Wer an Profisportler denkt, hat meist die Bilder von Superstars im Kopf: Turnerin Simone Biles, die allein in Rio 2016 vier Mal olympisches Gold geholt hat. Oder Läufer Eliud Kipchoge, der den Marathon schon in unter zwei Stunden gelaufen ist. Beide sind berühmt und müssen sich über ihr Einkommen vermutlich wenig Sorgen machen.
"Eine erhebliche Spannweite"
Ganz anders sieht es bei unzähligen Athletinnen und Athleten aus, die zwar ebenfalls Sport auf Profi-Niveau betreiben und tausende Stunden im Jahr trainieren. Die davon allein aber kaum leben können. Die Anstellungsverhältnisse im Spitzensport, über weite Strecken sind sie vollkommen unerforscht.
"Wir erleben gegenwärtig eine erhebliche Spannweite", sagt Jürgen Mittag. Er ist Professor an der Deutschen Sporthochschule in Köln und leitet dort das Projekt "Employs", das die Anstellungsverhältnisse von Spitzensportlerinnen und -sportlern in 29 europäischen Ländern erforscht: "Auf der einen Seite professionelle Athleten, die bei olympischen Spielen oder anderen Sportereignissen im medialen und öffentlichen Blickfeld stehen, und zum Teil auf der anderen Seite schwierige bis prekäre wirtschaftliche Verhältnisse erleben."
Zusammen mit Partneruniversitäten aus Lissabon, Liverpool, Warschau und Rijeka in Kroatien untersucht die Sporthochschule deshalb, wo Sportler rechtlich als Arbeitnehmer gelten, ob sie Pensionsansprüche haben und wie es mit Versicherungen und Mitspracherecht aussieht. Hochprofessionalisierte Sportarten wie Fußball und Basketball, wo die Sportler von den Vereinen bezahlt werden, lassen dabei ebenso außen vor wie von Sponsoren getragene Sportarten wie Tennis oder Golf.
"Nationaler Kontext entscheidend"
Bei einer Befragung von Experten aus den untersuchten Ländern haben die Wissenschaftler viele Unterschiede festgestellt, erklärt der Projektkoordinator Maximilian Seltmann: "Die Hauptresultate von den Daten, die wir bisher zur Verfügung haben ist, dass der nationale Kontext entscheidend ist für Athleten im olympischen Sport. Dass es nicht möglich ist, von einem europäischen Sportmodell zu sprechen, wenn wir uns die Arbeitsbeziehungen anschauen. Es gibt ganz unterschiedliche nationale Regelungen, ganz unterschiedliche nationale Ansätze, Athleten eine sichere und erfolgreiche Karriere zu ermöglichen."
So können in den meisten Ländern zum Beispiel staatliche Stellen wie die Armee oder die Polizei Athleten einstellen und ihnen etwa als Sportsoldaten ein festes Gehalt geben. In einigen Staaten, etwa in Norwegen, den Niederlanden oder in Tschechien, können Sportler auch direkt vom Nationalen Olympischen Komitee bezahlt werden. Oder Elitesportorganisationen unterstützen die Athleten, wie etwa in Deutschland die Deutsche Sporthilfe. Die Karten, die Seltmann und sein Team bei einer ersten Präsentation der Daten in Köln an die Wand werfen, zeigen einen bunten Flickenteppich, welche Möglichkeiten es in den unterschiedlichen Ländern gibt.
Welche Länder können als Vorbilder dienen?
Welche Ansätze besser, und welche weniger gut geeignet sind, welche Länder als Vorbilder dienen können: Das wollen die Forscher in den kommenden Monaten untersuchen.
Max Hartung, Gründungspräsident der Athletenvereinigung Athleten Deutschland findet es wichtig, dass es endlich verlässliche Daten zu diesem Thema gibt. Vielleicht könne ja auch Deutschland vom Vorgehen in anderen Ländern lernen: "Was ich spannend fand, was ein Vertreter aus der Forschungsgruppe gesagt hat, war, dass in vielen Osteuropäischen Ländern die Überprüfungszeiträume bei Angestellten im Militär oder im öffentlichen Dienst eben nicht in einem jährlichen Rhythmus sind, sondern dass Athleten dort länger abgesichert sind als nur immer eine Saison lang."
Das könnte sich auch sportlich auswirken: Wenn Athleten, die um ihre wirtschaftliche Existenz bangen müssen, gegen Konkurrenten antreten, die abgesichert sind: "Es gab Zeiten, wo ich das als sehr unfair empfunden habe. Gerade in der Zeit, wo ich studiert habe und andere ein sehr hohes Einkommen hatten, aus anderen Ländern. Aber in der Auseinandersetzung damit habe ich auch gesehen, dass ich viele Freiheiten hier habe, viele Schutzrechte, die Athleten in autokratischen Ländern nicht genießen."
Die Forscher wollen ihren ersten Bericht zu den Anstellungsverhältnissen von Sportler in Europa Ende des Jahres vorstellen. Projektkoordinator Seltmann will aber nicht nur die aktuelle Lage beschreiben. Er wünscht sich, "dann auch wirklich in die Diskussion einzutreten, was sind Kriterien für gute Arbeit, was sind Kriterien für gute Anstellungsverhältnisse von Athleten."
Der finale Bericht mit Verbesserungsvorschlägen soll dann Ende 2022 fertig sein.