In den vergangenen zehn Tagen standen diejenigen im Mittelpunkt, die auch dort hingehören: die Sportler. Um sie ging es bei den European Championships und sie konnten diese Aufmerksamkeit genießen, die sie sonst nur von Olympia kennen. Alle vier Jahre bieten die Sommerspiele die einzige Chance für viele Spitzenathleten, sich einem breiteren Publikum zu präsentieren. Das ist für viele von ihnen nicht nur der Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung, sondern finanziell überlebenswichtig. Nur mit der medialen und öffentlichen Aufmerksamkeit können sie Sponsoren akquirieren und dafür sorgen, dass sie sich ihren Sport überhaupt leisten können.
Von Fernsehmachern konzipiert bekommen sie nun eine neue Bühne. Wettkämpfe im Rudern, Wasserspringen, Turnen werden anschaulich präsentiert und können dank der abgestimmten Zeitpläne alle gemeinsam in die Wohnzimmer von Millionen Fernsehzuschauern transportiert werden.
Einschaltquoten im Millionenbereich
Das Konzept geht auf, in Deutschland stimmen die Einschaltquoten, die teilweise auch tagsüber im Millionenbereich liegen. Und das gilt für alle Sportarten. Von den Europameistern im Ruder-Doppelzweier oder von der neuen Europameisterin am Schwebebalken hatte man bisher ebenso wenig Notiz genommen wie von der Entscheidung in der Mannschaftsverfolgung der Bahnradsportler. Das ist jetzt durch die European Championships anders geworden.
Die kontinentalen Titelkämpfe der Leichtathleten hatten immer schon eine starke Medienpräsenz, mit Abstrichen auch die der Schwimmer. Aber in ihrem Sog kommen nun auch Spitzensportler anderer Sportarten in den Genuss der Fernsehscheinwerfer. Ohne dass die großen Zugpferde darunter leiden müssten.
Funktionäre halten sich angenehm zurück
Das Erfrischende an dem neuen Format ist, dass es noch keine komplett durchgestylte und überzeichnete Marke ist wie die ganz großen Sport-Brands, die Fußball-WM und die Olympischen Spiele. Auch halten sich Funktionäre angenehm zurück mit öffentlichen Auftritten. Keine Eröffnungsreden von Machtpolitikern, die so ein Event gerne für ihre Zwecke instrumentalisieren.
Die Sportler stehen im Mittelpunkt und das ist auch gut so. Insofern ist nur zu hoffen, dass es weitere Ausgaben dieses Formats geben wird. Unter einer Bedingung: Wenn nämlich auch weiter die Interessen der Sportler im Mittelpunkt stehen und nicht auch dieser Wettkampf langfristig von den Interessen von Sponsoren und Medien überlagert wird.
Im Sinne der Athleten
Richtig ist: die European Championships sind von Fernsehmachern geplant, aber im Sinne der Athleten. Wenn jetzt für die nächste Ausgabe in vier Jahren vermutlich weitere Sportarten dazukommen, dann bleibt zu hoffen, dass nicht Fernsehbilder und Werbeeinnahmen das ausschlaggebende Argument sind. Natürlich wäre eine Sportart wie Beach-Volleyball, die immer wieder gehandelt wird, eine Ergänzung des Programms. Aber sicher auch eine nicht ganz so TV-affine Sportart wie Hockey. Wenn es den Verantwortlichen gelingt, mit Augenmaß und dem richtigen Ziel diese European Championships weiter zu entwickeln, dann hätten sie einen weiteren Schritt in die richtige Richtung getan.
Und dann würde man sich sogar noch abheben von den European Games, der zweiten kontinentalen Veranstaltung. Dieser ähnlich klingende Wettbewerb, organisiert vom Europäischen Olympischen Komitee ist nämlich das genaue Gegenteil. Hier geht es nicht um die Interessen der Sportler, hier geht es um Geld, Macht und politische Einflussnahme. In einer Art Nachbau der Olympischen Spiele steht hier der Gigantismus im Vordergrund. Da feiert man sich für die große Anzahl von Wettbewerben und Sportlern, fragt aber nicht, ob ein zusätzlicher Wettkampf überhaupt in den ohnehin vollen Kalender der Athleten passt. Die Folge: ein Wettbewerb in den meisten Disziplinen ohne sportliches Spitzenniveau, aber dafür mit allen negativen Seiten, die man von Olympia seit Jahrzehnten kennt. Die European Games sind nur ein müder Abklatsch, ein Kunstprodukt.
Auch deshalb waren die vergangenen Tage der European Championships, die einfach ein Zusammenschluss bestehender Wettbewerbe, nämlich Europameisterschaften waren, ein ermutigendes Zeichen für den Sport und die Sportler. Hoffentlich bleibt es dabei.