung und Lobbying gegen antidemokratisches Denken, Unterstützung für diejenigen, die darunter zu leiden haben – das sind die Ansätze.
    Rechtspopulisten verändern die Brüsseler Agenda
    Experten referieren zum Thema, unter ihnen Sarah DeLange aus den Niederlanden. Sie ist der Ansicht, dass sich unter dem Einfluss der erstarkenden Rechtsextremen und Rechtspopulisten die politische Agenda vieler konservativer Parteien und Parteien der Mitte in Europa verändert. Und so werden die Rechten, unabhängig davon, wie stark sie am Ende im Parlament vertreten sein werden, den Diskurs im Europaparlament beeinflussen, glaubt die Politologin an der Universität Amsterdam:
    „Wir werden erleben, dass die etablierten Parteien mehr über Themen diskutieren, die rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien wichtig sind, dass beispielsweise mehr über Migration und Integration diskutiert wird. Und wir werden mehr Debatten bekommen über die Zukunft Europas, wie weit die Integration vorangetrieben werden soll – bei der Finanzpolitik, bei der Sozialpolitik." Entsprechendes hat man schon erleben können, in den politischen Debatten zum Thema Europa auf den jeweiligen nationalen Bühnen, in Großbritannien, in den Niederlanden, auch in Deutschland.
    Wahrscheinlich ist jedenfalls, dass im kommenden EU-Parlament die beiden großen Parteien-Familien – die Konservativen einerseits und die Sozialdemokraten andererseits – näher aneinander rücken werden. Vielleicht auch müssen, sollten die Ränder, vor allem der rechte Rand, tatsächlich erstarken können. Allerdings könnte das Zusammenrücken der Parteien der Mitte zu einer de facto Großen Koalition durchaus unerwünschte Nebenwirkungen haben, die nicht nur der Grüne Abgeordnete Albrecht befürchtet, sondern auch sein sozialdemokratischer Kollege Hannes Swoboda.
    „Wir sollten den Extremisten links und rechts und den Populisten nicht den Gefallen tun, dass wir uns da als ein Klüngel der Bürokratie und der Elite und der, die da oben über die da unten herrschen, darstellen."
    Ganz unabhängig davon, wie viele aus dem rechtspopulistischen und rechtsextremen Spektrum am Ende im Parlament sitzen werden - einfacher wird die Arbeit in der kommenden Legislaturperiode nicht.