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Evangelische Landeskirche Sachsen
Der Bischof aus der Burschenschaft

Der sächsische Landesbischof Carsten Rentzing trat als Student einer schlagenden Verbindung bei, der er bis heute formal angehört. Eine Petition fordert nun eine Distanzierung Rentzings von der Verbindung. Für die Unterzeichner geht es dabei um eine Abgrenzung zum rechtskonservativen Milieu.

Von Jennifer Stange |
Der sächsische Landesbischof Carsten Rentzing in der barocken Dresdner Frauenkirche bei einem Festgottesdienst zum zehnjährigen Wiederaufbau.
Mitglied bei der "Alten Prager Landsmannschaft Hercynia": Landesbischof Carsten Rentzing (imago / Matthias Rietschel)
Die Information taucht erstmals im Wikipedia-Eintrag zur Person Carsten Rentzing auf: Der sächsische Landesbischof soll als Student einer schlagenden Verbindung in Frankfurt am Main beigetreten sein. Die "Sächsische Zeitung" fragt daraufhin nach, Rentzing steht Rede und Antwort. Die Mitgliedschaft sei eine Art Jugendsünde, so der Tenor. Doch damit ist die Sache nicht vom Tisch. Eine Onlinepetition aus Kirchenkreisen fordert klare Positionen vom Bischof. Mitinitiator ist Pfarrer Andreas Dohrn aus Leipzig.
Er sagt: "Es geht in der Petition darum, den Bischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Sachsen aufzufordern, sich von neuen rechten Denkbewegungen abzugrenzen einerseits und anderseits seine Mitgliedschaft in der Alten Prager Landsmannschaft Hercynia zu beenden."
Problem für die Kirche oder Privatsache?
Die Mitgliedschaft zu beenden, lehnt Rentzing bisher ab. Obwohl er nicht mehr aktiv sei und den Mitgliedsbeitrag nur pro forma zahle, will er die alten Bünde - die Freundschaft zu einzelnen - nicht abreißen lassen. Warum ihm das so wichtig ist?
Er sagt: "Das ist eine sehr persönliche Frage, die auch nur persönlich beantwortet werden kann und nicht in der Öffentlichkeit, sondern mit den Freunden."
Privatsache. So erklärt Rentzing auch den Umstand, die Mitgliedschaft zuvor in seiner Kirche nicht erwähnt zu haben. Dem gegenüber steht die Auffassung der Petitentinnen und Petitenten: die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft setzte eine politische Duftmarke, die auf das Bischofsamt und damit die Evangelische Landeskirche abfärbe.
Andreas Dohrn: "Damit hat nicht nur der Bischof, sondern auch die Landeskirche ein Problem."
Otto Guse, Präsident der sächsischen Landeskirche sagt, die Sorgen dieser Kirchenmitgliedern müsse man ernst nehmen, aber:
"Ich persönlich teile diese Besorgnis nicht, das liegt aber natürlich daran, dass ich selber eine westdeutsche Sozialisation habe. Ich komme zwar aus einer frommen Familie, aber wir waren ja in einer völlig freien Gesellschaft. Das ist ja in Sachsen völlig anders gewesen und da muss man natürlich schon drauf Rücksicht nehmen, dass bestimmte Positionen, die man im Westen völlig unproblematisch einnehmen konnte, hier große Beschwer auslösen. Hier meine ich zum Beispiel die Position, dass man in einer schlagenden Verbindung ist."
Hinterköpfe von Burschenschaftern mit roten Hüten auf dem Kopf
Burschenschaften sind umstritten, da viele von ihnen als politisch weit rechts gelten (picture alliance / Bodo Schackow)
Ist die Causa Rentzing also eine Petitesse ostdeutscher Christen? Ganz so einfach ist es wohl nicht. Burschenschaften sind umstritten, viele von ihnen gelten als politisch weit rechts, unter anderem deshalb, weil die Grenzen zwischen Patriotismus und Nationalismus verwischen.
Rentzing sei Mitglied einer Landsmannschaft, "die sich sehr klar nicht von den Wehrmachtsverbrechen des Zweiten Weltkriegs abgrenzt", so Pfarrer Dohrn. Interviewanfragen per Mail und Anrufbeantworter lässt die Landsmannschaft Hercynia unbeantwortet. Stephan Peters war Burschenschaftler, hat sich aber losgesagt und später wissenschaftlich zum Thema gearbeitet.
Er sagt: "Der Coburger Convent, wo ja die Landsmannschaft zugehört, in dem der Bischof halt Mitglied ist, ist rechtskonservativ, da gibt es hier und da auch mal eine Figur die rechtsextrem auffällt, aber man kann nicht sagen, vom Verband her, dass das ein rechtsextremer Verband ist."
