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Evangelische und katholische Amtsbezeichnungen
Pfarrer oder Pastor?

Wie die Person, die einen christlichen Gottesdienst leitet, angesprochen wird, hängt von ihrer Konfession ab, aber auch von der Region: Die „Pfarrer-Pastor-Grenze“ verläuft in etwa vom Saarland zur Ostsee. Und entgegen weit verbreiteter Annahmen gibt es auch katholische Pastoren.

Von Christian Röther |
Ein Parkplatzschild - Pastor - an einer Kirche in Essen.
Auch im Ruhrgebiet heißt es Herr Pastor, wie dieses Parkplatzschild an einer Essener Kirche belegt (IMAGO / Manngold)
Pfarrer oder Pastor, wie heißt es wo korrekt? Die Antwort auf diese scheinbar einfache Frage ist nicht so eindeutig, wie man meinen könnte. Eine weit verbreitete Annahme lautet: "Pastor" sagt man nur in Norddeutschland und auch nur in der evangelischen Kirche. Aber weit gefehlt.
"Ja, hier in Köln sagt man Pastor. Dad heißt up Kölsch: Hallo Pastur, wie geht es, Pastur?" Erklärt Franz Meurer am Telefon. Meurer ist katholischer Priester, Pfarrer einer Gemeinde im Osten von Köln, und angesprochen wird er als Pastor. "Es ist so: Wenn mich einer fragt, wie wollen Sie denn genannt werden, Herr Meurer oder Herr Pastor, dann sage ich: Hoffentlich Herr Meurer. Dann stehe ich Ihnen fünf Tage in der Woche 7,89 Stunden zur Verfügung. Wochenende natürlich nicht. Und wenn Sie sagen, Herr Pastor, stehe ich Ihnen leider sieben Tage in der Woche 24 Stunden zur Verfügung."
Ein Imam steht auf einem kleinen verzierten Balkon und spricht zu einer Gruppe Männer. An der Wand befinden sich arabische Schriftzeichen.
Von Vorbetern und Vorstehern - Was ist eigentlich ein Imam?
Wer eine Moschee leitet, wer in Religionsfragen das Sagen hat – auf diese Fragen gibt es viele Antworten. Nicht alle stimmen. Ist der Imam der Moschee-Chef oder nur der Vorbeter? Heißt es Iman oder Imam? Und kann er auch eine Frau sein?

Von Pfarr-Herren und Berufenen

Heißt also: Pastor ist mehr als eine Amtsbezeichnung. Anders als Pfarrer. Damit ist erst mal nur das Amt gemeint. Sprachlich kommt Pfarrer wohl vom Pfarr-Herr. Pastor hingegen ist im kölsch-katholischen Verständnis eine Art Berufung: Lebensaufgabe und Fulltimejob. Eine Unterscheidung, der auch Johann Hinrich Claussen zustimmt, der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland:
"Pastor leitet sich ja aus dem lateinischen Wort für Hirte ab und hat auch natürlich dieses autoritäre Moment in sich. Da ist der eine Hirte und da sind die anderen Schafe. Aber er akzentuiert noch stärker – und das finde ich immer schön, deshalb mag ich diesen Begriff so gerne – das Seelsorgerliche. Also der Pastor ist nicht derjenige, der eine Gemeinde beherrscht als Herr, sondern ist derjenige, der sich wie ein guter Hirte um die Schafe kümmert."

Pastur oder Pasta?

Johann Hinrich Claussen kommt aus Hamburg. Dort und in der Umgebung ist in der evangelischen Kirche völlig klar: "Man sagt im Alltag Pastor beziehungsweise Pastorin. Also, wenn man in Norddeutschland in einer Gemeinde unterwegs ist – so richtig in Norddeutschland – dann hat man den Eindruck, die reden einen mit einer italienischen Teigwaren-Spezialität an, weil das wird dann ‚Pasta‘ ausgesprochen." Im Norden endet der Pastor also auf "a", am Rhein auf "u-r". Aber in weiten Teilen Deutschlands wird der "Pastor" überhaupt nicht verwendet – sondern nur der "Pfarrer".
"Die Frage, ob es Pfarrer oder Pastor heißt, die ist was, wo alle denken, sie wüssten Bescheid. Aber wenn man dann nachbohrt, dann stellt man fest, man weiß gar nicht Bescheid." Beobachtet Felix Neumann. Er arbeitet als Redakteur für katholisch.de, das Internetportal der römisch-katholischen Kirche in Deutschland. "Das ist bei katholisch.de auch häufig in Facebook-Kommentaren aufgetreten, wenn da ein katholischer Pastor auftaucht, dann kann man mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, spätestens der dritte Kommentator sagt: Nein, Pastor ist evangelisch, das habt Ihr falsch gemacht."

