Die Debatte der Eurovision aus dem Europäischen Parlament in Brüssel war überschrieben mit den Zeilen: Die Kandidaten für die Präsidentschaft der EU-Kommission. Damit machte die von einem Dreier-Team aus Frankreich, Finnland und Deutschland moderierte Sendung von Anfang an eines klar: Wer hier auftritt, möchte tatsächlich das europäische Spitzenamt übernehmen.
Vom deutschen CSU-Politiker Manfred Weber ist das bekannt - das gleiche gilt für seinen sozialdemokratischen Wettbewerber: Frans Timmermans aus den Niederlanden. Beide machten in ihren Eingangsstatements klar, worum es ihnen geht:
"Ich möchte die nächste Kommission eine Kommission des Neuanfangs nennen, einer neuen Ära, des Optimismus, die zeigt: Wir können als Europäer so viel zusammen erreichen", sagte Manfred Weber.
Margrete Vestager ist offiziell im Rennen
Frans Timmermans nutzte sein erstes Statement, um sofort inhaltliche Pflöcke einzuhauen."Es ist Zeit, dass große Konzerne endlich Steuern bezahlen, dass wir einen europaweiten Mindestlohn einführen und dass wir den Klimawandel ganz nach oben auf den Arbeitsplan der künftigen Kommission setzen."
Weber und Timmermans meinen es also ernst. Von einer Frau in der Runde ahnte man das bisher nur: Der Dänin Margrete Vestager, derzeit EU-Wettbewerbskommissarin. Sie ist Teil des Spitzenkandidatenteams der Liberalen. Mit dem gestrigen Abend wurde klar: Sie ist nun ganz offiziell im Rennen:
"Für mich ist es am wichtigsten, dass Sie als Europäer die Möglichkeit bekommen, das Leben zu leben, das Sie leben wollen, dass Sie dazu gehören und eine faire Chance bekommen."
Neben diesen drei saßen auf dem Podium die deutsche Ska Keller für die Grünen, der Spanier Nico Cué für die Europäischen Linken und Jan Zahradil aus Tschechien von den Konservativen und Reformern. Sie haben zwar keine Chance auf das europäische Spitzenamt, als EU-Parlamentarier aber eine gewichtige Stimme bei der Entscheidung.
Nur einer will die Migration in die EU einschränken
Die Sendung funktionierte nach strengen Spielregeln. Unter dem Hashtag #TellEurope kamen die ersten Anmerkungen online aus Deutschland und Belgien zum Klimaschutz, zu Fragen sozialer Gerechtigkeit und zur Migration. Während fünf Teilnehmer des Podiums hier gemeinsame Europäische Lösungen anmahnten und Europas Werte von Humanismus betonten, machte Jan Zahradil deutlich, dass er die Migration in die EU erheblich einschränken will:
"Wir sollten eine andere Lösung finden: Wir sollten die souveränen Rechte der Regierungen und Parlamente in den Mitgliedsstaaten respektieren, ob sie Asyl geben wollen oder nicht."
Mit Blick auf immer noch viele Millionen arbeitsloser junger Menschen in Europa verlangte Nico Cué von der Europäischen Linken eine vollständige Neuausrichtung der europäischen Politik:
"Wenn wir gegen die wachsende Armut und ausbeuterische Arbeit kämpfen wollen, müssen wir zurück zu besseren Arbeitsbedingungen und unbefristeten Arbeitsverträgen."
Timmermans greift Weber an
Es war die Stelle, an der sich ein Schlagabtausch zwischen Franz Timmermans und Manfred Weber entwickelte. In der Phase der Wirtschafts- und Finanzkrise habe Weber beispielsweise Portugals Pläne abgelehnt, wieder mehr Menschen in Arbeit zu bringen, weil sie zu teuer gewesen seien und dem europäischen Spardiktat widersprochen hätten, meinte Frans Timmermans.
Doch genau diese Pläne seien richtig gewesen, Portugals Wirtschaft habe erheblich aufgeholt. Dafür bekam Timmermans viel Applaus und kopfnickende Zustimmung von Margrete Vestager.
Um Jobs ging es auch beim Thema Klimaschutz: Moderator Markus Preiß fragte Ska Keller von den Grünen, ob sie mehr Klimaschutz gegen weniger Arbeitsplätze eintauschen würde? Keller antwortete, dass Klimaschutz keine Jobs koste, sondern zusätzliche schaffe:
"Es würden so viele neue Jobs beim Ausbau der klimafreundlichen Technologie entstehen, derzeit überlassen wir das China."
Franz Timmermans bot daraufhin den Grünen und den Linken eine Zusammenarbeit im EU-Parlament an, um den Klimaschutz ganz oben auf die europäische Agenda zu setzen. Manfred Weber sprach sich dafür aus, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen - und hierfür den CO2-Emmissionshandel auszuweiten. Beim Klimawandel dürfe man nicht gegeneinander arbeiten.
Eine durchaus intensive Debatte, die auch die Gegensätze zwischen den Kandidaten deutlich machte - und das nicht nur in der Migrationspolitik, sondern auch beim Klimathema oder bei Steuerfragen.
Und: Auch die komplizierten europäischen Themen wie die Handelspolitik ließ die Debatte nicht aus. Nach 90 Minuten gab es keinen Zweifel: Zwischen diesen sechs Kandidaten gibt es tatsächlich Unterschiede. Aber fünf von ihnen wollen Europa stärken und nicht schwächen.