Weil sich das "nationale Selbstverständnis eines solchen Männerbundes" und ihr Verständnis des christlichen Glaubens gegenseitig ausschließen, so begründet eine Unterzeichnerin in den Kommentarspalten der Petition ihre Unterschrift. Eine andere Unterzeichnerin kritisiert das Frauenbild.
Der Coburger Convent versteht sich als Schutzraum für Männer, weil "an Universitäten heutzutage der Gender-Clash härter denn je geführt wird, sind unsere Rückzugsorte unbezahlbar", heißt es auf der Homepage der Dachorganisation. Man habe nichts gegen Emanzipation von Frauen, aber scharf Fechten sei eben Männersache.
Kein grundsätzlicher Widerspruch zum Christentum
Für die Alte Prager Landsmannschaft Herzynia ist Fechten mit scharfen Waffen Pflicht. Der sächsische Bischof schaut auf diese Kämpfe zurück als sportliches Abenteuer in Jugendzeiten. Verharmlosend findet das Peters.
Er sagt: "Das ist kein Sport. Der Hintergrund ist ja, dass ich mich dieser männerbündischen Gemeinschaft unterwerfe. Ich stehe nicht da in einem Duell, sondern ich trete ja für meine Gemeinschaft gegen jemanden aus einer anderen Verbindung an. Da geht es dann gar nicht mehr um das Individuum als solches, sondern lediglich wie ich für etwas Höheres dienen kann."
Auf der Homepage der Alten Prager Landsmannschaft Hercynia heißt es zum Thema Mensur: "Das Alter einer Tradition ist kein Indiz für reaktionäre Tendenzen. Uns zwingt niemand zur Mensur, wir wollen sie! Die Mensur ist eine Möglichkeit, Einsatzbereitschaft für die Gruppe zu dokumentieren, die in dieser Form mit anderen Mitteln nicht vorstellbar ist."
Einen grundsätzlichen Widerspruch zum Christentum sieht Peters ebenfalls nicht. Der Blick in die Geschichte zeige, dass Werte und Bewertungen - von Gewalt, Kriegen und Waffen beispielsweise - dem kirchlichen Wandel unterliegen.
"Da muss man immer genau gucken, welche Ausrichtung der evangelischen Kirche ist das und wie wird das gerade gelebt. Ist die eher konservativ, oder ist es eher eine Kirche im Aufbruch, die auch eine Gleichwertigkeit der Geschlechter sehen will, auch die mit Homosexualität kein Problem hat, dann wäre da auch ein Widerspruch drin."
Politische Fragen als Nagelprobe für den Glauben? Eine Denkweise, die für Otto Guse, den Präsidenten der sächsischen Landessynode ziemlich abwegig ist.
"Die Landeskirche ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Christen aller politischen Richtungen vereinen will, da gibt es sowohl Christen, die einen sehr wertekonservativen Lebenswandel führen und befürworten, als auch Linksliberale. Aber uns eint ja nicht eine gemeinsame politische Richtung, sondern eine gemeinsame Hoffnung auf unseren Herren."
Entgegenkommen auf halbem Weg
Und doch scheiden sich die Geister in der sächsischen Landeskirche. Die Bischofswahl 2015 galt als Lagerkampf zwischen Liberalen auf der einen und Konservativen auf der anderen Seite. Mit markigen Tönen hatte Rentzing immer wieder deutlich gemacht, wo er steht. Homosexualität entspreche nicht dem Willen Gottes, sagte er gegenüber der "Welt" noch wenige Tage vor der Wahl. Rentzing kann sie denkbar knapp, nach sechs Wahlgängen mit einer Stimme Vorsprung für sich entscheiden. Ist dieser Konflikt neu entfacht? Pfarrer Dohrn aus Leipzig ist das zu einfach.
Er sagt: "Die Frage ist, ist diese Landeskirche und dieser Bischof, sind die so positioniert, dass sie den Herausforderungen 2019 in Sachsen entspricht?"
Bischof Rentzing hat die Initiatoren der Petition mittlerweile zum Gespräch eingeladen und kommt ihnen auf halben Weg entgegen. Er distanziert sich von einem Vortrag, den er 2013 im Umfeld der Neuen Rechten gehalten hat. Und er möchte Erwarten dämpfen:
"Naja, an einem Landesbischof wird von allen Richtungen gezerrt; natürlich fordern die einen härtere Worte, die anderen fordern mehr Zurückhaltungen in politischen Fragen. Wir versuchen als Landeskirche den Ausgleich zu schaffen. Wir wollen uns klar auf die Seite des Evangeliums stellen und tun das auch."