Europawahl
Mit Matterhorn gegen "Masseneinwanderung"

Unter dem Motto "Vorbild Schweiz" fordert die NPD vor einem Alpenpanorama mit Matterhorn auf ihren Plakaten zur Europawahl "Volksabstimmung jetzt!" und "Masseneinwanderung stoppen!". Dass die Rechten die Berge für ihre Kampagne missbrauchen, stößt in der Schweiz auf Unmut.

Von Stefanie Müller-Frank |
    Durch die Gassen der Berner Altstadt, über den Markt und unter den charakteristischen Laubengängen entlang, erreicht man den Platz vor dem Bundeshaus: Studenten und Tauben sitzen hier gemeinsam auf dem Boden, Abgeordnete schlendern aus dem Parlamentsgebäude, um im Café nebenan einen Espresso zu trinken. Von der Terrasse aus reicht der Blick bis zu den schneebedeckten Bergen.
    Kein Wunder, dass eine solche Kulisse für so manche Werbekampagne herhalten muss. Da sind die Schweizer einiges gewohnt. Dass die NPD mit dem Matterhorn gegen Einwanderung wirbt, habe die Schweizer aber dann doch getroffen, sagt Nationalrat Andreas Groß:
    "Es tut einem weh. Man fühlt sich missverstanden und missbraucht. Es ist eine totale Ironie, dass eine fremdenfeindliche Partei die Seele eines anderen Landes aufs eigene Plakat bringt. Weil es stimmt schon leider wiederum, dass für viele Schweizer die Berge die Seele sind. Und das Matterhorn ist der absolute Welthit eines Berges, oder?"
    Andreas Groß setzt sich seit Jahrzehnten für mehr direkte Demokratie ein. Nur dumme Menschen hielten andere für noch dümmer, zitiert er seinen Vater. Seit der knappen Mehrheit für den Einwanderungsstopp am 9. Februar muss sich der Nationalrat aber selbst unter Parlamentskollegen für seine Position rechtfertigen. Die NPD-Wahlplakate sind da natürlich Wasser auf die Mühlen seiner Gegner, weil sie Volksabstimmungen mit rechten Positionen gleichsetzen. Und doch kann der 62-Jährige den Plakaten etwas Gutes abgewinnen:
    "Der Punkt ist ja, dass überhaupt transnational Werbung gemacht wird. Das bringt ja zum Ausdruck, dass die Probleme viel ähnlicher sind als die Schweizer sich bewusst sind."
    Angst vor Imageschaden
    Der Schweizer Tourismus-Verband dagegen befürchtet, dass die NPD-Wahlplakate dem Image der Schweiz schaden und deutsche Feriengäste abschrecken könnten. Schon nach der Volksabstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative seien bei ihnen viele wütende Mails eingegangen von Urlaubern, die sich nicht mehr willkommen fühlten, erzählt Direktorin Barbara Gisi. Sie ärgert es vor allem, dass eine rechtsextreme Partei die positiv konnotierten Schweizer Berge für ihre eigenen Zwecke missbrauche – auch wenn sich das nicht verbieten lasse. Die Alpen sind schließlich keine geschützte Marke.
    "Wir werben damit. "
    "Auch weiterhin?"
    "Ja, sicher. Also wir lassen uns so etwas über Jahrmillionen Gewachsenes nicht von einer kurzen Zeiterscheinung kaputtmachen."
    Zumal das Matterhorn eigentlich schwer für nationalistische Zwecke zu instrumentalisieren sein sollte, liegt es doch halb in Italien.
    "Das spricht vielleicht gegen das Basiswissen der Autoren dieses Plakats."
    Was auch gegen das Plakat spreche, meint Barbara Gisi, sei der fehlende Überraschungseffekt: Nicht nur, dass von der Schweizer Armee bis zu den berühmten Buntstiften schon alle mit dem Motiv "Matterhorn" geworben haben. Auch das Vorbild Schweiz hat die NPD bereits zweimal auf ihren Wahlplakaten zitiert: Ende 2010 nach der Annahme der sogenannten Ausschaffungsinitiative – also der Abschiebung von straffällig gewordenen Ausländern aus der Schweiz – und dann noch mal nach der Minarett-Abstimmung.
    Barbara Gisi: "In diesem Fall jetzt, das war das dritte Mal. Irgendwann braucht sich das ein wenig ab. Also ich habe mal gelernt im Marketing: In der Werbung muss man immer neue Effekte unter die Leute bringen. Also als wirklich neu würde ich das nicht mehr bezeichnen."