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Eurozone
Negative Inflation und die Folgen

Die Preise in der Eurozone sind im Dezember zum ersten Mal seit Langem nicht mehr gestiegen, sondern gefallen. Was sind die Gründe? Und was sind die Folgen?

Von Michael Braun |
    Der Ölpreis war's. Er hat die Energiekosten im Dezember um 6,3 Prozent sinken lassen. Deshalb rutschte die Inflationsrate in Euroland von plus 0,3 auf minus 0,2 Prozent. So eine erste Schätzung der europäischen Statistikbehörde. Eine gute Nachricht, Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank:
    "Die meisten deutschen Konsumenten freuen sich. Das stärkt die Kaufkraft. Wenn Sie den Effekt des Ölpreises rausrechnen aus der Euroraum-Inflationsrate, dann sind Sie auch nicht bei minus 0,2, sondern dann sind Sie bei 0,7, 0,8. Das heißt, die Inflation ist nur deshalb negativ, weil Öl billiger geworden ist. Und das ist positiv, weil es die Kaufkraft der Menschen stärkt."
    In der Tat: Weil zum Beispiel die Mieten und noch mehr die Versicherungsprämien gestiegen sind, haben sich die Dienstleistungspreise im Dezember um 1,2 Prozent erhöht. Die sogenannte Kerninflationsrate, ohne Energie- und Lebensmittelpreise, hat damit sogar leicht angezogen, von 0,7 auf 0,8 Prozent.
    Aber auch das ist noch weit von den knapp zwei Prozent Inflationsrate weg, bei der die Europäische Zentralbank von Stabilität spricht. Weniger ist ihr zu wenig, zu nah an Deflation. Und deshalb hat EZB-Präsident Mario Draghi zuletzt mehrfach angekündigt, eine längere Abweichung von ihrem Stabilitätsziel werde die EZB nicht zu lassen.
    Dahinter steht die Sorge, aus niedriger Inflation könne dauerhaft Deflation werde. In der Tat keine gute Perspektive: Sinken die Preise dauerhaft, warten Verbraucher mit dem Konsum. Es könnte ja billiger werden. Unternehmen warten mit der Investition. Der Preis der ausgesuchten Maschine könnte ja sinken. Und Schuldner könnten nicht darauf hoffen, dass die Inflation ihnen ein Teil der Schulden wegfrisst. Zudem könnten Arbeitgeber bei sinkenden Preisen auf sinkende Löhne pochen - eine Bedrohung auch für die Finanzstabilität, meint David Milleker von Union-Invest:
    "Wenn die Einkommen fallen, wird natürlich der Schuldendienst schwieriger. Das ist schon ein Thema, wo die EZB sich wirklich drum kümmert."
    Gut möglich, dass die EZB schon am 22. Januar den massiven Ankauf von Staatsanleihen ankündigt. Commerzbank-Volkswirt Krämer hält nichts davon, hält alles für einen Vorwand.
    "Man wird den Ölpreis als Argument nutzen, die negative Inflationsrate, als Vorwand nutzen, um vermutlich zu beschließen, Staatsanleihen auf breiter Front zu kaufen. Damit wird man nichts daran ändern, dass der Ölpreis niedrig ist. Man wird nichts ändern an niedriger Inflation. Aber man hilft natürlich den Finanzministern der Länder, die nicht bereit sind, tief greifende Reformen zu machen - Italien. Man hilft auch den Banken in Italien und Spanien, die auf Geheiß ihrer Regierungen sich vollgesaugt haben mit Staatsanleihen. Nur das sagt man dann nicht. Sondern man schiebt es auf eine angeblich gefährliche Deflation."
    Deutschland kennt negative Inflationsraten wegen niedriger Ölpreise aus den 1980er-Jahren. Damals wurde keine Deflation daraus.