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Evangelische Kirche in Deutschland
"Es liegt vieles im Argen"

Eine "Führungsschwäche" in der evangelischen Kirche kritisiert der Münchener Theologe Gerson Raabe. Er beobachte "eine Simplifizierung kirchlicher Stellungnahmen, so Raabe im Dlf. So würden "wesentliche Gesichtspunkte des Protestantismus nicht mehr zur Sprache kommen".

Gerson Raabe im Gespräch mit Andreas Main |
    Gerson Raabe
    Der Theologe Gerson Raabe (tast@designe)
    Gerson Raabe, der Theologie, Philosophie und Musik studiert hat und Pfarrer der Erlöserkirche in München ist, kritisierte eine "Verkirchlichung" des Protestantismus. Dies gehe einher mit einer "Sakralisierung". Es gebe Tendenzen in der evangelischen Kirche, "sich an der katholischen Kirche etwa die Feier der Gottesdienste abzuschauen". Das gehe "einher mit einer gewissen Theologieverweigerung". Er forderte die Kirchenleitung auf, auf "die Anbiederung an die Tagespolitik" zu verzichten.
    Raabe räumte ein, dass die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in einem Dilemma sei. Von der Kirchenleitung werde erwartet, dass sie "Richtungsweisendes" zu sagen habe. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm solle einerseits "klare Kante zeigen" und andererseits die Pluralität der Meinungen zur Sprache bringen".
    "Einheitsbrei"
    Im evangelisch-theologischem Denken sei zentral der religiöse Gleichheitsgedanke. Darüber sei die "unsichtbare Kirche die wahre Kirche". Radikale Subjektivität sei ein weiterer Kernpunkt: Der Einzelne verantworte die Inhalte des Glaubens. Zudem gehöre zum Wesenskern des Protestantismus, dass Religion Gewissensreligion sei. Katholisches Kirchenverständnis dagegen "setzt auf Gehorsam"; die evangelische Kirche "lässt im Grunde genommen Meinungsvielfalt zu - und die katholische Kirche nicht".
    Raabe hat ein Buch vorgelegt mit dem Titel: "Ökumene um jeden Preis? Ein protestantischer Zwischenruf". Er kritisiert eine "Katholisierung des Protestantismus und eine Protestantisierung des Katholizismus". Seiner eigenen Kirche mit ihren Leitungsebenen warf er vor, sich zu wenig um das eigene protestantische Profil zu kümmern und "an einem Einheitsbrei oder einer Einheitssauce" interessiert zu sein.
    Gerson Raabe "Ökumene um jeden Preis? Ein protestantischer Zwischenruf", Verlag Claudius, 176 Seiten, 16 €
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.