"Ich bin der Auserwählte", so Präsident Trump bei einer Pressekonferenz im Zusammenhang mit seiner China-Politik - er habe nur einen Witz gemacht, sagte er später. Doch für viele seiner Anhänger scheint diese Vorstellung gar nicht so abwegig: In einer aktuellen Umfrage des Politologen Paul Djupe von der Denison University in Ohio, der sich auf das Zusammenspiel von Religion und Politik spezialisiert hat, stimmen erstaunlich viele Kirchgänger der Aussage zu, Trump sei "der von Gott Gesalbte". Je häufiger die Probanden die Kirche besuchen, desto größer ihre Neigung, die Aussage zu unterstützen.
"Und das waren eben nicht nur konservative Protestanten, die wir normalerweise als Donald Trumps Unterstützer kennen. Es ging quer durch alle Konfessionen bei denjenigen, die häufig in die Kirche gehen. Fast 50 Prozent aller wöchentlichen Kirchgänger glauben, dass Trump 2016 zum Präsidenten auserwählt wurde."
Der Einfluss religiöser Eliten
Das sei ein dramatischer Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, als er eine ähnliche Studie durchgeführt habe, sagt Djupe. Und er hat auch eine These, warum die Zahlen aktuell so hoch sind:
"Es liegt daran, dass viele religiöse Eliten diese Rhetorik vom 'Gesalbten Gottes' benutzen. Trumps Berater, konservative Radio-Moderatoren, republikanische Politiker. Das ist ein Grund, dass sie alle das Argument ständig wiederholen. Der andere Grund ist, dass dieselben Eliten auch mit einer Art Bedrohung arbeiten: Sie sagen, dass die Demokraten, sollten sie die Wahl im November gewinnen, den konservativen Christen ihre religiösen Freiheiten nehmen wollen."
Donald Trump dagegen werde diese Freiheiten beschützen. Dass er deswegen als "auserwählt" angesehen werde, sei ein relativ neues Phänomen, sagt Forscher Djupe. Bisher hätten religiöse Eliten sehr wohl regelmäßig für Präsidenten gebetet – als "gesalbt" hätten sie aber noch keinen vor Trump bezeichnet.
Trump als Perserkönig Kyros
Das Konzept der Salbung geht zurück auf das Alte Testament, die Hebräische Bibel. Dort verbindet die Salbung ein religiöses Ritual mit weltlicher, politischer Macht, erklärt der Jesuit James Bretzke, der an der John Carroll University in Ohio katholische Theologie lehrt.
"Der Gedanke bei der Salbung ist, dass der Gesalbte von Gott auserwählt wird. Als die Israeliten im Alten Testament beschlossen, dass ihr Anführer fortan ein König sein solle – kein Richter oder charismatischer Führer –, salbte der Prophet Samuel Saul zum König. Später wurden, dieser Tradition folgend, beispielsweise die westeuropäischen Erbköniginnen und -könige bei ihrer Krönung auch gesalbt."
In den USA gibt es kein Gottesgnadentum – wohl aber in bestimmten evangelikalen Traditionen die Idee, dass ein politischer Führer seine Macht in Gottes Namen ausübe, erklärt Bretzke.
"Die Evangelikalen argumentieren, dass die politischen Führer auch dann ein Instrument Gottes sein können, wenn sie persönlich keine tugendhaften Menschen sind. Diese Tradition lässt sich zurückführen auf die babylonische Gefangenschaft: Als die Juden nach 70 Jahren im Exil nach Jerusalem zurückkehren durften, geschah dies dank des Perserkönigs Kyros. Er war selbst kein Jude, aber er wurde als Werkzeug Gottes betrachtet, er wurde 'der Gesalbte Gottes' genannt."
Ein politischer Winkelzug
Mit eben jenem König Kyros vergleichen republikanische Politiker und prominente Evangelikale Donald Trump gerne. Gerade dass er kein perfekt tugendhafter Mensch sei, stütze die These, dass er ähnlich wie Kyros als Werkzeug Gottes Gutes für Amerika tue.
Bei einem Besuch im Weißen Haus 2018 verglich sogar Israels Premierminister Benjamin Netanjahu Trump mit Kyros – nachdem Trump die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt hatte, ein Akt von großer politischer und religiöser Symbolkraft. Der Theologe James Bretzke hält die evangelikale Rhetorik vom Gesalbten und vom modernen Kyros weniger für eine religiöse Überzeugung – sondern vor allem für eine politische Strategie:
"Die Evangelikalen wollen, dass Trump politisch Erfolg hat. Zum Beispiel bei der Wahl 1992, da haben sie argumentiert, Bush Senior sei tugendhafter als Bill Clinton, deswegen müssten die Evangelikalen ihn unterstützen. Und das ist ein Argument, das im Falle Trumps eben schwierig ist. Also mussten sie einen anderen Grund finden, um die Unterstützung für ihn zu legitimieren. Und so behaupten sie eben, er sei irgendwie der von Gott Auserwählte."
Und wenn man den Zahlen glaubt, dann scheint diese Strategie bei den religiösen Wählern recht gut zu verfangen.