Michael Wolffsohn findet klare Worte. Im Deutschlandfunk sagt der renommierte Zeithistoriker:
"Darüber schafft man Märtyrer. Ein großartiger Propagandaerfolg, den die AfD der EKD zu verdanken hat, oder den Organisatoren des Kirchentages."
Es geht um die Entscheidung des Kirchentagspräsidiums, keine Vertreterinnen oder Vertreter der AfD zu Veranstaltungen des Kirchentages einzuladen. Noch vor zwei Jahren war das anders. Damals, beim großen Kirchentag in Berlin, da durfte die AfD zumindest bei einer Veranstaltung noch mitdiskutieren. Vergangenes Jahr in Münster eskalierte dann eine Diskussion auf dem Katholikentag mit dem kirchenpolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Volker Münz.
Seitdem habe sich die Partei weiter radikalisiert. So begründet der Präsident des Evangelischen Kirchentages, Hans Leyendecker, die Entscheidung, in diesem Jahr der AfD kein Podium zu bieten. Gereift ist diese Entscheidung im Kirchentagspräsidium unter anderem nach den rassistischen Exzessen von Chemnitz. Damals hatten Kritiker der AfD vorgeworfen, sich mit rechtsextremen Gewalttätern und Hetzern gemein zu machen. Im ARD-Fernsehen verteidigt der ehemalige Journalist Leyendecker seine Haltung. Er meint:
"Dass man eine rote Linie ziehen muss für Repräsentanten. Und einen Diskurs mit Rassisten, mit Hetzern, den führen wir nicht. Wir laden jemanden ein, weil er viel zu sagen hat. Herr Gauland, Frau Weidel, Herr Höcke oder so, die haben mir nichts zu sagen."
Ostdeutsche Landeskirchen üben Kritik
Das sehen allerdings längst nicht alle in der Evangelischen Kirche so. Vor allem aus den ostdeutschen Landeskirchen - dort, wo auch viele Kirchenmitglieder mit der AfD sympathisieren - kommt Kritik. So zum Beispiel von Ilse Junkermann, Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Sie hat bereits im April im Deutschlandfunk gesagt:
"Ich bedaure diese Entscheidung sehr. Wenn es uns in der Auseinandersetzung mit der AfD darum geht, die Demokratie zu erhalten und zu stärken - auch gegenüber ihrem Populismus und ihren bewusst gesetzten Tabubrüchen - dann ist es sehr wichtig, dass wir mit den Mitteln der Demokratie dieses aufdecken und nicht aufgeben, sondern auf die Kraft des Wortes setzen und die Kraft des Diskurses."
Streit um den Umgang mit AfD droht Kirchentag zu dominieren
Der Streit um den Umgang mit der AfD droht dabei, die anderen Themen des Kirchentages zu überlagern. "Was für ein Vertrauen" steht als Motto über dem Protestantenreffen. Auf mehr als 2.300 Veranstaltungen soll es um das Verhältnis zwischen Angst und Vertrauen gehen. Denn dass unsere Gesellschaft in einer Vertrauenskrise steckt, davon sind die Organisatoren überzeugt.
Nordrhein-Westfalen als gastgebendes Bundesland bezuschusst den Kirchentag mit rund viereinhalb Millionen Euro - eben weil dort Fragen diskutiert werden, die die gesamte Gesellschaft etwas angehen. Davon ist der stellvertretende NRW-Ministerpräsident und Integrationsminister, Joachim Stamp von der FDP, überzeugt.
"Denken Sie beispielsweise an die Diskussion über die richtige Klimapolitik. Es gibt Ängste bei denjenigen, die zu uns gewandert sind vor rechtsradikalen Übergriffen. Es gibt auch in der Bevölkerung zum Teil Ängste, dass Menschen, die aus anderen Kulturkreisen gekommen sind, die Art und Weise, wie wir hier leben, bedrohen würden. Und das ist es, was ich mir wünsche: dass wir sehr offen miteinander auch über diese Ängste und auch über das Thema Vertrauen umgekehrt, was ja Kirchentagsmotto ist, sprechen."