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Satellitenbereiber Eutelsat
Mehr Vielfalt im russischen Fernsehen?

Seit Jahren verbreitet das russische Staatsfernsehen Propaganda im Sinne des Kreml. Für die Übertragung bis in die letzten Winkel des Landes ist auch die französische Firma Eutelsat verantwortlich. Eine Initiative will das ändern - doch das Unternehmen verdient viel Geld mit dem Russland-Geschäft.

Von Alexander Bühler |
Satellitenschüsseln an einem Wohnhaus in Sotschi, Russland
Die Initiative Denis Diderot will mehr Vielfalt im russischen Satellitenfernsehen (dpa/ Dmitry Feoktistov)
"Nazismus muss nicht anti-semitisch sein, einfach nur anti-russisch oder anti-slawisch" - das behauptet Vladimir Solovjov, wichtigster Propagandist des Kreml. Und Margarita Simonyan, Chefin vom Sender Russia Today, sagt: "Wir hätten die Ukraine binnen Stunden erobern können, aber die Ukrainer sind ja Geiseln."
Geiseln, Nazismus, die Ukraine existiert nicht, der wahre Gegner Russlands ist die EU oder die NATO oder die USA. Das sind Pseudo-Informationen, die verwirren sollen. Propaganda statt Information, mit dem Zweck, das Weltbild des Zuschauers Putin-nah zu machen.
Seit mittlerweile 20 Jahren verbreitet der russische Staat solche Informationen. In Russland. Mit Hilfe des französischen Satellitenbetreibers Eutelsat.

Eine andere Sichtweise verschaffen

Das will die Initiative Denis Diderot ändern. Einer der beiden Gründer ist Jim Fillipoff. Schon die erste Invasion Russlands 2014 brachte den Satelliten-Techniker auf die vielleicht entscheidende Idee:
"Ich arbeitete damals in der Ukraine im Satelliten-Fernseh-Geschäft, das hat mir viele Einblicke zur Medienlandschaft in dieser Region verschafft. Mein Grundgedanke war: Wenn wir es schaffen, auf der Eutelsat-Satelliten-Position von 36 Grad Ost andere Medien einzuspeisen, könnten wir Russinnen und Russen eine andere Sichtweise verschaffen. Ihre eigenen Medien transportieren ja nur die Kreml-Propaganda."

"Sprache jenseits der Objektivität"

36 Grad Ost, das ist die Himmelsposition, auf die Millionen russische Satellitenschüsseln ausgerichtet sind. Millionen Haushalte, die nicht mehr echte Informationskanäle wie Deutsche Welle, CNN oder BBC empfangen können. Denn die hat der russische Staat verbannt. Stattdessen nur genehme Kanäle, die von zwei russischen Unternehmen vertrieben werden.
Für ein paar Rubel im Jahr bekommen die Abonnenten einen Decoder, der ihnen russische Kanäle mit Sport, Erotik, Kinder-TV ins Haus spült. Und die klassischen Informationskanäle wie "Rossiya 1" und "Kanal Eins Russland", die mittlerweile die entgegengesetzte Aufgabe erfüllen, sagt Madeline Roach, die für das Unternehmen News Guard das russische Fernsehen, vor allem "Kanal Eins Russland" analysiert:
"Nur das Nachrichtenprogramm! Ich weiß nicht, was das mit mir machen würde, rund um die Uhr das staatliche Fernsehen zu kucken. Die Shows sind sehr gut produziert, sehen aus wie von CNN, als ob sie mitten aus dem Geschehen berichten würden. Aber die Sprache ist jenseits der Objektivität. Es gab etwa ein paar Beispiele über ukrainische Provokationen, etwa darüber, dass ukrainische Neonazis tote Zivilisten schauspielern oder Leute ermorden würden, um das der russischen Armee anzulasten. Neulich hieß es, Kiew bereite eine Provokation unter der Führung des Westens vor, Kämpfer würden in russischen Uniformen Zivilisten vor laufender Kamera erschießen. Und das würde der Westen Russland wieder vorwerfen."

Wichtiges Russland-Geschäft für Eutelsat

Der Westen ist also an allem Schuld, ist der wahre Gegner, versteckt sich hinter instrumentalisierten Ukrainern. Damit solche Nachrichten bei der russischen Zuschauerschaft ankommen, investiert Putins Regime viel Geld. Nicht nur in die Gehälter der wichtigsten Hetzer, sondern auch in die Verbreitung.
Eutelsat verdient etwa 7 bis 8 Prozent ihres Jahresumsatzes mit dem Russland-Geschäft. Schließlich beziehen immer noch 70 bis 80 Prozent der Russen ihre Nachrichten über das Fernsehen. Und das zum überwiegenden Teil via Satellit. Denn Internet - vor allem das Internet, mit dem Videos ruckelfrei laufen - ist in weiten Teilen des Landes nicht vorhanden.

"Viele Alternativen zum staatlichen Programm"

Hier, wo es keine konkurrierenden Informationsmöglichkeiten gibt, rekrutieren Putins Leute ihre Anhänger - und die Soldaten. Wenn man den französischen Satellitenbetreiber Eutelsat durch Sanktionen zwingen würde, das zu ändern, könnte es langfristig zu Widerstand gegen Putin führen, glaubt Fillipoff.
"Jeder versteht, dass es schlecht ist, dass die Russinnen und Russen nicht wissen, was wirklich passiert. Also brauchen sie alternative Informationsquellen. Aber das Internet wird von Putin blockiert und es ist nur beschränkt verfügbar. Aber Satellitenfernsehen hat eine andere Reichweite. Es gibt viele Alternativen zum russischen Fernsehen, die per Satellit ausgestrahlt werden könnten: 'TV Rain', "'Doshd' - russische TV-Kanäle, die von Putin verbannt sind. Das könnte ein Gegengewicht zur Propaganda sein."