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Eurozone
Keine Angst vor einer neuen Deflation

Im Juli betrug die Inflation in der Eurozone nur 0,2 Prozent. Aber Angst vor einer lähmenden Deflation - also einem Preisverfall mit gesamtwirtschaftlichen Folgen - haben verschiedene Experten nicht. Denn die Preise sinken nicht flächendeckend, sondern vor allem in einem Bereich, in dem es mehr nützt als schadet.

Von Michael Braun |
    EU-Fahne
    Eine Deflation dürfte der Eurozone nicht drohen. (dpa / picture alliance / Jens Kalaene)
    Sie heißt Inflationsrate, hat aber im Moment mit Inflation nichts zu tun. Denn die Preise in der Eurozone waren im Juli - wie im Juni - nur um 0,2 Prozent höher als voriges Jahr. Und um ein Haar wäre die Inflationsrate gar gesunken, sagt Carsten Brzeski, der Chefvolkswirt der ING Diba:
    "Das ist eine sehr fragile Stabilität gewesen. Denn wir hatten ja in Deutschland Zahlen, die ein bisschen niedriger waren. Wir haben in Spanien auch gesehen, dass die Inflation noch mal gesunken ist. Also, von daher war es eine ganz knappe Geschichte, dass wir jetzt auf diesen 0,2 stabil geblieben sind."
    Inflation betrug im Juli nur 0,2 Prozent
    In Deutschland ist die Preissteigerungsrate von 0,3 Prozent im Juni auf 0,2 Prozent im Juli gesunken. Geht es also wieder abwärts mit der Inflationsrate? Kommen die Sorgen vor sinkenden Preisen, vor einer lähmenden Deflation wieder auf?
    "Eigentlich nicht. Man muss sich ein bisschen anschauen, wo denn der leichte Abwärtsdruck herkommt. Und das sind wieder mal die Energiepreise. Wenn man von der Energie absieht, ist die Inflation, die sogenannte Kernrate, relativ stabil. Oder man kann sogar sagen, dass sie eine leicht steigende Tendenz Richtung ein Prozent in der Eurozone hat. Also, von daher sind alle Sorgen, dass wir jetzt wieder eine - in Anführungszeichen - Deflationsphase hineinlaufen, eigentlich übertrieben", meint Stefan Schneider, Europa-Volkswirt der Deutschen Bank.
    Energie kostete im Juli durchschnittlich 5,6 Prozent weniger als vor einem Jahr. Und Volkswirte empfehlen, das eher zu genießen, also die an der Tankstelle ersparten Euro anderweitig für Altersvorsorge oder Konsum zu verplanen. Das haben sich die Verbraucher wohl auch gedacht und danach gehandelt. Jedenfalls meldete das Statistische Bundesamt heute, der deutsche Einzelhandel habe sein bestes erstes Halbjahr seit mindestens 21 Jahren erlebt. Die Umsätze der Branche hätten in den sechs Monaten inflationsbereinigt, also real, 2,5 Prozent über dem Vorjahresniveau gelegen.
    EZB bleibt gelassen
    Auch die Europäische Zentralbank ist noch nicht irritiert. Ihr Präsident Mario Draghi hatte vor zwei Wochen gesagt, die Inflationsrate werde wegen der sinkenden Ölpreise erst einmal niedrig bleiben und wohl erst gegen Ende des Jahres anziehen.
    ING-Volkswirt Brzeski halt sogar negative Inflationsraten noch einmal für möglich - aber nicht für gefährlich:
    "Negative Inflationsraten sind möglich. Aber das ist halt keine Deflation, die schädlich ist. Das ist keine Deflation, die dazu führt, dass die ganze Wirtschaft in einem Stillstand zurechtkommt."
    Anleihekaufprogramm könnte fortgesetzt werden
    Das alles müsse die EZB nicht an ihrem inflationsfördernden Anleihekaufprogramm zweifeln lassen. Das werde fortgeführt, was gut sei für Kreditnachfrage und Wachstum. Die EZB könnte sogar noch einmal nachlegen, meint Deutsche Bank-Volkswirt Schneider:
    "Es kann schon sein, dass das gesamte Inflationsumfeld sehr schwach ist und von daher die EZB - und davon gehen wir eigentlich aus -, dass das QE-Programm größer oder verlängert wird, größer ist als das alternative Szenario, dass es vorzeitig beendet wird."
    Wenn dann die Amerikaner eine gegenläufige Geldpolitik betrieben und im September die Zinsen erstmals anhöben, machte das den Dollar stärker und ließe damit die Europreise etwa für Öl und Benzin anziehen - ganz im Sinne der EZB.