"Evangelii gaudium", also "Freude des Evangeliums", heißt das Dokument, das am Dienstag zur in Rom üblichen Mittagsstunde veröffentlich wurde. Es ist keine Enzyklika, mit der sich die katholischen Päpste auch an ihre Kirche richten und so ihren Worten besonderen Ausdruck verleihen. Mit seinem nun - gut acht Monate nach seinem Dienstantritt - herausgegebenen Lehrschreiben präsentiert Franziskus eine Art Regierungserklärung. Und beschreibt darin, wie er sich seine Kirche im 21. Jahrhundert vorstellt.
Im Schreiben mit dem Untertitel "Über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute" schreibt er, der Grundauftrag eines jeden Christen sei die konkrete Hilfe für Arme und die Bekämpfung der Ursachen von Armut. Franziskus verlangt auch mehr Engagement im Kampf gegen den Menschenhandel. Das ist nicht neu, das sind Themen, die er seit März immer wieder angesprochen hat: bei seiner täglichen Messe im Vatikan, bei seinen öffentlichen Auftritten wie dem Besuch der Mittelmeerinsel Lampedusa, in einem viel beachteten Interview. Nun finden sich seine Ansichten erstmals gebündelt auf rund 180 Seiten wieder.
Papst warnt vor Überforderung
Der 76-Jährige wirft in dem Schreiben auch ein kritisches Schlaglicht auf die Interpretation seines eigenen Amtes. Das Kirchenoberhaupt warnt vor einer Überforderung. Man könne vom päpstlichen Lehramt keine endgültige oder vollständige Aussage zu allen Fragen erwarten. Er sei offen für Vorschläge, wie das Papstamt stärker an die von Jesus Christus gewollte Bedeutung und die heutigen Notwendigkeiten der Evangelisierung angepasst werden könne.
Gleichzeitig sprach er sich für Reformen in der Kirche aus - und das "auf allen Ebenen": Eine Dezentralisierung hält er für heilsam und erforderlich; die Rolle der nationalen und regionalen Bischofskonferenzen müsse gestärkt werden. Eine übertriebene Zentralisierung kompliziere das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, statt ihr zu helfen. Innerhalb der Kirche kritisiert er ein narzisstisches und autoritäres Elitebewusstsein.
Tür zum Sakrament nicht verschließen
Mit Blick auf den Streit um den Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von der Eucharistie (Abendmahl) mahnt Franziskus, "die Türen der Sakramente dürften nicht aus irgendeinem beliebigen Grund geschlossen werden". Diese Überzeugungen hätten "pastorale Konsequenzen", welche die Kirche "mit Besonnenheit und Wagemut in Betracht ziehen" müsse. Bislang sind wiederverheiratete Geschiedene von der Eucharistie in der katholischen Kirche ausgeschlossen. In Deutschland fordert vor allem die Diözese Freiburg eine liberalere Haltung in dieser Frage.
In seinem Apostolischen Schreiben, das anlässlich des am Sonntag zu Ende gegangenen "Jahr des Glaubens" veröffentlicht wurde, macht Franziskus die modernen Wirtschaftssysteme mitverantwortlich für soziale Ungerechtigkeiten. Märkte ohne die nötigen Regulierungen schlössen einen Großteil der Menschheit von ihrem Recht auf Teilhabe an den Gütern der Erde aus. Unter diesen Umständen lindere auch wirtschaftliches Wachstum nicht die weltweite Armut, heißt es in dem Papier, das zugleich die Ergebnisse der Bischofssynode über Neuevangelisierung vom vergangenen Jahr zusammenfasst.
Mehr Aufgaben für Frauen
Franziskus fordert mehr Tätigkeitsfelder und Aufgaben für Frauen in der Kirche. Zugleich schließt er eine Zulassung zum Priesteramt für sie jedoch aus. Ihr Beitrag sei unentbehrlich, und er sehe "mit Freude, wie viele Frauen pastorale Verantwortungen gemeinsam mit den Priestern ausüben", betont der Papst. Das den Männern vorbehaltene Priestertum sei "eine Frage, die nicht zur Diskussion steht".
Deutsche Bischöfe haben das Apostolische Schreiben von Papst Franziskus als einen "prophetischen Aufruf an die Kirche" gewürdigt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sprach am Dienstag in Bonn von einer "beeindruckenden Analyse der derzeitigen Situation".
In "klarer und erfrischender Sprache" zeige der Papst, wie die Kirche einen neuen Aufbruch wagen könne.
In "klarer und erfrischender Sprache" zeige der Papst, wie die Kirche einen neuen Aufbruch wagen könne.