Europawahl
Welche Rolle spielt die Sportpolitik in der EU?

Die geplante Gründung einer Super League hat die Diskussion um die Zukunft des europäischen Sports entfacht: Soll der freie Markt herrschen oder braucht der Sport besonderen Schutz? Die Antwort werden wahrscheinlich Gerichte liefern.

Albrecht Sonntag und Hellmund Folker im Gespräch mit Maximilian Rieger | 02.06.2024
05.04.2024, xjrdrx, Fussball 1.Bundesliga, Eintracht Frankfurt - SV Werder Bremen emspor, v.l. Kevin Trapp Eintracht Frankfurt mit einer neuen Kapitänsbinde EU Flagge Europaflagge wegen der Europawahl im Juni DFL/DFB REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS as IMAGE SEQUENCES and/or QUASI-VIDEO Frankfurt am Main *** 05 04 2024, xjrdrx, Fussball 1 Bundesliga, Eintracht Frankfurt SV Werder Bremen emspor, v l Kevin Trapp Eintracht Frankfurt with a new captains armband EU flag European flag because of the European elections in June DFL DFB REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS as IMAGE SEQUENCES and or QUASI VIDEO Frankfurt am Main
Kevin Trapp, Torhüter von Eintracht Frankfurt, trägt während eines Bundesliga-Spiels vor der Europawahl eine Kapitänsbinde mit der Flagge der EU. (IMAGO / Jan Huebner / IMAGO / Jerry Andre)
Der Sport ist kein Wahlkampf-Thema – das wird beim Blick in die Wahlprogramme der deutschen Parteien für die Europawahl klar. Nur Bündnis 90 / Die Grünen und die Kleinpartei Bündnis Deutschland widmen dem Sport ein eigenes kurzes Kapitel. Alle anderen Parteien erwähnen den Sport nur am Rande, wenn überhaupt.
„Es ist verständlich, dass Sport nicht ganz oben auf der Agenda steht“, findet Albrecht Sonntag. Er ist Professor für Europa-Studien an der ESSCAR Management Schule im französischen Angers. „Es ist verständlich, dass die verschiedenen Parteien den Sport in erster Linie als eine nationale Geschichte betrachten und weniger als eine, die auf der europäischen Ebene abspielt.“

Bosman-Urteil war Erweckungsmoment für EU-Sportpolitik

Dabei gibt es immer wieder Entscheidungen auf EU-Ebene, die großen Einfluss auf das Sportsystem in Europa haben. Das Bosman-Urteil 1995 sei der erste Erweckungsmoment gewesen, so Sonntag. Damals hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Profi-Fußballer nach Ende ihres Vertrags ablösefrei wechseln dürfen und damit den Transfermarkt revolutioniert.
Für große sportpolitische Aktivität hat auch die geplante Gründung einer Super League im April 2021 gesorgt. Das Projekt von zwölf Top-Clubs aus England, Spanien und Italien ist damals schnell gescheitert – am Widerstand der Fans und Verbände, aber auch am Widerstand aus der Politik.
„Ich denke, dass die Institutionen der EU sehr langsam verstanden haben, dass der Sport eben doch mehr ist, als nur ein Business, dass nicht alles an der gleichen Elle gemessen werden kann und dass der Sport eben eine sehr wichtige soziokulturelle Funktion hat“, analysiert Sonntag.

Sonntag: "EU ist hin und hergerissen zwischen Markt und soziokultureller Funktion"

Er habe den Eindruck, dass die Akteure in Brüssel „ein bisschen hin und hergerissen sind“ zwischen dem Schutz des Marktes und der Bewahrung der soziokulturellen Funktion des Sports.
„Das Super-League-Urteil hat eine größere Diskussion um das europäische Sportmodell wieder in Gang gebracht“, sagt auch Folker Hellmund. Er leitet das Brüsseler-Büro des Europäischen Olympischen Komitees und ist auch der Vertreter des Deutschen Olympisches Sportbundes auf EU-Ebene.

Europäischer Gerichtshof schränkt Macht der Verbände ein

Der Europäische Gerichtshof hatte geurteilt, dass der europäische Fußball-Verband sein Monopol nicht dafür nutzen darf, um eine Super League zu verhindern. Auch ein anderes Urteil des EuGH hatte die Macht der Verbände, die im europäischen Sportmodell an der Spitze stehen, eingeschränkt.
Zwei niederländischer Eisschnellläufer hatten den Weltverband ISU verklagt, weil die ISU sie lebenslang sperren wollte, wenn sie an einem Wettbewerb teilnehmen, der nicht von der ISU genehmigt worden ist. Auch dies verstoße gegen EU-Wettbewerbsrecht, so das EuGH.

EOC-Funktionär Hellmund: "Urteil lässt Möglichkeit offen, Monopol fortzusetzen"

„Die Diskussion um die Super League hat den positiven Nebeneffekt gehabt, dass die europäische Politik sich Gedanken gemacht hat: Was ist an diesem europäischen Sportmodell zu bewahren und wo gibt es möglicherweise Verbesserungsmöglichkeiten“, sagt Hellmund.
Es gebe jetzt Druck auf die Verbände, neue Governance-Strukturen einzuführen. „Das Urteil hat aber die Möglichkeit offengelassen, diese Monopolstruktur fortzusetzen. Von daher gehe ich erstmal davon aus, dass das europäische Sportmodell in seiner jetzigen Form erst einmal erhalten bleibt“, prophezeit der Sport-Funktionär.

Europäischer Gerichtshof wird durch Urteile die EU-Sportlandschaft formen

Er rechnet aber damit, dass in Zukunft mehr Verfahren vor dem EuGH landen werden, wo ein Verband nachweisen muss, dass eine mögliche Beschränkung des Wettbewerbs für alle Akteure einen Vorteil hat. Dies könnte eine Herausforderung für die Verbände werden.
„Ich glaube, dass in den kommenden Jahren vor Gericht stark ausgelotet werden wird, was machbar ist und wohin die Entwicklung womöglich geht“, sagt auch Albrecht Sonntag.
Auch wenn der Sport in den Parteiprogrammen also wenig Beachtung gefunden hat. die Zukunft von vielen beliebten Sport-Formaten entscheidet sich auch durch Entscheidungen der EU.