Katholische Pfarrer-Pastor-Grenze

Also wollte Felix Neumann es genau wissen: Wo werden die Männer, die katholische Gottesdienste leiten, als Pfarrer angesprochen und wo als Pastor? Da er keine Statistik dazu finden konnte, hat Neumann bei allen 27 katholischen Bistümern in Deutschland nachgefragt. Die Recherche dauerte eine ganze Weile, sagt Neumann, dann zeigte sich aber ziemlich deutlich, wo sie verläuft, die katholische Pfarrer-Pastor-Grenze: "Tatsächlich ist es eine Diagonale, die so grob vom Saarland links unten irgendwo Richtung Ostsee rechts oben hochgeht."
Deutschlandkarte, auf der eine Fläche von Trier bis zur Nordsee dunkelrot eingefärbt ist. Hier heißt es vornehmlich auch in der katholischen Kirche Herr Pastor.
Von Trier bis zur Nordsee reicht in etwa das Pastor-Gebiet. Die Daten stammen von den katholischen Bistümern. (katholisch.de)
Heißt konkret: Auch in der katholischen Kirche sagt man Pastor, und zwar im Westen und Nordwesten. Vom Bistum Trier über Aachen, Köln, Essen und Münster bis nach Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Übrigens meistens mit einer Betonung auf dem O, nicht auf dem A. Neumann: "Pastór ist eher katholisch. Pástor ist evangelisch."
Der Pfarrer hingegen ist die Standardbezeichnung im Süden, in der Mitte, im Osten und im Nordosten – auf der katholischen Seite. Und wie ist es in den evangelischen Kirchen? Auch hier gibt es keine offizielle Statistik. Aber die evangelische Pfarrer-Pastor-Grenze dürfte ähnlich verlaufen wie in der katholischen Kirche, meint der Kulturbeauftragte der EKD, Johann Hinrich Claussen. Allerdings:
"Es hat sich so ein bisschen durchgesetzt, dass die offizielle Bezeichnung insgesamt Pfarrer/Pfarrerin ist. Also es gibt das Pfarrerdienstrecht, es gibt das deutsche Pfarrer- und Pfarrerinnenblatt. Die offiziellen und über ganz Deutschland gelegten Begrifflichkeiten orientieren sich ganz stark am Begriff des Pfarrers. Man spricht auch vom Pfarramt. Also man studiert Theologie auf das Pfarramt zu, nicht auf das Pastorenamt zu. Insofern gibt es da eine Dominanz offiziell des Pfarrerlichen."

Pastor ist Mundart

Ist also zu befürchten, dass der Pfarrer den Pastor vertreibt? Felix Neumann von katholisch.de beobachtet einen solchen Prozess in Teilen des Rheinlands: "Da ist in der Mundart es durchaus noch verbreitet, von Pastor zu sprechen. Aber in der Alltagshochsprache sagt man ganz klar Pfarrer. Und ich gehe davon aus, dass das überall ein ähnlicher Prozess ist: Je mehr die klassischen Dialekte verlorengehen, desto mehr wird auch der Pastor verlorengehen. Denn wenn man ins Kirchenrecht schaut, dann ist überall einheitlich geregelt, dass der Pfarrer der katholische Titel ist."
Und auch dort, wo in katholischen Gemeinden traditionell vom Pastor gesprochen wird, hat Neumann festgestellt: "Dass anscheinend manche Bischöfe denken: Na ja, ist schon schön, alle heißen bei uns Pastor, so ist die Umgangssprache. Aber dann drückt das kirchenrechtliche schlechte Gewissen und sagt: Auf Eurer Urkunde steht ‚Pastor mit dem Titel Pfarrer‘."
Noch ist die Pfarrer-Pastor-Grenze im deutschen Sprachraum klar erkennbar: Im Westen und im Norden heißt es meistens Pastor, oft auch im katholischen Kontext. Aber es gibt Anzeichen dafür, dass der Pfarrer diese Sprachgrenze zu seinen Gunsten verschiebt