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Europawahlkampf
Grünen-Politiker bei EU-Skeptikern in Hoyerswerda

Viele stehen Europa in Hoyerswerda skeptisch gegenüber - die AfD war bei den letzten Bundestagswahlen knapp stärkste Kraft: Die Menschen in Hoyerswerda sind frustriert über den Kohleausstieg, die Überalterung und haben das Gefühl, abgehängt zu sein. Jetzt versuchen die Grünen vor Ort, mit ihrer Politik zu punkten.

Von Bastian Brandau |
Die grüne Europakandidatin Anna Cavazzi auf dem Marktplatz von Hoyerswerda im Gespräch mit Wählern.
Die grüne Europakandidatin Anna Cavazzi kommt mit den Menschen in Hoyerswerda ins Gespräch (Bastian Brandau )
"Hallo, bald sind Europawahlen, darf ich ihnen etwas mitgeben?"
"Um was geht’s da?"
"Ich bin die Kandidatin der sächsischen Grünen fürs Europaparlament."
"Nein, ich bin gegen die Grünen."
"Warum denn?"
Markttag in Hoyerswerda. Europa-Kandidatin Anna Cavazzini, blonde Haare und rote Jacke ist zwischen den Gemüseständen unterwegs. Hoyerswerda ist Braunkohleregion, die Grünen haben hier zuletzt kaum zwei Prozent der Stimmen geholt. Auch in diesem Gespräch geht es schnell um den beschlossenen Ausstieg.
"Ach, das würden Sie dann noch schlimmer machen?"
"Nein, das würden wir besser machen."
"Also, ich sage es mal so. Wählen würde ich Sie nie, habe ich auch nicht, ich habe auch was gegen Sie. Aber Ihre Ideen sind gut, sie sind aber nicht planbar, nicht durchsetzbar in dieser Zeit. Sie machen viel kaputt."
Er wähle die CDU, sagt dieser Mann nach dem Gespräch. Um Europa ist es da noch gar nicht gegangen.
"Ich will, dass das alles bleibt, dass wir auch für Europa sind. Aber ich will nicht, dass wir als Nationalstaat alles abgeben und nach Brüssel abgeben. Das wollen wir nicht."
"Immerhin hat er mit mir diskutiert. Er hat mich nicht nur angeschrien, das gibt es ja auch."
Offene Grenzen werden nicht als Vorteil empfunden
Auch böse Blicke und Mittelfinger aus fahrenden Autos belegen, dass Hoyerswerda schwieriges Terrain ist für die Grüne Europäerin Cavazzini. Die hat am 1. Mai 15 Jahre EU-Osterweiterung an der deutsch-polnisch-tschechischen Grenze gefeiert. Und an diesem Tag ist ein tschechischer Grüner zur Verstärkung ihres Teams angereist.
"Ich finde es interessant, weil die Leute eigentlich in einer Grenzregion leben, aber es ganz oft nicht besonders stark als einen positiven Aspekt wahrnehmen. Aber darum geht es uns heute halt auch. Um zu zeigen, wie viele Fördergelder von der EU auch kommen und wie sie auch mittlerweile davon profitieren, dass die Grenzen mittlerweile offen sind nach Polen und nach Tschechien."
Auch in Hoyerswerda ist Europa Alltag, verkaufen an diesem Tag Händler aus Polen und Tschechien Gemüse und Blumen. Und dennoch:
"Ich kann nicht für die Lausitz sprechen, ich nehme an, die Lausitz wird sich wenig für Europa interessieren, vermute ich fast mal. Ich weiß eigentlich, dass wir in Europa nicht vorankommen werden. China wird uns alle überholen und überrennen, es ist ja so."
Frustrierte Menschen
Auch diese Seniorin kommt mit Anna Cavazzini ins Gespräch. Schnell ist man bei den Themen, die viele Menschen hier frustrieren. Der Ausstieg aus der Kohle, die Überalterung in der Region. Das Gefühl, abgehängt zu sein. Und die Reaktion vieler Leute darauf.
"Aber ich sage Ihnen mal: Wir werden nicht AfD wählen, aber ich bin nah dran, als Denkzettel. Weil ich weiß, dass es so nicht weitergeht. Wir können nicht Millionen Euro für Leute ausgeben, die - unsere alten Leute gehen nach Ungarn ins Altenheim, unsere alten Leute gehen nach Thailand ins Altenheim. Unsere Kinder haben marode Schulen, und wir haben hier eine Million Leute, die nicht einzahlen. Ich bin nicht rechts, aber das geht nicht."
"Gut, aber die AfD bietet ja überhaupt keine Lösung an."
"Das wissen wir."
Immer wieder geht es um die AfD, die zuletzt hier über 30 Prozent geholt hat. Die das Europaparlament abschaffen möchte und eine Anti-Brüssel-Kampagne fährt.
"Also das Traurige ist, dass ich gegen die AfD bin, aber ohne die AfD wäre hier nicht ein einziges Mal ein Politiker hergekommen. Also die AfD ist im wahrsten Sinne ein Aufschrecker für Bund und Land."
Grüne Politik bisher kaum diskutiert
Aus Frust und Protest eine rassistische Partei wählen, die in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird? Das erschließt sich nicht jedem in Hoyerswerda.
"Ich bin zum Beispiel auch der erste Armutsrentner. Es geht um die Armut, ganz einfach. Aber wieso ich aus diesem Grund die AfD wählen sollte, weiß ich nicht, würde ich nicht machen."
Lange hat sich diese Frau mit einem grünen Wahlkämpfer unterhalten.
"Ich habe gerade von dem jungen Mann erfahren, wie gut das ist mit dieser Krankenkarte durch ganz Europa zu ziehen. Mit meiner Gesundheitskarte. Das habe ich bisher nicht so mitbekommen. Das wäre mal was Gutes."
"Ich glaube die meisten Leute haben sich gar nicht so auf Europa bezogen."
Nach gut zwei Stunden bauen Cavazzini und ihr Team in Hoyerswerda ab. Weiter geht es nach Görlitz.
"Es ist halt nicht so, dass wir hier besonders stark sind, das heißt, die Grünen stehen hier nicht jeden Tag am Stand. Das heißt, viele haben überhaupt erst mal über grüne Politik gesprochen, über den Kohleausstieg, der sie natürlich hier in der Region ganz besonders bewegt. Das waren eigentlich die Hauptthemen."