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Evangelischer Kirchentag
"Sport kann auch Seelsorge sein"

Der Evangelische Kirchentag in Dortmund ist der Erste, der ein eigenes Zentrum Sport hat. Dort wird über die Zusammenhänge zwischen Sport und Spiritualität diskutiert, aber auch über die allgegenwärtigen Probleme des Sports wie Korruption, Doping oder rechtsextreme Tendenzen.

Von Jessica Sturmberg |
Podiumsdiskussion im Zentrum Sport auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund u.a. mit Magdalena Neuner
Diskutieren über Sport und Kirche: Magdalena Neuner (2.v.r.) auf dem Kirchentag in Dortmund (Jessica Sturmberg / Deutschlandfunk)
"Ich habe mir mal die Mühe gemacht bei Google Maps die Reisen Jesu Christi währen der ersten acht Monate seiner dreijährigen messianischen Wirksamkeit aufzusummieren und einzutragen. Sie können das ja an den Evangelien verfolgen. Er ist mehrmals durch Israel und Judäa hoch und runter und er kommt da in diesen acht Monaten auf 860 Kilometer. Per pedes, er war ja ein Wanderprediger. Und da sind noch nicht Aktivitäten des täglichen Lebens wie Fisch und Brot besorgen, sondern nur Reisetätigkeit."
Stefan Schneider ist Sportwissenschaftler am Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft an der Deutschen Sporthochschule in Köln und auch Theologe und verbindet so in seiner Person Sport und Religion. Der Titel seiner Doktorarbeit: "Ist Laufen Beten?" Er war einer derjenigen, die im Zentrum Sport auf dem Kirchentag seine Gedanken zur Rolle von Sport und Religiosität den Kirchentagsbesuchern nahegebracht hat. Bereichert durch musikalisch-passende Beiträge - so wie es zum Kirchentag gehört - hier mit augenzwinkernden Einlagen der Bochumer Acappella-Gruppe "Wireless".
Sport auf dem Kirchentag - mit prominenten Gästen
Es ist das erste Mal, dass das Thema Sport auf einem Kirchentag mit Gästen wie dem Präsidenten der Deutschen Fußball-Liga Reinhard Rauball, DOSB-Präsident Alfons Hörmann, Ex-Bundesinnenminister Thomas de Maizière oder der früheren Biathletin Magdalena Neuner ein eigenes Zentrum bekommen hat.
"Das hat einmal natürlich damit zu tun, dass Dortmund als Sportstadt, die ganze Region als Sportregion eine Identifikationsfläche für das Thema Sport bietet. Aber auch unser Leitthema Vertrauen ist natürlich eng verbunden mit dem Thema Sport und lässt sich sehr schön verknüpfen mit dem Thema Glauben, weil im Sport taucht Vertrauen auf, Selbstvertrauen durch Sport. Im Glauben ist es ein ganz wichtiges Thema, dass man eben Gottvertrauen entwickelt."
Erklärt Jonathan Hunger, einer der Organisatoren des Zentrums Sport. Wie es sich für einen Kirchentag gehört, wird fleißig diskutiert. Was haben Sport und Kirche gemeinsam, welche Rolle müssen beide in der Gesellschaft erfüllen, aktiv und auch als Korrektiv. Und wie gut gelingt ihnen das, wenn Sportler oder Funktionäre in Versuchung geraten - ob durch Geld, Doping, Macht. Oder wenn rechtspopulistische oder gar rechtsextreme Personen Einfluss in Sportvereinen erlangen. Der Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Volker Jung, sieht die Herausforderung beim Sport genauso wie in der Kirche:
"Dann müssen Sie Auseinandersetzungen suchen, müssen Sie reden und Sie müssen gegebenenfalls, wenn das jemand aktiv auch nach außen betreibt, auch eine Grenze ziehen und müssen sagen, das geht nicht. Und ähnlich ist es bei Sportvereinen: was machen Sie, wenn Sie wissen, dieser Jugendtrainer verbindet mit seinem Engagement als Trainer auch andere Ziele? Und da muss natürlich eine Linie her und es ist auch nicht einfach. Das ist richtig schwer."
Historische Wegkreuze zwischen Fußball und Kirche
Und eine der aktuell großen Herausforderungen. Die der Vergangenheit sind im Fußballmuseum zu besichtigen. Welche Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte explizit Fußball und Kirche haben, dazu bietet das Museum zum Kirchentag extra Sonderführungen. Dort werden die Geschichten erzählt zu Helmut Rahns Gruben-Kohlekreuz, zu den in Stein gemeißelten Fußballspielern am Kölner Dom oder wie man sich in der evangelischen Kirche in Bad Nauheum 2010 beholfen hat. WM-Achtelfinale Deutschland-England und in der Kirche war Gottesdienst. Was tun? Dorothea Csitneki, die die Gäste durch die Ausstellung führt, erzählt diese Anekdote besonders gerne:
"Die Spielstände wurden alle auf der Liedtafel durchgegeben."
Hinter einer Glaswand im Fußballmuseum in Dortmund ist die Liedtafel aus Bad Nauheim mit schwarzen Nummerplättchen in einem Holzrahmen.
Die Liedtafel aus der evangelischen Kirche in Bad Nauheim, die zum "Liveticker" während des WM-Achtelfinales 2010 wurde (Jessica Sturmberg / Deutschlandfunk)
Eine Liedtafel als Liveticker. Neben den ernsten wie auch humorvollen Auseinandersetzungen gibt es auf dem Kirchentagsgelände in Dortmund aber natürlich auch die Möglichkeit sich selbst zu bewegen. Ein Aktivpark mit ausgewählten Sportspielen, erläutert Jonathan Hunger, der auf einen Kranwagen mit einer Strickleiter zeigt:
"Die Himmelsleiter ist natürlich auch ein biblisches Motiv, aber letztlich ist das ein großes Vertrauensspiel, wenn man zu zweit diese überdimensionierte bestimmt 20 Meter hohe Strickleiter erklimmen soll."
Ein Vertrauensspiel, passend zum Motto des Kirchentags. Hier geht es nochmal ganz praktisch darum, dass Bewegung, Spiritualität und die Erfahrung des Glaubens im und durch Sport keine miteinander konkurrierenden Betätigungen sind. Gerade in einer sich verändernden Gesellschaft, betont Theologe und Sportwissenschaftler Stefan Schneider:
"Menschen isolieren sich, ziehen sich zurück. Alte Menschen werden abgeschoben, das Prinzip der Großfamilie, in der man sich um einander kümmert, gibt es nicht mehr. Soziale Isolation führt zu körperlichem und geistigem Abbau. Sport und Glaube, meine Damen, meine Herren, Sport und Glaube gehören eng zusammen. Sie stehen nicht gegenüber. Auch Bewegung, auch Sport kann was für den Körper tun, für die Seele tun, für das soziale Miteinander in der Gesellschaft tun und deswegen glaube ich ganz ehrlich, dass Sport auch Seelsorge sein kann."